Der Bankensektor im Euroraum könnte einen schweren Wirtschaftsabschwung durchstehen. Das ist das Ergebnis des Stresstests der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und der Europäischen Zentralbank (EZB). „Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass deutsche Banken auch im Falle eines sehr harten wirtschaftlichen Abschwungs stabil wären“, kommentierte Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht der BaFin. „Dies ist angesichts der aktuell großen makroökonomischen Unsicherheit eine positive Botschaft. Die Aufsicht muss aber weiter sehr wachsam bleiben“, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch, zuständig für Banken und Finanzaufsicht, zu den Ergebnissen der deutschen Institute.
An dem von der EBA koordinierten Stresstest nahmen die 57 größten Banken der Eurozone teil. Darunter sind 14 deutsche Institute. Parallel prüfte die EZB weitere mittelgroße Institute unter ihrer direkten Aufsicht, die nicht am EBA-Stresstest teilgenommen hatten. Dieser Test ist grundsätzlich vergleichbar mit dem EBA-Stresstest, allerdings wurden für die 41 von der EZB geprüften Banken – acht davon sind deutsche Institute – einige methodische Aspekte vereinfacht. Insgesamt decken diese 98 Banken etwa 80 Prozent aller Bankaktiva in der Eurozone ab.
Szenario: Heftige Krise mit hoher Inflation
Beide Stresstests bestehen aus einem Basis- und einem hypothetischen Krisenszenario. In beiden Szenarien werden unter anderem die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, der Inflationsrate, der Arbeitslosigkeit und der Kapitalmarktzinsen vorgegeben. Das Basisszenario unterstellt eine wirtschaftliche Entwicklung in den EU-Staaten und im Rest der Welt, die im Dezember 2022 für die nächsten drei Jahre am wahrscheinlichsten erschien.
Das Krisenszenario ist geprägt durch geopolitische Spannungen, eine hohe Inflation und steigende Zinsen sowie einen sehr starken Einbruch des Bruttoinlandprodukts. Die Banken mussten simulieren, wie sich dies auf ihre Ertrags- und Risikosituation und wichtige aufsichtliche Kennziffern wie ihre harte Kernkapitalquote auswirkt.
Insgesamt nahmen 22 deutsche bedeutende Institute (Significant Institutions – SIs) am diesjährigen Stresstest teil – davon 14 Institute am Stresstest der EBA und acht Institute am SSM-Stresstest der EZB. Das makroökonomische Krisenszenario konnten die deutschen Institute insgesamt gut bewältigen. Hilfreich war hierbei ihre solide Kapitalbasis, um die hypothetischen Verluste im Krisenszenario abzufedern.
Gemischtes Bild im Vergleich
Im europäischen Vergleich ergibt der Stresstest für die deutschen Institute ein gemischtes Bild: Im Krisenszenario wäre die harte Kernkapitalquote deutscher Institute – verglichen mit anderen europäischen Instituten – im Durchschnitt etwas stärker gesunken. Der Stresseffekt der deutschen Institute war insgesamt also etwas höher als der des europäischen Durchschnitts.
Bei der Bewertung ist das vergleichsweise harte Szenario zu berücksichtigen. Aufgrund ihrer Export- und Energieabhängigkeit könnte die deutsche Wirtschaft im Vergleich zu anderen europäischen Volkswirtschaften in einer weltweiten Rezession verwundbarer sein. So wird für Deutschland eine Verringerung des Bruttoinlandsprodukts um 6,4 Prozent über drei Jahre unterstellt, während dieser Rückgang im Euroraum lediglich 5,9 Prozent betrüge. Daraus resultiert ein vergleichsweise hoher Stresseffekt der deutschen Institute. „Wegen ihrer guten Kapitalisierung könnten die deutschen Institute Verluste in dem negativen Szenario verkraften“, betonte Bundesbank-Vizepräsidentin Buch mit Blick auf die besonderen Rahmenbedingungen des Stresstests. BaFin-Exekutivdirektor Röseler ergänzte: „Das ist eine gute Nachricht. Die Ergebnisse des Stresstests schauen wir uns nun im Detail an.“
Die Aufsicht wird Institute, die sich im Stresstest als auffällig erwiesen haben, besonders in den Blick nehmen. Hierzu gehört auch ein intensivierter Dialog zwischen Institut und Aufsicht. Die quantitativen Ergebnisse des Stresstests bilden zudem die Grundlage für aufsichtliche Eigenmittelempfehlungen. Qualitative Erkenntnisse aus dem Stresstest – zum Beispiel mit Blick auf die geforderte Datenqualität – werden im aufsichtlichen Prozess ebenso berücksichtigt und können ebenfalls zu höheren Eigenmittelanforderungen führen. Ziel des Stresstests ist es nicht, den Instituten den Status „bestanden“ oder „durchgefallen“ zu verleihen.
BaFin und Bundesbank unterstützen bei Stresstests
Zum Hintergrund: Der gemeinsame Stresstest von EBA und EZB findet alle zwei Jahre statt. Dabei arbeiten EBA, EZB, der Europäische Ausschuss für Systemrisiken und die nationalen Aufsichtsbehörden eng zusammen. BaFin und Deutsche Bundesbank unterstützen sie dabei. Das betrifft die methodische Weiterentwicklung und die Durchführung des Stresstests. BaFin und Bundesbank unterstützen die EZB außerdem bei der Aktualisierung der Empfehlungen an die Banken, wie viel Eigenmittel sie in Säule 2 vorhalten sollten. Expertinnen und Experten der BaFin und der Bundesbank helfen der EZB auch vor Ort – insbesondere bei der Qualitätssicherung der Daten, welche die Banken einreichen.
(BaFin vom 28.07.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)