22.03.2016

Vollbremsung auf dem weltweiten IPO-Markt

Autokonzerne auf der Überholspur

Corporate Finance

Die hohe Volatilität an den weltweiten Aktienmärkten hat im traditionell schwachen ersten Quartal zu einem deutlichen Einbruch auf dem IPO-Markt geführt: Die Zahl der Börsengänge sank gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 39% von 274 auf 167 Transaktionen, das Emissionsvolumen ging noch deutlich stärker – um 70% – von 39,9 auf 12,1 Mrd. USD zurück. Damit sank das weltweite Emissionsvolumen auf den niedrigsten Stand seit dem zweiten Quartal 2009.

Am stärksten betroffen war der US-amerikanische Markt, wo nur noch zehn Börsengänge gezählt wurden – nach 35 im Vorjahreszeitraum und 71 im ersten Quartal 2014. Dabei erlösten die Neulinge an den US-Börsen gerade einmal 750 Mio. USD (Q1 2015: 6,15 Mrd. USD). Aber auch in den beiden anderen wichtigen Märkten Europa und China waren die IPO-Aktivitäten stark rückläufig: In Europa hat sich die Zahl der Börsengänge von 67 auf 35 etwa halbiert, in China (einschließlich Hongkong) ging sie sogar um 61% zurück: von 97 auf 38.

Innerhalb Europas erwies sich vor allem der IPO-Standort Großbritannien als eini-germaßen stabil: Nach 20 IPOs im Vorjahreszeitraum gingen in den ersten drei Monaten dieses Jahres immerhin 16 Unternehmen in Großbritannien an die Börse. In Deutschland schafften im ersten Quartal zwei Unternehmen den Sprung aufs Parkett: das Biotechnologie-Unternehmen BRAIN, das mit seinem IPO 32,5 Mio. € erlöste, und der Windkraftanlagenhersteller Senvion, dessen Aktien ab dem 23.03. an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden sollen.

Das sind Ergebnisse des aktuellen weltweiten IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young).

Positive Trendwende möglich

„Der Kursrutsch an den Börsen im Januar und Februar, der Absturz des Ölpreises, anhaltende geopolitische Unsicherheiten und aufkommende Konjunktursorgen haben den Markt für Börsengänge nach einem starken Abschlussquartal in 2015 im ersten Quartal deutlich gebremst“, kommentiert Dr. Martin Steinbach, Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. „Es gab zahlreiche Absagen und Verschiebungen – die Pipeline ist aber dennoch gut gefüllt, und viele Börsenaspiranten warten auf ein besseres Umfeld.“

Steinbach rechnet für die kommenden Monate mit einer positiven Trendwende: „Gestützt wird der weltweite IPO-Markt weiterhin von der Niedrigzinspolitik der No-tenbanken, relativ hohen Bewertungsniveaus und der hohen Liquidität im Markt – Investoren suchen nach wie vor intensiv nach Anlagemöglichkeiten in einen Um-feld mit negativen Realzinsen. Wenn sich die Aktienmärkte nun weiter beruhigen, stehen die Chancen gut, dass sich auch wieder mehr IPO-Kandidaten aus der De-ckung wagen – zumal die konjunkturellen Rahmenbedingungen etwa in Europa und den USA keineswegs schlecht sind“. Mit dem Rückgang der Volatilität und auf Basis der Ergebnisse und Ausblicke aus der laufenden Berichtssaison, dürften die Aktivitäten im zweiten Quartal daher wieder zunehmen, erwartet Steinbach – zumal die jüngsten Kursgewinne an den Aktienmärkten und der aktuelle Aufwärtstrend beim Ölpreis die Rahmenbedingungen wieder spürbar verbessert hätten.

Der größte Börsengang im ersten Quartal war der IPO der China Zheshang Bank, die in Hongkong an die Börse ging und dabei 2 Mrd. USD erlöste. Alle übrigen Börsengänge brachten deutlich weniger als eine Mrd. USD ein: Die zweitgrößte Transaktion im ersten Quartal war der Börsengang des japani-schen REIT LaSalle Logiport (871 Mio. USD), gefolgt vom IPO der britischen Metro Bank, der 613 USD einbrachte. Von den zehn größten Börsengängen weltweit fanden immerhin sechs in Europa statt.

Börsenkandidaten müssen weiter mit hoher Volatilität rechnen

Für den deutschen Markt bleibt Steinbach trotz des schwachen Jahresauftakts vorsichtig optimistisch. „Auch im vergangenen Jahr brauchte der deutsche IPO-Markt etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen und sich dann im weiteren Jahresverlauf durchaus zufriedenstellend zu entwickeln: Mit immerhin 15 Börsengängen und einem Emissionsvolumen von 7,1 Mrd. € war 2015 das stärkste IPO-Jahr seit 2007.“ Eine ähnliche Entwicklung sei auch im laufenden Jahr durchaus mög-lich.

Allerdings mahnt Steinbach: „Die IPO-Fenster waren in den vergangenen Jahren immer nur kurz geöffnet, und das wird wohl auch in diesem Jahr so sein. Die Aktien- und Währungsmärkte sind hoch sensibel, die Konjunkturentwicklung fragil – IPO-Kandidaten müssen also bei einem günstigen Kapitalmarktumfeld in der Lage sein, ihre Chance sehr rasch zu nutzen.“ Dabei werden Flexibilität im Timing und im Emissionskonzept, eine gute Vorbereitung und vor allem eine rechtzeitige sehr gezielte Investorenansprache und ein Plan B immer wichtiger, betont Steinbach. „Das Interesse an einem Börsengang ist nach wie vor groß, in Deutschland stehen viele Unternehmen in den Startlöchern. Bis zu 15 Börsengänge sind daher nach wie vor möglich, sofern keine externen Schocks eintreten. Im Vordergrund dürften dabei Technologieunternehmen, Unternehmensabspaltungen und Portfoliounter-nehmen von Finanzinvestoren stehen.“

(Pressemitteilung EY vom 22.03.2016)


Redaktion

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