Mehrheit der Venture-Capital-Deals in Deutschland auf rein männlich besetzte Gründungsteams
Mit 83% entfällt die überwiegende Mehrheit der Venture-Capital-Deals in Deutschland auf rein männlich besetzte Gründungsteams, 11% auf gemischte Teams und nur 5% auf rein weibliche Gründerinnenteams. An dieser Verteilung hat sich in den letzten 5 Jahren nahezu nichts verändert. Dagegen hat sich der Geschlechterunterschied beim Dealvolumen sogar erhöht. Von jedem Euro Venture Capital-Investitionen in Deutschland im Jahr 2021 entfielen 91 Cent auf rein männliche Gründerteams, 7 Cent auf gemischte Teams und lediglich 2 Cent auf rein frauengeführte Start-ups.
Mobilisierung von Gründerinnen ist gesellschaftliche Aufgabe und wirtschaftliche Chance
Laut der Studienautoren besteht im deutschen Venture-Capital-Markt ein ausgeprägtes Gender Funding Gap. Im nach wie vor männlich dominierten Venture-Capital-Ökosystem erschweren unbewusste Vorurteile und gewachsene Netzwerke Venture-Capital-Finanzierungen für Gründerinnen deutlich. Dadurch sind die Anreize, überhaupt ein Start-up zu gründen, für Frauen geringer, fassen die KfW-Volkswirte die Situation zusammen. Um die Geschlechtervielfalt in der Venture-Capital-Branche zu erhöhen, komme Investmentfonds eine entscheidende Rolle zu, hier brauche es mehr Geschlechtervielfalt in den Investment-Teams, so dass dies dann auch in den Portfolien folgt. Fonds könnten durch die Ausgestaltung des Investitionsprozesses Verzerrungen durch unbewusste Vorurteile bei Finanzierungsentscheidungen aktiv entgegenwirken. Außerdem böten Unterstützungs- und Vernetzungsprogramme wichtige Ansatzpunkte.
Der Lichtblick für Start-up-Gründerinnen ist jedoch, dass man bei der Lösung des Problems einen Schritt weiter ist, stellen die Studienautoren fest. Mit der im Juli 2022 veröffentlichten Start-up-Strategie der Bundesregierung wurden jüngst Maßnahmen angestoßen, um ihre Situation zu verbessern. Dazu zählt z.B. ein neues Instrument des Zukunftsfonds, das neu am Markt aktive Managementteams von Venture Capital-Fonds unterstützt und so Investorinnen den Marktzugang erleichtern soll.
Nachhaltiges Gender Funding Gap im Wagniskapitalmarkt
Weitet man den Blick und betrachtet alle Existenzgründungen in Deutschland in den letzten 10 Jahren, so zeigt sich, dass Gründerinnen seltener Finanzmittel einsetzen als Gründer (61% vs. 68%). Wurde Kapital eingesetzt, dann von Gründerinnen im Schnitt mit gut 13.000 € nur halb so viel als von Gründern mit gut 26.000 €. Das hat strukturelle Gründe. Frauen gründen häufiger im Nebenerwerb, seltener im Gründungsteam oder mit Mitarbeitern, häufiger im Dienstleistungsbereich und seltener mit Wachstumswunsch. Diese Merkmale sind alle mit weniger Finanzmitteleinsatz verbunden. Sprich: Nicht das Geschlecht ist der bestimmende Faktor, sondern die gewählte Art der Gründung. Gleiches gilt auch für den Zugang zu Fremdkapital: Bereinigt man die Daten um die verzerrenden Merkmale, so zeigt sich kein Unterschied beim Kreditzugang von Gründerinnen und Gründern. Werden abgebrochene Gründungsplanungen mit betrachtet zeigt sich allerdings, dass das Thema Finanzierung für Frauen im Gründungsprozess durchaus eine höhere Hürde darstellt als für Männer. Zum Tragen kommen dabei vor allem fehlende Eigenmittel und eine geringere Neigung unter Gründerinnen, Kredite zu beantragen.
Viele Hürden für die Gründungstätigkeit von Frauen sind kulturell und gesellschaftlich bedingt
Vor allem weiche Faktoren wie die kulturellen Rahmenbedingungen beeinflussen laut der KfW-Studie die Gründungstätigkeit von Männern und Frauen unterschiedlich. Die höheren Hürden für Frauen können demnach nur in einem gesellschaftlichen Veränderungsprozess abgebaut werden, der sich in viele Bereichen wie z.B. Erziehung, Bildung und häusliche Arbeitsteilung abspielen muss und daher einen langen Atem braucht. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoll, breiter anzusetzen als nur die Gründungstätigkeit von Frauen zu fördern, erklären die Studienautoren. Da Frauen häufiger im Nebenerwerb, als Soloselbständige und seltener technologie- und wachstumsorientiert gründen, sei auch die wirtschaftliche Bedeutung frauengeführter Unternehmen in der Gesamtwirtschaft geringer. Auch was die Art der Gründungen betrifft müsste also für mehr Vielfalt gesorgt werden. Vier Aktionsbereiche erscheinen dabei vorrangig: Erstens, den Gründungswunsch von Frauen zu erhöhen. Hier muss bereits in der Erziehung und Bildung ein Kulturwandel stattfinden. Zweitens, Gründerinnen ermutigen häufiger mit Wachstumsambitionen zu gründen. Drittens, die Technologie- und Innovationsorientierung von Gründerinnen zu erhöhen. Auch hier müsste man bereits bei den Bildungsverläufen ansetzen und junge Frauen stärker für MINT-Fächer begeistern. Aber auch erfolgreiche Unternehmerinnen als Vorbilder müssten noch stärker sichtbar gemacht werden. Und schließlich muss viertens der Venture-Capital-Zugang von Gründerinnen verbessert werden, so das Fazit der Studienautoren.
Die Studie liefert neue Erkenntnisse zur Gründungstätigkeit von Frauen in Deutschland auf Basis des KfW-Gründungsmonitors. Der KfW-Gründungsmonitor ist eine repräsentative, telefonische Bevölkerungsbefragung. Mit jährlich rund 50.000 befragten Personen ist der KfW-Gründungsmonitor die größte Bevölkerungsbefragung zum Gründungsgeschehen in Deutschland. Neue Analysen zur Finanzierung von Gründungsteams mit Venture Capital wurden für die Studie auf Basis von Transaktionsdaten des Anbieters Dealroom.co durchgeführt. Hierbei konnten die Rolle von Frauen im gesamten Venture Capital-Ökosystem in Deutschland, sowohl auf Start-up Seite als auch auf Investorenseite, untersucht werden. Dealroom.co ist einer der führenden Anbieter von Transaktionsdaten im privaten Beteiligungsmarkt.
Die Studie von KfW Research ist hier abrufbar.
(Pressemitteilung KfW vom 14.11.2022)