Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist in den letzten Wochen auf bereits hohem Niveau leicht gestiegen. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Konjunktur-Frühwarnsystem bleibt vorerst auf „rot“
Für den Zeitraum von November bis Ende Januar 2024 weist der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 75,9 % aus. Anfang Oktober betrug sie für die folgenden drei Monate 73 %. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Konjunktur-Frühwarnsystem zeigt, wie in den Vormonaten, „rot“, was für eine akute Rezessionsgefahr steht.
Das hohe Niveau und die Zunahme des Rezessionsrisikos beruhten vor allem auf den Rückgängen der Produktion in der Industrie und dem Baugewerbe, die im Indikator eine große Rolle spielen. Neue, zusätzliche Produktionsdaten aus dem Dienstleistungssektor, die das IMK in diesem Monat erstmals testweise in den Indikator einspeist, unterstreichen, dass die Flaute im Verarbeitenden Gewerbe weiterhin besonders hartnäckig ist: Würde der Indikator die neuen Daten aus den Dienstleistungsbranchen voll berücksichtigen, stünde die gesamtwirtschaftliche Konjunkturampel für die kommenden drei Monate „nur“ auf „gelb-rot“. Allerdings sind diese Daten, die Statistisches Bundesamt und Bundesbank erst seit Kurzem veröffentlichen, bislang besonders revisionsanfällig. Daher wird das IMK erst nach einer umfangreichen Evaluation darüber entscheiden, ob es die Datenbasis des Indikators umstellt. Detaillierte Ergebnisse unter Berücksichtigung des Dienstleistungssektors werden im monatlichen Begleittext zu den Indikatoraktualisierungen auf der Website der IMK-Konjunkturampel aufgeführt.
Konjunktur sektoral gespalten
„Die neuen Ergebnisse des IMK Konjunkturindikators verdeutlichen die schwache Entwicklung des Produzierenden Gewerbes im Vergleich zum Dienstleistungssektor“, sagt IMK-Konjunkturexperte Dr. Thomas Theobald. „Dieses Bild einer sektoral gespaltenen Konjunktur zeigt sich auch in aktuellen Konjunkturumfragen. Zwar nährt der Blick auf den Dienstleistungssektor die Hoffnung, dass sich ab dem vierten Quartal 2023 bei nachlassender Inflation ein moderates konsumgestütztes Wirtschaftswachstum ergibt. Aber die schwache industrielle Entwicklung dürfte allenfalls eine geringfügige Zunahme ermöglichen.“
Weitere Faktoren für den leichten Anstieg der Rezessionswahrscheinlichkeit sind neben der lahmenden Industrieproduktion zuletzt gesunkene Aktienkurse im CDAX. Außerdem hat auch der „Finanzmarktstress“, den das IMK mit einem separaten Index ermittelt, etwas zugenommen. Dass die Rezessionswahrscheinlichkeit nicht noch höher liegt, liegt an einer Stabilisierung von Kreditrisikoprämien und Geldmarktzinsen in den vergangenen Wochen. Positiv wirkten sich auch aufgehellte Stimmungsindikatoren aus, wie etwa der ifo-Geschäftsklimaindex.
(Hans-Böckler-Stiftung vom 23.11.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)