16.03.2018

Blockchain kann mehr als nur bezahlen

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Blockchain-Technologie hat das Potenzial, Intermediäre auszuschalten und Transaktionskosten zu senken. Sie kann auch zur Unternehmensfinanzierung genutzt werden. Voraussetzung ist jedoch eine Erhöhung der Rechtssicherheit.

Blockchain-Anwendungen können nicht nur für die Abwicklung von Zahlungen mithilfe virtueller Währungen, sondern insbesondere auch bei der Finanzierung von Unternehmen genutzt werden. Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, Intermediäre auszuschalten und Transaktionskosten zu senken. Jedoch werden sich Blockchain-Anwendungen für die Unternehmensfinanzierung langfristig nur etablieren, wenn sie es schaffen, die Rechtssicherheit der Finanzierungsparteien dadurch zu erhöhen, dass Eintragungen in Blockchains maßgeblich für die jeweils abgebildete Rechtslage sind.

Blockchain ist mehr als nur Bitcoin

Die bekannteste Blockchain-Anwendung ist die virtuelle Währung Bitcoin. Bitcoin und Blockchain können aber keinesfalls gleichgesetzt werden, da Blockchain-Anwendungen auch anders ausgestaltet sein können als bei Bitcoin-Transaktionen. In der Finanzwirtschaft können Blockchains als Transaktionsregister insbesondere zur Abwicklung von Zahlungen oder Wertpapiergeschäften verwendet werden.

In Deutschland sind Banken trotz möglicher Vorteile von Blockchain-Anwendungen mit der Markteinführung noch zurückhaltend, auch weil rechtliche Probleme – z.B. aus dem Datenschutz-, IT/IP- und Bankaufsichtsrecht, aber auch allgemein schuld- und sachenrechtlicher Natur – noch nicht hinreichend gelöst werden (können).

Die wohl bekannteste Initiative zur Entwicklung von Blockchain-Anwendungen wurde von dem Konsortium R3 gestartet. Das Konsortium besteht aus rd. 40 Großbanken (wie der Deutschen Bank und der Commerzbank) und hat insbesondere die Distributed Ledger-Plattform Corda für Finanzinstitute entwickelt.

Blockchain-Anwendungen bieten aber auch für Unternehmensfinanzierungen Vorteile, die einen Einsatz sowohl für Kreditnehmer als auch Kreditgeber als sinnvoll erscheinen lassen. Z.B. kann es für die Unternehmensfinanzierung hilfreich sein, über ein Blockchain-Transaktionsregister bestimmte Forderungen einem konkreten Inhaber zuweisen zu können.

Neue digitale Rechtsumgebung durch Vertragsgestaltung und Schnittstellen

Blockchain-Anwendungen bieten für Finanztransaktionen eine Reihe von Vorteilen:

  • Das Transaktionsregister macht es für alle Teilnehmer transparent, wer gerade einen bestimmten Vermögenswert hält.
  • Zudem ist ein Blockchain-Register relativ fälschungssicher, weil es dezentral gespeichert wird und weil für Eintragungen der Konsens des Netzwerks erforderlich ist.
  • Außerdem helfen Blockchain-basierte Smart-Contract-Features bei der Abwicklung von Leistungen Zug-um-Zug mit ihren Gegenleistungen und tragen damit zur Senkung des Insolvenzrisikos für die jeweilige Gegenpartei bei.
  • Ferner können, bei entsprechender Ausgestaltung der Blockchain, die Leistungen direkt unter Peers abgewickelt werden, ohne dass es der Zwischenschaltung eines Intermediärs bedarf.

Voraussetzung für die Nutzung dieser Vorteile ist aber, dass die Hinzufügung einer Transaktion zur Blockchain konstitutiv (und nicht bloß deklaratorisch) für den Erwerb des der Transaktion zugrundeliegenden Rechts ist. Denn ohne die rechtliche Verbindlichkeit der Blockchain-Eintragungen können Zweifel an der Inhaberschaft eines abgebildeten Vermögensgegenstands bestehen.

Problematisch ist dies insbesondere in einem Markt mit hoher Umlaufgeschwindigkeit der gehandelten Vermögenswerte, weil sich der Grad der Rechtsunsicherheit erhöht je häufiger ein Vermögenswert gehandelt wird. Gerade der digitale Handel mit Vermögenswerten aus dem Bereich der Unternehmensfinanzierung erfordert aufgrund der Größe der gehandelten Beträge ein hinreichendes Maß an Rechtssicherheit.

Denkbar ist, dass die Teilnehmer eines Blockchain-Netzwerks per Vertrag eine selbst gestaltete Rechtsumgebung schaffen, in der für alle Arten von Vermögenswerten und für alle Rechte die zivilrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen so modifiziert werden, dass die Blockchain-Eintragung einer Transaktion und des neuen Rechtsinhabers maßgeblich für den jeweiligen Rechtserwerb ist. Zwar können dadurch nicht zwingende Normen des Zivilrechts derogiert werden, aber ihnen kann durch Anpassungen der Blockchain-Anwendungen möglicherweise ausreichend Rechnung getragen werden.

Zwingende Regelungen des Zivilrechts können die Anwendung bestimmter Blockchain-Features auf verschiedene Weise erschweren oder verhindern. Relevante Problemkreise dabei sind z.B. notarielle oder grundbuchrechtliche Formerfordernisse, die Rückabwicklung von Leistungen nach Rücktritt oder Nichtigkeit, Änderungsverträge, Abtretungsverbote, die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Sachen sowie die Normen zum Schutz von Minderjährigen und Geschäftsunfähigen. Durch diese Punkte zeigt sich, dass das (geltende) Zivilrecht auch Umstände und Handlungen regeln muss, die außerhalb der künstlichen und hermetisch-abgegrenzten digitalen Sphäre liegen und trotzdem Einfluss auf (die Wirksamkeit der) Rechtsgeschäfte haben.

Zur Lösung dieses Problems müssten Schnittstellen geschaffen werden, mit deren Hilfe die Realität möglichst genau auf Blockchains abgebildet werden kann. Solche Schnittstellen sollten Daten liefern, die sich auf Umstände beziehen, die Indizien für (positive oder negative) Voraussetzungen des Rechtserwerbs sind (z.B. Verknüpfungen mit Einwohnermelderegistern zur Registrierung von Geburtsdaten von Transaktionsparteien). Auch Wertungen wie zur Feststellung der Sittenwidrigkeit beziehen sich zum Teil auf objektive, digitale Parameter, die ein bestimmtes Ergebnis indizieren (z.B. Preise bei einem Wuchergeschäft).

Vermögenswerte aus der Unternehmensfinanzierung via Blockchain

Denkbar ist es, dass von einem privaten Netzwerk über entsprechende Anwendungen Rechte zu verschiedenen Kategorien von Vermögenswerten digital über Blockchains abgebildet werden und unter Einsatz von Smart-Contract-Features automatisiert (aus-)getauscht bzw. gehandelt werden können. Als Teilnehmer eines solchen Netzwerks kommen insbesondere (Hedge-)Fonds in Betracht, wenn sie in solche digital abgebildeten Vermögenswerte investieren, weil sie bei der Allokation ihrer Vermögenswerte Anforderungen an die eigene Risikosteuerung erfüllen und investmentrechtliche Vorgaben zur Liquidität und Zusammensetzung ihres Portfolios einhalten müssen. Damit auch Vermögenswerte aus der Unternehmensfinanzierung von solchen privaten Netzwerken genutzt werden können, müssen aber (noch) geeignete Lösungen entwickelt werden.

Vorteile und Voraussetzungen zur Nutzung der Blockchain

Im Zusammenhang mit Schuldscheinen, Commercial Papers und ICO gibt es bereits Projekte zum Einsatz von Blockchain-Anwendungen für die Unternehmensfinanzierung. Als potentielle Vorteile von Blockchain-Anwendungen sind

  1. die Transparenz über die Inhaberschaft von Vermögenswerten,
  2. die Fälschungssicherheit,
  3. die Smart-Contract-Features für die Leistungsabwicklung Zug-um-Zug und
  4. die Ausschaltung von Intermediären zu nennen.

Voraussetzung für die Nutzung dieser Vorteile ist aber, dass die Hinzufügung einer Transaktion zur Blockchain konstitutiv (und nicht bloß deklaratorisch) für den Erwerb des der Transaktion zugrundeliegenden Rechts ist, weil sich der Grad der Rechtsunsicherheit wegen etwaiger Abweichungen erhöht je häufiger ein Vermögenswert gehandelt wird.

Deshalb sollte es bei Blockchain-Anwendungen für die Unternehmensfinanzierung wegen der Größe der gehandelten Beträge das Ziel sein, per Vertrag eine selbst gestaltete Rechtsumgebung zu schaffen, in der diese Voraussetzung erfüllt ist.

Der Artikel ist ein Auszug aus dem Beitrag „Blockchain-Anwendungen für die Unternehmensfinanzierung“ aus dem Corporate Finance Themenheft „Digitalisierung der Mittelstandsfinanzierung“. Zudem ist diese Kurzfassung erschienen im Bank-Blog.

Autoren: Dr. Max Danzmann ist promovierter Ökonom und Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt/M. und Co-Autor des Beitrags. Alicia Hildner ist Rechtsanwältin in der Praxisgruppe Globale Transaktionen bei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Frankfurt/M.


Redaktion

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