14.07.2020

Weniger Geld für deutsche Start-ups

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Trotz der Corona-Krise erhielten im ersten Halbjahr dieses Jahres mehr deutsche Start-ups frisches Kapital als im Vorjahreszeitraum: Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg um 8% auf 360. Größere Transaktionen, die 2019 noch für Finanzierungsrekorde gesorgt hatten, gab es allerdings kaum noch – entsprechend sank das Investitionsvolumen: um 22% auf 2,2 Mrd. €. Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Berücksichtigt wurden Unternehmen, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

Erneut gab es in Berlin besonders rege Aktivitäten: Die Zahl der Finanzierungsrunden kletterte um 14% auf 149. In der Bundeshauptstadt machte sich allerdings der Mangel an ganz großen Transaktionen besonders bemerkbar: Das Investitionsvolumen verringerte sich um 47% auf 1,1 Mrd. €. Umgekehrt war die Entwicklung in Bayern, wo die Zahl der Deals um 60% auf 83 stieg und sich das Investitionsvolumen fast vervierfachte: von 204 auf 773 Mio. €.

Während in Berlin und Bayern mehr Finanzierungen als im Vorjahreszeitraum registriert wurden, war die Entwicklung an den übrigen größeren Start-up-Standorten rückläufig: In Nordrhein-Westfalen sank die Zahl der Transaktionen um 24% auf 32, in Baden-Württemberg und Hamburg jeweils um 32% auf 17. Auch beim Investitionsvolumen konnten diese drei Bundesländer nicht an das Vorjahr anknüpfen: In Baden-Württemberg schrumpfte die insgesamt investierte Summe um 30% auf 105 Mio. €, in NRW um 55% auf 60 Mio. € und in Hamburg sogar um 68% auf 26 Mio. €.

Gesamtwert der Investitionen in Start-ups schrumpft im ersten Halbjahr um 22% auf 2,2 Mrd. €

Laut der Studienautoren gibt es eindeutig einen Corona-Effekt bei den Risikokapitalinvestitionen. Die offensichtlichste Entwicklung ist der starke Rückgang bei sehr großen Deals: Die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Mio. € sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von sieben auf zwei. Gleichzeitig gab es allerdings mehr kleine Transaktionen. Damit fällt der Corona-Effekt laut der Analyse weniger massiv aus als zunächst befürchtet.

Die größte Transaktion in Deutschland war eine Finanzspritze von 218 Mio. € für den Münchner Flugtaxi-Entwickler Lilium im März, die im Juni auf fast 250 Mio. € erweitert wurde. An zweiter Stelle steht eine 195-Mio.-€.-Finanzierung für den Berliner Verleiher von Technik-Geräten Grover, die schon im Januar über die Bühne ging. Die drittgrößte Transaktion konnte die Smartphone-Bank N26 vermelden, die im Mai 91 Mio. € erhielt.

Sinkende Transaktionszahlen im Verlauf des ersten Halbjahrs

Nach einem sehr starken Jahresauftakt ist die Zahl der Finanzierungen im Verlauf des ersten Halbjahres spürbar gesunken: Von 90 im Januar über 49 im März auf 34 im Juni. Deals werden nicht von heute auf morgen umgesetzt, sondern erfordern eine ausführliche Vorbereitung und daher einen gewissen zeitlichen Vorlauf, stellen die Studienautoren fest. Transaktionen, die in der Vor-Corona-Zeit in Angriff genommen worden waren, wurden laut der Studie zum großen Teil auch abgeschlossen; nur relativ wenige Deals wurden abgesagt. Die mittelfristigen Folgen der Krise werden nach Aussage der Experten aber erst in den kommenden Monaten zu sehen sein. Dann zeige sich, in welchem Umfang noch neue Transaktionen gestartet und zum Abschluss gebracht werden. Fest stehe aber schon jetzt: Die Investoren sind eindeutig vorsichtiger geworden.

Markt im Umbruch – aber nicht in Schockstarre

Die Analyse zeigt aber auch, dass große Transaktionen nach wie vor möglich sind: Im Juni wurden zwar nur 34 Transaktionen angekündigt, deren Gesamtvolumen lag aber immerhin bei 373 Mio. €. Der Markt befindet sich im Umbruch – aber nicht in Schockstarre, erklären die Studienautoren. Herausragende Geschäftsideen würden bei den Investoren nach wie vor auf großes Interesse stoßen. Zwar dürften Corporates angesichts der Wirtschaftslage vorübergehend weniger Geld in Jungunternehmen stecken. Aber die Risikokapitalgeber verfügen nach wie vor über erhebliche liquide Mittel, die angelegt werden wollen, stellt die Analyse fest.

Die Studienautoren sehen in der aktuellen Situation auch eine Normalisierung nach der Überhitzung der Vorjahre. Die Investoren würden jetzt mehr auf Qualität achten, die Bewertungen würden zurechtgerückt, einige Hype-Themen seien wieder in der Realität angekommen. Das muss keine schlechte Entwicklung sein, so die Einschätzung der Experten.

FinTech und Mobility verlieren stark – Technologie-Start-ups legen zu

Im ersten Halbjahr dieses Jahres verschoben sich die Schwerpunkte der Investitionstätigkeit in Deutschland deutlich: Auf der einen Seite konnte der Bereich Software & Analytics kräftig zulegen – um 12% auf 112 Transaktionen und um 30% auf 501 Mio. €. Andererseits floss deutlich weniger Geld vor allem an Mobilitäts-Start-ups und FinTechs: Im Mobilitäts-Segment ging das Finanzierungsvolumen um 34% auf 434 Mio. € zurück, bei jungen Finanzunternehmen gab es sogar einen Rückgang um 55% auf 313 Mio. €.

Das Interesse an hochinnovativen Technologie-Geschäftsmodellen war laut des EY Start-up-Barometers schon vor der Corona-Krise gestiegen, dieses Segment habe aber nun einen zusätzlichen Schub bekommen. Software as a Service, Analytics und KI würden auch und gerade in Pandemie-Zeiten vielversprechende Geschäftsideen bieten. Diese Themen profitieren laut der Studienautoren daher weiterhin von hohen Bewertungen. Auch Gesundheits-Start-ups seien in den vergangenen Monaten stärker in den Fokus von Investoren geraten. Die Zahl der Deals in diesem Segment stieg um 30% auf 61. Digital Health werde weiter boomen. Und auch BioTech und MedTech haben nach Einschätzung der Experten in den vergangenen Monaten enorm an Bedeutung gewonnen.

Starke Entwicklung in Bayern

Berlin konnte im ersten Halbjahr zwar seine Position als Deutschlands führender Start-up-Standort behaupten, Bayern konnte aber kräftig zulegen und den Abstand zur Bundeshauptstadt deutlich verringern. München bildet sich als zweiter großer Start-up-Standort heraus, stellen die Studienautoren fest. Von den Top-5-Deals in Deutschland entfielen im ersten Halbjahr drei auf Berlin und immerhin zwei auf München. Das Profil des Münchner Start-up-Ökosystem unterscheide sich von dem der Bundeshauptstadt: Bayern sei vor allem im Technologie-Bereich stark. Damit würden sich die beiden deutschen Top-Standorte hervorragend ergänzen, so die Analyse.

Nachdem im Vorjahreszeitraum noch 76% des insgesamt in Deutschland investierten Kapitals nach Berlin flossen und auf München nur ein Anteil von 7% entfiel, lagen die beiden Regionen im ersten Halbjahr 2020 deutlich näher beieinander: 52% der Finanzierungssumme flossen nach Berlin, immerhin 35% nach Bayern.

Das EY Start-up Barometer Juli 2020 steht hier zum Download.

(Pressemitteilung EY vom 13.07.2020)


Redaktion

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