Die ESG-Berichterstattung der Unternehmen aus DAX und MDAX zeigt markante Schwächen. So ein Ergebnis des ,ESG-Monitors 2020′ von cometis und KOHORTEN, in dessen Zentrum Qualitätsfragen der ESG-Berichterstattung standen. Die finanzmarkterfahrenen Analysten untersuchten die Nachhaltigkeitsberichterstattung von 87 berichtspflichtigen DAX- und MDAX-Unternehmen zum Geschäftsjahr 2018.
„Es ist nicht leicht, ein gutes ESG-Reporting aufzubauen. Die Qualität der offengelegten Informationen ist immer noch häufig mangelhaft. Die Berichte sind kaum vergleichbar. Dadurch entsteht Raum für Verschleierungen und Schönfärbereien“, so Michael Diegelmann, Vorstand von cometis.
ESG-Fortschritte bleiben oberflächlich
Die Untersuchung ergab, dass ESG vor allem als Möglichkeit gesehen wird, ein gutes Image aufzubauen. Der Bezug zur Geschäftstätigkeit ist oft noch sehr gering. Für Investoren bedeutet das folglich, dass sie nichtfinanzielle Risiken von Unternehmen nur schwer identifizieren können. Fortschritte zeigen sich dagegen bei den ESG-Strukturen innerhalb der Unternehmen. Viele Unternehmen haben spezielle ESG-Gremien geschaffen und neue Berichtslinien definiert. Dies haben die Marktforscher*innen von KOHORTEN in ausführlichen, qualitativen Interviews mit ESG-Verantwortlichen ermittelt. Und die Berichtsanalyse bestätigte, dass Berichtsstandards mittlerweile zumeist etabliert sind und externe Prüfer eingebunden werden.
Jedoch wird kaum kommuniziert, inwieweit frühere ESG-Ziele erreicht wurden. Mögliche Kontroversen oder Dilemmata, wie zum Beispiel Probleme mit der Kontrolle von Lieferketten, bleiben in den Berichten oft unerwähnt. Und auch die Governance-Strukturen stellen die Berichte häufig nur unzureichend dar. Wie wichtig eine gute Governance ist, zeigt aktuell der Fall Wirecard. Der Bericht dieses Unternehmens belegt in der Studie den drittletzten Rang.
Berichte oftmals wenig konkret
Bei der Angabe quantifizierbarer Daten bestehen oftmals noch sehr große Defizite. So liefern nur zwei Drittel (67%) der Berichte absolute Zahlen zum CO2-Ausstoß und nur rund ein Fünftel zur Inklusion (22%) sowie zur Angemessenheit von Löhnen und Gehältern (17%). Unvorteilhafte Daten verschweigen die Unternehmen, statt Probleme und mögliche Lösungen transparent zu machen.
Ariane Hofstetter, Geschäftsführerin von KOHORTEN, zu den Ergebnissen: „Es hat sich deutlich gezeigt, dass alle Akteure ihre grundsätzlichen Probleme noch nicht lösen konnten. Eine branchenspezifische Nachhaltigkeitsdefinition fehlt noch. Ratingagenturen setzen unterschiedliche Schwerpunkte oder verwenden gleichmacherische Standards. Und die Emittenten neigen dazu, sich unterschiedlicher, für sie vorteilhafter Interpretationen zu bedienen.“
Eigenständige Nachhaltigkeitsberichte schneiden besser ab
Von den 87 Unternehmen veröffentlichten 33 einen separaten nichtfinanziellen Bericht, 28 eine nichtfinanzielle Erklärung im Geschäftsbericht und 26 beide Varianten.
Die Integration von ESG-Informationen in den Geschäftsbericht ist oftmals noch unzureichend. Hier werden wenige ESG-Themen angesprochen oder nur diffus beleuchtet. Die separat veröffentlichten nichtfinanziellen Berichte (durchschnittlich 51 von 91 möglichen Punkten) überzeugten folglich mehr als die nichtfinanziellen Erklärungen mit durchschnittlich 33 von 91 möglichen Punkten.
Ranking: Diese Unternehmen konnten überzeugen
Bei den separaten Nachhaltigkeitsberichten aus DAX und MDAX glänzt die Deutsche Wohnen mit den besten Inhalten, knapp vor Gesamtsieger Merck. Dagegen konnten Münchener Rück und Telefónica Deutschland mit der Gestaltung ihrer Berichte überzeugen.
Bei den integrierten Nachhaltigkeitserklärungen aus DAX und MDAX hieß der Inhalts-Sieger BASF. Gesamtsieger Siltronic erzielte die höchste Punktzahl bei der grafischen Aufbereitung.
Gesamtsieger: Beste (separate) Nachhaltigkeitsberichte (DAX und MDAX) | |
Unternehmen | Punktzahl |
Merck | 77/91 |
Münchener Rück | 76/91 |
Deutsche Post | 74/91 |
Deutsche Wohnen | 72/91 |
Evonik | 71/91 |
Gesamtsieger: Beste (integrierte) Nachhaltigkeitserklärungen (DAX und MDAX) | |
Unternehmen | Punktzahl |
Siltronic | 64/91 |
K+S | 58/91 |
Airbus | 58/91 |
Puma | 56/91 |
BASF | 55/91 |
Michael Diegelmann, Vorstand der cometis AG, kommentiert: „Einige Unternehmen nehmen ESG bereits sehr ernst und haben ein starkes Reporting aufgebaut. Allerdings bleiben die meisten Unternehmen hinter den Anforderungen zurück. Dort besteht die Gefahr, dass Investoren, Kunden oder Geschäftspartner sich mittel- bis langfristig von diesen Unternehmen abwenden.“
(Pressemitteilung Cometis vom 07.07.2020)