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23.10.2020

Interview: „Die Transformation ist ein Work in Progress“

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Peter Tasev

In diesem Interview schildert Peter Tasev am Beispiel des Procure-to-Pay-Prozesses, wie Digitalisierung bei der Telekom Deutschland GmbH, einem Tochterunternehmen der Deutsche Telekom AG, auch mithilfe einer eigens gegründeten und auf Innovationen fokussierten Gesellschaft, der DTSE, vorangetrieben wird.

PT: Peter Tasev, Senior Vice President P2P der Deutsche Telekom Service Europe
SK: Stefan Kemetter, Verantwortlicher Redakteur REthinking: Finance

SK: Herr Tasev, seit der Gründung des Deutsche Telekom Services Europe (DTSE) im Jahr 2016 verfolgt die Deutsche Telekom AG konsequent die Digitalisierung des Procure-to-Pay (P2P) Prozesses. Können Sie die Zielsetzungen im Einzelnen umreißen?

PT: Es geht dabei um die Bündelung von vier Bereichen: Einkauf, Finanzen, HR und Reporting. Unter Reporting verstehen wir die Konsolidierung und das Management Reporting der Deutschen Telekom AG. Nach der Gründung unseres Shared Service Centers (SCC) haben wir die Bereiche Accounting und Procurement sowie zusätzlich den Bank- und Zahlungsverkehr in einem großen Bereich Procure-to-Pay (P2P) gebündelt, den ich leite. Die Aufgabe des SCC war und ist es, diese funktionalen Bereiche ganzheitlich End-to-End zu prozessieren. Die Zielsetzung: Sowohl erhebliche Kostensenkungen zu realisieren als auch eine Optimierung der wesentlichen KPIs Produktivität, Effizienz und Qualität.

SK: Warum wurde die Deutsche Telekom Service Europe als eigenständige Gesellschaft gegründet?

PT: Dadurch wurden alle Organisationseinheiten mit ähnlichen Aufgaben zusammengeführt und erhebliche Synergieeffekte erschlossen. Wir haben auch die verschiedenen Tätigkeiten in einem neuen Standortkonzept gebündelt: Die Service Line P2P befindet sich in Deutschland in Köln, Darmstadt und Leipzig. Daneben haben wir Auslandsstandorte in Bratislava, Brünn und Bukarest, über die wir unsere Aufgaben übergreifend auf die Teams verteilen. Dadurch konnten Overheadstrukturen und Reibungsverluste minimiert werden.

SK: Zwischenfrage: Wie hoch ist das internationale Einkaufsvolumen der Deutsche Telekom AG pro Jahr?

PT: Das Einkaufsvolumen der Deutsche Telekom AG liegt jährlich weltweit bei einem zweistelligen Milliardenbetrag. Knapp 50 Prozent davon werden über das SSC prozessiert. Die DTSE prozessiert über 90 Prozent der gesamten Bestellungen für Deutschland und Europa.

SK: Zurück zum P2P: Wann soll der Transformationsprozess weitgehend abgeschlossen sein?

PT: Zu einer erfolgreichen Organisation gehört, dass eine kontinuierliche Verbesserung aller Funktionen und Prozesse wesentlicher Teil der Organisationskultur ist. Im Klartext: Ein solcher Prozess wird nie ganz abgeschlossen sein  ̶̶  die Qualitätsoptimierung wird immer unser Ziel bleiben. Dazu gehören die kontinuierliche Automatisierung, die kontinuierliche Kostensenkung, die Förderung und Ausbildung der Mitarbeiter und der Einsatz von State-of-the-Art-IT.  Die Transformation ist ein Work in Progress.

Natürlich gibt es da verschiedene Stufen und Themen, die entlang einer Zeitleiste bearbeitet und realisiert werden. Das betrifft die einzelnen Funktionen, die DTSE für die Telekom prozessiert: Die Personalentwicklung oder die IT-Tools, die wir verwenden. Nur Kostensenkungen zu verfolgen, ist nicht zielführend. Was eventuell eingespart wird, muss wieder investiert werden, um noch besser zu werden.

SK: Was heißt das im Einzelnen?

PT: Einige Beispiele: Wir haben Techniken wie robotergestützte Prozessautomatisierung durch BOTs forciert, wir sind einer der Pioniere beim Einsatz von Process Mining und wir nutzen sehr anspruchsvolle Methoden der Datenanalyse. Wir waren mit Sicherheit einer der ersten Nutzer der Process Mining-Software von Celonis, die wir bereits seit vier Jahren einsetzen.

SK: Stichwort BOT: Der BOT Nelson ist ja wesentlicher Teil der P2P-Lösung. Was genau macht er?

PT: In der Regel sind BOTs – der Begriff kommt ja von Roboter  ̶̶  Computerprogramme, die iterative bislang manuell durchgeführte Schritte automatisiert ohne menschlichen Zugriff durchführen. Nelson aber kann weit mehr: Er ist ein Chatbot, mit dem wir Verhandlungen mit unseren externen Lieferanten automatisieren. Das ist aus einer Kooperation mit Bosch entstanden unter starker Beteiligung von Mitarbeitern der Deutschen Telekom und der DTSE. Nelson ist ein wesentlicher Teil unserer Vision, den Einkauf so weit wie möglich zu automatisieren: Der BOT verhandelt für uns in bestimmten Serviceparametern die Bedingungen mit und zu unseren Lieferanten.

Im Moment befinden wir uns im Modus der Eskalierung von Nelson, der seit etwa einem Jahr produktiv arbeitet  ̶̶  es werden kontinuierlich mehr und mehr Vorgänge über ihn abgewickelt.

SK: Wieweit ist die DTSE an der gesamten Digitalisierung von Finance der Deutschen Telekom beteiligt, die seit Frühjahr 2019 intensiv realisiert wird?

PT: Das Digitalisierungsprogramm unter dem Akronym DNA (Digital and Agile Transformation) läuft bei der Telekom Deutschland, einer unserer größten Landesgesellschaften, unter Federführung des CFO Klaus Werner. Er hat mit DNA den Fokus auf das Kerngeschäft mit Geschäftskunden gelegt, die DTSE konzentriert sich auf den Back Office-Bereich, also auf die Rechnungserstellung, die Abschlüsse und die Beschaffung.

Eines der vom CFO vorgegebenen Ziele der SSC-Gründung im Rahmen der DTSE war es, dass beim Einkauf dreistellige Millionenbeträge eingespart werden sollten  ̶̶  dieses Ziel haben wir erreicht. Das war nur möglich dadurch, dass wir die Effektivität und Effizienz der Organisation gesteigert haben  ̶̶̶  durch Digitalisierung und Automatisierung.

SK: Kann man die P2P-Lösung als Avantgardeprojekt im Rahmen der gesamten Digitalisierung von Finance der Telekom Deutschland einschätzen?

PT: Definitiv ja. Die End-to-End-Verantwortung einer so komplexen Wertschöpfungskette einzuführen, haben bislang nur wenige Unternehmen geschafft. Durch eine Standardisierung der Daten und Prozessmodelle haben wir einheitliche Wege für den Einkauf, die Buchhaltung und den gesamten Zahlungsverkehr innerhalb der Deutschen Telekom eingeführt. Das hat auch dazu geführt, dass wir Entscheidungen entlang dieser Prozesskette sehr schnell und transparent fällen können.

Viele der Technologien, die heute erfolgreich genutzt werden, haben wir schon in sehr frühen Phasen eingesetzt im SSC, haben sie zur Reife gebracht und haben zudem Center of Excellence (CoE) für die verschiedenen Technologien gegründet. Diesen Service der CoE bieten wir konzernweit an, Beispiele sind BOTs oder Process Mining, beide Technologien werden konzernweit zur Steuerung der operativen Prozesse genutzt.

SK: Welchen Stellenwert haben Kooperationen mit externen Unternehmen?

PT: Einen sehr hohen. Die Kooperation mit Bosch bei der Entwicklung von Nelson habe ich bereits erwähnt. Solche Entwicklungspartnerschaften helfen uns, Entwicklungskosten zu teilen und gemeinsam neue Wege zu gehen.

Auch das Benchmarking im Rahmen eines Advisory Programs durch die Hackett Group ist für uns von großer Bedeutung: Dadurch erhalten wir eine externe Sicht und Bewertung unserer Entwicklungs- und Realisierungsschritte und erfahren von unabhängiger Seite, wo wir gut und erfolgreich sind und wo ein Bedarf an Nachjustierung besteht. Wir benutzen die Hackett Group nach wie vor als Berater bei wichtigen Entscheidungen und als Input für neue Ideen.

SK: Gab es bei der Realisierung des P2P-Konzepts Reibungen oder Friktionen?

PT: Die größte Herausforderung komplexer Transformationsprozesse und der Einführung solch neuer, komplexer Lösungen ist es, alle Mitarbeiter mitzunehmen und zu motivieren. Natürlich auch, die für die Digitalisierung nötige Kompetenz und Expertise aufzubauen.

SK: Damit war es sicher nicht getan  ̶̶  es gab sicher auch Härten …

PT: … das stimmt natürlich  ̶̶  es gab Veränderungen auf allen Ebenen. Es gab Ortswechsel für die Mitarbeiter, viele manuelle Tätigkeiten entfielen, man musste plötzlich mit Robotern arbeiten und last but not least hat sich die Unternehmenskultur an sich verändert. Unser Anspruch ist nach wie vor die kontinuierliche Verbesserung der Qualität und Leistung, die Technologiezyklen werden kürzer und wechseln schneller, das betrifft jeden Mitarbeiter und jeden Arbeitsplatz. Derzeit sind wir dabei, künstliche Intelligenz entlang unserer Prozesse zu implementieren. Das ist der nächste große Schritt.

SK: Wieweit wurde und wird da der Betriebsrat mit eingebunden?

PT: Wir arbeiten mit dem Betriebsrat schon seit der Planung der Transformation durch Digitalisierung sehr eng zusammen und haben eine intensive Kommunikation zu der Arbeitnehmervertretung aufgebaut. So können wir unsere geplanten Schritte vorstellen, die Technologien präsentieren und gemeinsam ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Mitarbeiter nicht nur diskutieren, sondern auch Lösungen entwickeln, mit denen Härten vermieden werden. Solche komplexen Transformationen können nur in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat durchgeführt werden.

SK: Welche Aufgaben stehen für den Transformationsprozess im P2P-Bereich in den nächsten 12 Monaten an und was davon wird Eingang in Telekom Finance finden?

PT: Derzeit bereiten wir uns auf die SAP Hana/4-Migration vor. Daneben wollen wir den Chat BOT Nelson für die meisten Warengruppen zum vollen Rollout bringen. Wir führen auch andere SAP-Plattformen ein, etwa die schon in Deutschland genutzte SAP Cloud Ariba, die wir auf Europa ausdehnen werden und wir pilotieren derzeit Machine Learning für buchhalterische Prozesse und das Beschaffungsumfeld.

Im Gegensatz zu anderen Unternehmen haben wir bereits Machine Learning in verschiedenen Bereichen produktiv geschaltet.

SK: Wie messen und evaluieren Sie den Erfolg Ihrer Maßnahmen und Veränderungen sowohl auf Seiten der DTSE als auch auf Seiten von Finance der Telekom Deutschland?

PT: Als ich 2019 den Bereich übernommen habe, gab es schon die Vision einer „Data Driven Company“. Dementsprechend messen wir intern die Erfolge in allen Bereichen mit einer Reihe von KPIs. Dafür haben wir rund 60 solcher Leistungskennzahlen entwickelt für den Stand der Automatisierung, die Effizienz, die Qualität. Dazu kommen noch Untersuchungen und regelmäßige Umfragen zur Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Und natürlich spielen Kundengespräche und -Meetings eine wichtige Rolle als Indikatoren bei der Evaluierung der Veränderungen.

Durch diese Maßnahmen wurde die Leistung der Organisation optimiert und die Kreativität unserer Mitarbeiter gefördert. Die Bündelung relevanter Budgets hat auch dazu geführt, dass wir in neue Zukunftstechnologien investieren konnten.

SK: Vielen Dank für das Interview!

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