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11.07.2018

Rekordzahl von deutschen Start-ups erhält frisches Geld

Autokonzerne auf der Überholspur

© WrightStudio/fotolia.com

Deutsche Start-ups konnten im ersten Halbjahr 2018 insgesamt 2,4 Milliarden Euro von Investoren einsammeln – das waren sieben Prozent weniger als im Vorjahr, als vor allem der Börsengang von Delivery Hero für einen Rekord gesorgt hatte. Das Transaktionsvolumen reiner Risikokapitalinvestitionen – ohne Berücksichtigung von Börsengängen – stieg im ersten Halbjahr hingegen um 3,5 Prozent auf den neuen Höchststand von 2,2 Milliarden Euro.

Bei der Zahl der Investitionen gab es mit insgesamt 272 Transaktionen – drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum – einen neuen Rekord zu vermelden.

Berlin konnte abermals den Titel als Deutschlands Start-up-Hauptstadt verteidigen. Berliner Start-ups erhielten im ersten Halbjahr bei 123 Finanzierungsrunden insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Die Zahl der Finanzierungen stieg damit um sechs Prozent, das Investitionsvolumen sank aufgrund des Delivery-Hero-IPOs im Vorjahr aber um 15 Prozent.

Mehr Geld als im Vorjahreszeitraum floss hingegen an bayerische und nordrhein-westfälische Jungunternehmen: In Bayern kletterte das Finanzierungsvolumen um 67 Prozent auf 355 Millionen Euro, in Nordrhein-Westfalen sogar um 138 Prozent auf 129 Millionen Euro. Hessische Start-ups konnten mit 98 Millionen Euro mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum einwerben. Lediglich Hamburg hatte im ersten Halbjahr mit insgesamt 116 Millionen Euro einen Rückgang um gut ein Drittel zu verzeichnen.

Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Berücksichtigt wurden Unternehmen, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt. Neben klassischen Risikokapitalinvestitionen werden für die Studie auch Mittelzuflüsse aus Börsengängen und ICOs (Initial Coin Offerings) berücksichtigt.

„Für den Start-up-Standort Deutschland war das erste Halbjahr erneut erfolgreich – das Volumen reiner Risikokapitalinvestitionen stieg sogar auf Rekordniveau. Zudem erhalten immer mehr deutsche Jungunternehmen frisches Kapital“, beobachtet Peter Lennartz, Partner bei EY. Allerdings lässt die Wachstumsdynamik etwas nach: Im ersten Halbjahr 2016 war die Zahl der Transaktionen noch um knapp 60 Prozent gestiegen, im ersten Halbjahr 2017 betrug die Wachstumsrate noch sechs Prozent, aktuell liegt sie bei drei Prozent. „Wir haben in Deutschland inzwischen offenbar einen vorläufigen Höhepunkt der Marktaktivitäten auf hohem Niveau erreicht – die Zahl der Transaktionen pendelt schon seit dem Jahr 2015 um die 250.“

Vor allem die Zahl kleinerer und mittlerer Finanzierungsrunden stagniert: Insgesamt wurden 194 Transaktionen gezählt, bei denen höchstens fünf Millionen Euro investiert wurden – im Vorjahreszeitraum waren 192 Deals in dieser Größenordnung gezählt worden. Die Zahl der Investitionen zwischen fünf und zehn Millionen Euro ging sogar leicht von 36 auf 32 zurück. „Kleinere Transaktionen sind oft mit einem hohen Risiko verbunden, weil es sich um sehr junge Unternehmen mit zumeist noch nicht erprobten Geschäftsmodellen handelt“, beobachtet Lennartz. „Aber gerade hier wird weiterhin dringend Kapital benötigt, um die ersten Hürden zu überwinden und Potenzial aufzuzeigen.“

Deutlich gestiegen ist erfreulicherweise im ersten Halbjahr hingegen die Zahl großer Finanzierungsrunden oberhalb von zehn Millionen Euro: von 36 auf 45. „Dies ist der Beleg dafür, dass viele Start-ups, die in der Vergangenheit kleineres Geld bekommen haben, sich sehr positiv entwickelt haben und sich jetzt unterstützt von erfahrenen nationalen und internationalen Investoren auf einem Wachstumskurs zur Marktführerschaft befinden. Viele dieser Start-ups benötigen in der Zukunft weiteres Wachstumskapital, was entweder erneut durch Risikokapital oder durch Börsengänge eingeholt werden kann“.

Initial Coin Offerings tragen 250 Millionen Euro bei

Erstmals sind in diesem Jahr ICOs signifikant als neue Finanzierungsform in Erscheinung getreten – trotz starker Kritik von vielen Seiten. Insgesamt nahmen deutsche Start-ups im ersten Halbjahr bei 13 ICOs insgesamt 250 Millionen Euro ein. Im Vorjahr war nur eine derartige Transaktion gezählt worden, die elf Millionen Euro einbrachte.

Ob diese Finanzierungsform allerdings weiter an Bedeutung gewinnen werde, bleibe abzuwarten, so Lennartz: „Nach dem Hype im ersten Halbjahr und negativer Publicity aufgrund fehlender Regulierungen ist es aktuell wieder etwas schwieriger für Start-ups, sich über ICOs zu finanzieren. Allerdings beschäftigen sich inzwischen auch Konzerne, Investitionsbanken und die Regulatoren mit dieser Finanzierungsform und den damit zusammenhängenden Geschäftsmodellen, die auf der Blockchain-Technologie basieren, so dass hier durchaus ein großes Wachstumspotenzial besteht.“

Standort Berlin weiterhin vorn

Berlin ist und bleibt die Start-up-Hauptstadt und der internationale Leuchtturm Deutschlands – aber gerade Bayern. Nordrhein-Westfalen und auch Hessen haben im ersten Halbjahr aufgeholt. Der Anteil Berlins am gesamten Finanzierungsvolumen sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auch dadurch von 74 auf immer noch 67 Prozent, der gemeinsame Marktanteil Bayerns und Nordrhein-Westfalens hat sich hingegen von zehn auf 20 Prozent verdoppelt.

„In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren das wichtigste und größte Ökosystem für Start-ups etabliert – hier stimmen die Rahmenbedingungen auch im internationalen Vergleich, ausländische Investoren haben Berlin längst auf dem Schirm“, beobachtet Lennartz. „ Berlin ist zudem ein Labor für Experimente und schnelle Entwicklungen – daher hat sich die Stadt in 2017 und 2018 im Bereich Kryptowährungen und ICOs zum erfolgreichsten Standort in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa entwickelt.“

„Andere Start-up Ökosysteme in Deutschland haben es dagegen grundsätzlich schwerer. Die aktuellen Entwicklungen zeigen aber, dass die Spezialisierung auf bestimmte Schwerpunkte, die intensive Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen, etablierten Konzernen und Start-ups sowie die regionale Förderung durch die Politik zu bemerkenswerten und für die Zukunft hoffnungsvoll stimmenden Erfolgen führen.“

E-Commerce-Unternehmen erhalten weiterhin das höchste Investitionsvolumen

Das meiste Geld floss im ersten Halbjahr 2018 erneut in E-Commerce-Unternehmen. Insgesamt kamen die Start-ups aus diesem Bereich auf 975 Millionen Euro – nach knapp 1,4 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Gestiegen sind hingegen erneut die Investitionen in FinTech-Unternehmen: von 332 auf 396 Millionen Euro. Ebenfalls deutlich zugelegt haben die Investitionen in den Bereichen Software & Analytics – von 207 auf 386 Millionen Euro – und Mobility – von 62 auf 150 Millionen Euro.

„Das meiste Geld wird nach wie vor im Bereich E-Commerce bewegt – hierwerden hohe Investitionen für den Aufbau von Strukturen und Marketing benötigt. Insbesondere ausländische Investoren versprechen sich in diesem Segment die größten Marktchancen bei begrenztem Risiko“, so Lennartz. „Innovativere und stärker technologiegetriebene Segmente haben es zwar traditionell schwerer – aber auch hier haben wir zuletzt sehr ermutigende Signale gesehen. Insbesondere Investitionen in Start-ups mit innovativen Geschäftsideen im Bereich Data Analytics, Software as a Service, Künstliche Intelligenz, Blockchain oder Cyber Security ziehen wesentlich mehr Investoren als früher an, was für den Standort Deutschland nur positiv sein kann.“

Die größten fünf Transaktionen im bisherigen Jahresverlauf betrafen durchweg Berliner Start-ups im Bereich E-Commerce und FinTech. Im Januar sammelte die Gebrauchtwagen-Plattform Auto1 460 Millionen Euro ein. Im Juni flossen dem Möbel-Versender Home24 bei seinem Börsengang 172 Millionen Euro zu, im März konnte das Banken-Start-up N26 132 Millionen Euro einwerben.

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Start-ups nötig

Nach Lennartz‘ Einschätzung bedarf es nicht nur einer stärkeren Finanzierungsaktivität gerade im Bereich kleiner und mittlerer Finanzierungsrunden. Auch die vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen hätten sich zuletzt nicht gerade positiv entwickelt, obwohl einige Defizite schon lange bekannt seien: „Bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in Start-ups würden die Attraktivität von Start-ups erhöhen. In England gibt es Steuerförderungen für Investoren – diese bekommen 20 Prozent der Investitionen in Start-ups auf die Steuern gutgeschrieben.“ Der Staat könnte zudem Vorschriften in Bezug auf Arbeitserlaubnis und Visa für internationale Talente vereinfachen, so Lennartz. „Zudem binden bürokratische Vorschriften wie Mindestlohn oder Datenschutz-Grundverordnung enorme Kräfte bei den jungen Unternehmen, die sich eigentlich ganz auf ihre Gründung konzentrieren wollen und sollen.“

Ganz zentral seien zudem bessere Datennetze: „Wir müssen die digitale Infrastruktur in Deutschland ausbauen. Sie ist die Basis dafür, dass digitale Geschäftsmodelle überhaupt in der Praxis funktionieren können. Da hinkt Deutschland anderen Staaten hinterher.“

Weitere Informationen finden Sie hier.

(Pressemitteilung EY vom 10.07.2018)


Redaktion

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