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07.02.2024

Bürokratie und hohe Energiepreise bremsen Dekarbonisierung der deutschen Industrie aus

Nur jedes fünfte Unternehmen in Deutschland hält Deutschland für einen attraktiven Standort, um die Dekarbonisierung der Produktion voranzutreiben.

Beitrag mit Bild

©Olivier Le Moal

Deutschlands Unternehmen haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß zu reduzieren – und das obwohl die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland aus Unternehmenssicht deutlich zu wünschen übrig lassen.

Was tun die Unternehmen?

Fast drei von vier Unternehmen haben ihre Beleuchtung auf LED umgestellt, 58 % haben Renovierungsmaßnahmen an den Büro- oder Produktionsgebäuden vorgenommen, immerhin etwas mehr als die Hälfte nutzt Wärmerückgewinnung, etwa ebenso viele Abwärme. Im Schnitt wollen Unternehmen damit ihren Energieverbrauch um 22 % reduzieren. Obendrein haben 66 % der Unternehmen ihre Energieversorgung teilweise auf Photovoltaik umgestellt, 58 % nutzen Grünstrom, 37 % die Wärmepumpentechnologie.

Die Reduzierung des Energieverbrauchs und die Umstellung auf alternative Energieträger sind wichtige Bestandteile der Dekarbonisierungsstrategien deutscher Unternehmen – von denen sich einige sehr ambitionierte Dekarbonisierungsziele gesteckt haben: 46 % planen, klimaneutral („net zero“) zu werden, 16 % wollen sogar klimapositiv werden.

Bürokratie belastet

Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer, ihre Ziele in die Tat umzusetzen: Bürokratische Vorschriften und teilweise sehr lange Genehmigungsverfahren, über die etwa drei Viertel der Unternehmen klagen, sind nach Unternehmensangaben besonders große Hindernisse. Hohe Energiepreise stellen für deutlich weniger Unternehmen – 63 % – eine große Hürde dar. Hohe Investitionskosten bzw. die schwierige Finanzierung von Dekarbonisierungsprojekten bereiten 57 % größere Probleme. Die mangelnde Verfügbarkeit von Technologien ist für 50 % der Unternehmen eine große Hürde, fehlendes Know-how im Unternehmen für 42 %.

Eine Möglichkeit, den Standortnachteilen Deutschlands in Sachen Dekarbonisierung zu begegnen: stärker im Ausland produzieren oder gar Produktion von Deutschland ins Ausland verlagern. Eine Verlagerung ins Ausland fasst gut jedes achte Unternehmen (13 %) ins Auge.

Das sind Ergebnisse einer Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY, für die im Herbst 2023 insgesamt 201 Unternehmen befragt wurden, von denen 30 % einen Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde Euro aufweisen. Im Durchschnitt verfügen die befragten Unternehmen über 46 Standorte.

Skandinavien bietet laut Unternehmen beste Rahmenbedingungen

Nur jedes fünfte befragte Unternehmen hält Deutschland für einen attraktiven Standort, wenn es um die Dekarbonisierung von Produktionsstätten geht. Skandinavische Länder führen mit 28 % der Nennungen das Ranking an, neun % bezeichnen Nordamerika als attraktivste Region. „Wenn nur jedes fünfte hierzulande tätige Unternehmen die Rahmenbedingungen in Deutschland als attraktiv bezeichnet, sollte uns das zu denken geben“, sagt Simon Fahrenholz, Partner bei EY und Leiter der Nachhaltigkeitsberatung im Geschäftsbereich Strategy and Transactions. Allerdings zeige die Befragung auch, dass kein Land bzw. keine Region weltweit als eindeutig führend angesehen werde – auch nicht die USA, die mit dem Inflation Reduction Act ein sehr attraktives und erfolgreiches Förderprogramm aufgelegt hätten. „Eine Verlagerung der Produktion ist für die meisten Unternehmen kein Thema, weil der Aufwand zu groß ist. Wenn es allerdings um einen Neuaufbau einer dekarbonisierten Produktion geht, droht Deutschland ins Hintertreffen zu geraten.“

Dekarbonisierung ist Chefsache

Immerhin: Die Verantwortung für die Umsetzung der Dekarbonisierung mehrheitlich – bei 79 % der Unternehmen – beim Management. 62 % der Unternehmen haben Nachhaltigkeitsverantwortliche ernannt, in 41 % kümmert sich ein Projektteam um das Thema. Bei gut der Hälfte der Unternehmen führen die Anstrengungen zur CO2-Einsparung zu einem Stellenaufbau: 54 % haben neue Stellen bzw. Positionen geschaffen.

Drei von vier Unternehmen verfügen zudem über „Action Plans“ zur Umsetzung ihrer Ziele, zwei Drittel überwachen die Umsetzung anhand vorab definierter Kennzahlen. Unternehmen, die das Thema besonders ernst nehmen, haben zudem ihre Ziele von SBTi (Science Based Targets initiative ) validieren lassen: Von den Unternehmen, die sich kurzfristige Dekarbonisierungsziele (bis 2035) gesetzt haben, haben 45 % diese Ziele von SBTi prüfen lassen.

Nur sechs von zehn Unternehmen nutzen öffentliche Fördermittel

In der Befragung gaben 79 % der Unternehmen an, ihre Dekarbonisierungsanstrengungen aus dem Eigenkapital zu finanzieren – 62 % nutzen (auch) öffentliche Fördermittel. Fahrenholz erklärt die relativ zurückhaltende Nutzung von Fördermitteln mit dem hohen Aufwand, der mit der Beantragung verbunden sei: „Viele Unternehmen, aber auch Kreditgeber, wissen zum einen gar nicht, welche Töpfe zur Verfügung stehen. Aber selbst wenn: Der Beantragungsprozess ist meistens extrem langwierig und komplex. Auch Großkonzerne können das oft nicht selbst stemmen, sondern müssen auf spezialisierte Berater zurückgreifen.“ Das Resultat: „Gerade dem Mittelstand entgehen Milliarden an potenziellen Fördermitteln“, so Fahrenholz.

(EY vom 05.02.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)


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