Die Nachfrage nach Erdgas wird in Deutschland bis zum Jahr 2050 drastisch zurückgehen. Im Vergleich zu 2021 sinkt die Nachfrage bis 2030 voraussichtlich um etwa ein Drittel (auf ca. 650 TWh), bis 2040 um mehr als zwei Drittel (auf ca. 330 TWh) und bis Mitte des Jahrhunderts um fast 95 % (auf ca. 50 TWh). Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie „Natural gas demand outlook to 2050“, die Deloitte gemeinsam mit dem Öko-Institut vorgelegt hat. Der Studie liegt eine datengestützte und modellbasierte Analyse zugrunde, die unterstellt, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre Klimaverpflichtungen einhalten. Demnach macht Erdgas 2050 voraussichtlich nur etwa 1 % der Primärenergieversorgung in Deutschland aus, gegenüber ca. einem Viertel im Jahr 2021. Die Modellierungsergebnisse zeigen eine ähnliche Entwicklung für die EU, mit einer Verringerung der Nachfrage um 25 % schon bis 2030.
Erdgasförderprojekte auf der Kippe
Dr. Bernhard Lorentz, globaler Consulting-Leiter Nachhaltigkeit und Klima bei Deloitte betont: „Die rückläufige weltweite Nachfrage nach Erdgas stellt Investitionsentscheidungen für neue Erdgasförderprojekte für die EU oder den deutschen Markt infrage. Es besteht die Gefahr, dass diese Projekte aufgrund der Entwicklung scheitern werden, sollten globale Klimaverpflichtungen eingehalten werden. Hinzu kommt, dass sich mit Ausnahme von Russland, Algerien und Norwegen keines der zehn wichtigsten Reserven- und Förderländer in Pipeline-Reichweite für Deutschland und die EU befindet, während der LNG-Markt von den USA, Katar und Australien dominiert wird. Vor diesem Hintergrund würden neue Projekte das Angebot nur geringfügig diversifizieren.“
Auf Grundlage der Szenario-Modellierung der Expert:innen wird die Erdgasnachfrage in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten in allen Sektoren sinken. Fast die Hälfte des Rückgangs bis 2030 wird danach auf den Gebäudesektor (Haushalte, sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, inklusive Fernwärme) entfallen, der Energieeffizienz und Technologien wie thermische Nachrüstungen und Wärmepumpen nutzt, um fossile Heizsysteme zu ersetzen. Dies führt voraussichtlich zu einem Rückgang des Erdgasverbrauchs bis 2030 um ein Drittel auf weniger als 300 TWh. Bis 2050 werden in diesem Szenario fast 50 % der Nutzwärme durch Wärmepumpen erzeugt, gefolgt von Solarthermie (ca. 25%), Biomasse und Strom.
Privathaushalte versus Industrie
Im Stromsektor können laut der Prognosen durch den Einsatz erneuerbarer Energien fossile Brennstoffe, einschließlich Erdgas, ersetzt werden. Bis 2030 wird mehr als 80 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, verglichen mit 44 % im Jahr 2022. Damit würden die deutschen Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht. Ab 2030 können Gas-betriebene Erzeugungsanlagen mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden, um die Abhängigkeit von Erdgas zu reduzieren, sofern die Rahmenbedingungen angepasst werden (z.B. durch die Änderungen von Normen, die die Beimischung von Wasserstoff regulieren). Bis 2050 sinkt der Anteil von Erdgas an der Nettostromerzeugung demnach auf weniger als 1 %.
In der Industrie sollten die Maßnahmen zur Dekarbonisierung vor allem in den Sektoren Eisen & Stahl, Zement und Chemie ab 2030 an Dynamik gewinnen, und Erdgas allmählich durch strom- und wasserstoffbasierte Lösungen ersetzen. In diesen traditionell energieintensiven Branchen spielte Erdgas lange Zeit eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung kostengünstiger Energie für industrielle Wärme und als Rohstoff (z.B. für Chemikalien). Die Studie prognostiziert, dass die Wärmeerzeugung aus Erdgas in der Industrie bis 2030 gegenüber 2018 um 20 % zurückgehen wird, bis 2040 um weitere 60 %, bevor sie bis 2050 auf null sinkt.
Die Berechnungen der Deloitte-Studie „Natural gas demand outlook to 2050“ stehen im Einklang mit allen wichtigen Studien und jüngsten Prognosen für das Energiesystem in Deutschland. Die Studie finden Sie hier.
(Deloitte vom 22.09.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)