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12.06.2020

M&A in Zeiten von Corona: Auf die Verträge kommt es an

Autokonzerne auf der Überholspur

Olaf Lüke

Die Beteiligten an Unternehmenstransaktionen stehen vor besonderen Herausforderungen. Insbesondere im Zeitraum zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages („Signing“) und dem Vollzug des Kaufvertrages („Closing“) stellen sich wirtschaftliche und rechtliche Fragen. Im Unternehmenskaufvertrag sind die genauen Formulierungen sowohl für die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise als auch die der MAC-Klauseln in den Fokus zu nehmen. Eine enge Abstimmung zwischen Verkäufer und Käufer ist zu empfehlen.

Das Coronavirus hat erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und auf jedes einzelne Unternehmen. Zunehmende Produktionsausfälle, unterbrochene Lieferketten sowie Umsatz- und Ergebniseinbrüche sind die Folge. Auch Unternehmenstransaktionen sind betroffen. Das gilt einerseits im Vorfeld der Transaktion, aber gerade auch im Zeitraum zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages („Signing“) und dem manchmal Wochen oder Monate später liegenden Vollzug des Kaufvertrages („Closing“) stellen sich wirtschaftliche und rechtliche Fragen.

Neue Themen in der Due Diligence

Durch die Pandemie ausgelöste Umsatzeinbußen können den Wert des Zielunternehmens massiv beeinflussen. Im Vorfeld einer Transaktion müssen sich die potenziellen Vertragsparteien daher möglicherweise über die Kaufpreisfindung und die Sinnhaftigkeit des Deals neu Gedanken machen. Bereits jetzt ist zu verzeichnen, dass Käufer das Signing des Kaufvertrags regelmäßig zeitlich hinauszögern möchten, um die Phase der Unsicherheit nach Möglichkeit zu verkürzen.

Unternehmen, die derzeit eine Transaktion starten oder einen laufenden Prozess weitertreiben möchten, sollten sich darüber im Klaren sein, dass uns das Virus noch länger begleiten wird. Umso schwerer fällt es, eine Abschätzung über den Markt und die weitere Entwicklung zu treffen. Das macht es notwendig, sowohl auf Seiten des Käufers als auch auf Seiten des Verkäufers, Vorkehrungen für einen längeren Prozess mit größeren Unsicherheiten zu treffen.

Neben den üblichen Sachverhalten im Rahmen von Due Diligence-Prüfungen sind ganz neue Themen aufgetaucht und Risiken zu bewerten. In vielen internationalen Lieferketten sind in den letzten Wochen Liefer- und Leistungsbeziehungen eingebrochen. Somit gilt es neben Fragen zu grundlegenden Verträgen und zur Kreditfähigkeit zu schauen, inwieweit ein Unternehmen die aktuellen Coronahilfen in Form von KfW-Krediten oder Kurzarbeitergeld bereits in Anspruch genommen hat. Denn eines ist sicher: Zu einem späteren Zeitpunkt wird es eine Prüfung der Anspruchsberechtigung geben. Die Vergabe bestimmter Schnellkredite ist bspw. daran geknüpft, dass Unternehmen zum Jahresende 2019 nicht zahlungsunfähig waren. Diese Sachverhalte finden verstärkt Einzug in die vom Verkäufer zu garantierenden Tatbestände. Ein Zugriff auf wichtige, digitale Dokumente (E-Mails etc.) muss sichergestellt werden – nicht zuletzt um die Möglichkeit einer späteren Haftungsinanspruchnahme der Organe zu gewährleisten. Somit könnten auch Fragen der Organhaftung im Nachhinein verstärkt im Raum stehen.

Unsicherheit nach Abschluss der Kaufverträge

Befindet sich die Transaktion in der Phase zwischen Signing und Closing, ist für diesen Interimszeitraum, der manchmal Monate andauert, entscheidend, wie auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagiert werden kann und wer das Risiko eines materiellen Geschäftseinbruchs trägt.

Das Unternehmen muss auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie reagieren. Gegebenenfalls sind der Austausch von Lieferanten, die Einführung von Kurzarbeit oder gar Entlassungen notwendig. Es stellt sich die Frage, ob der Verkäufer in der Zeit zwischen Signing und Closing für diese Maßnahmen den Käufer fragen muss. Die in den Verträgen formulierte Standardklausel, dass der Verkäufer bei Geschäften, die über den üblichen und gewöhnlichen Geschäftsgang hinausgehen, die Zustimmung des Käufers einholen muss, erhalten damit eine neue Bedeutung und bedürfen einer detaillierten Prüfung. Kurzarbeit, KfW-Kredite und der kurzfristige Wechsel eines Lieferanten aufgrund von Corona-Engpässen gehören wohl regelmäßig nicht zu den üblichen Geschäften. Wenn der Kaufvertrag hier keine klare Vorgabe gibt, kann die Entscheidung der Frage jedoch im Einzelfall schwierig und streitanfällig sein. Um dem Käufer keinen Anlass für die Lösung vom Vertrag zu geben, ist jedenfalls anzuraten, die Zustimmung des Käufers für die geplanten und notwendigen Maßnahmen einzuholen.

Für den Erwerber stellt sich im Fall eines materiellen Geschäftseinbruchs die Frage nach der Möglichkeit, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu reduzieren. Um dieses Risiko nicht allein dem Käufer aufzubürden, enthalten Unternehmenskaufverträge sog. Material Adverse Change-Klauseln („MAC-Klausel“). Sinn und Zweck der MAC-Klausel ist es, dem Käufer die Option zum Ausstieg aus dem Geschäft oder zu Neuverhandlungen über seine Konditionen bei einer unerwarteten Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des verkauften Unternehmens zu sichern.

Ob Auswirkungen des Coronavirus von den MAC-Klauseln abgedeckt werden, hängt vom genauen Wortlaut der Klausel ab. Insbesondere davon, welche Ereignisse als „wesentlich” im Sinne der Klausel zu verstehen sind. Üblicherweise sind in den MAC-Klauseln Auswirkungen von höherer Gewalt auf das Unternehmen wie Krieg, Naturkatastrophen oder sonstige Ereignisse, die das Unternehmen schwerwiegend beeinträchtigen, als „wesentliche Umstände“ aufgezählt. Streitanfällig dürfte bereits sein, ob das Coronavirus als Naturkatastrophe gewertet werden kann. Aber selbst, wenn die Klausel „massenhafter Ausweitung eines Krankheitserregers“ und/oder „starkem Auftragsrückgang“ den Ausbruch des Coronavirus und seine Auswirkungen vom Wortlaut umfasst, kann – wenn es nicht geregelt ist – unklar sein, welcher Schwellenwert der zu erwartenden Umsatzeinbußen die Ereignisse als „wesentlich“ erscheinen lassen.

Einerseits vergrößert eine umfassende Aufzählung von MAC-Ereignissen die Rechtssicherheit und die Anzahl der Anwendungsfälle für den Käufer, andererseits wird eine weitgefasste MAC-Klausel auch vielfach als nicht sachgerecht empfunden, weshalb Ereignisse, die auf externen, vom Verkäufer nicht beeinflussbaren Umständen beruhen, häufig aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden (sog. Carve Out-Klausel).

Ob Lieferunterbrechungen und Produktionseinbußen aufgrund des Coronavirus zum Rücktritt vom Kaufvertrag oder zur Kaufpreisanpassung berechtigen, hängt im Einzelfall entscheidend von der konkreten Formulierung der Klauseln ab.

Fazit

Die Corona-Pandemie stellt die Beteiligten an Unternehmenstransaktionen vor besondere Herausforderungen. Die genauen Formulierungen sowohl für die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise als auch die der MAC-Klauseln im Unternehmenskaufvertrag sind in den Fokus zu nehmen. In der Praxis ist nicht damit zu rechnen, dass es in nächster Zeit zu einer Welle von „Broken Deals“ wegen des Coronavirus kommt. Gerade in der Zeit zwischen Signing und Closing ist jedoch eine enge Abstimmung zwischen Verkäufer und Käufer zu empfehlen. Das Thema wird virulenter, je länger uns die Krise weltweit begleiten wird.

Autor: Dr. Olaf Lüke ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der dhpg. Er berät mittelständische Unternehmen und ihre Gesellschafter sowie Vereine und Stiftungen in gesellschafts- und steuerrechtlichen Fragen. Er gilt als ausgewiesener Experte im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht. Regelmäßig begleitet er mit seinem Team Unternehmen bei Umstrukturierungen sowie in nationalen und internationalen M&A-Transaktionen.


Redaktion

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