Die DAX-Konzerne verzeichneten im vergangenen Jahr eine schwache Umsatzentwicklung: Bei sieben der 40 Unternehmen schrumpfte der Umsatz um mehr als 10 %, insgesamt gelang den DAX-Konzernen nur ein Umsatzplus von 1,0 % – im Schlussquartal lag das Plus sogar nur bei 0,6 %. Gerettet haben vor allem die Automobilunternehmen die Bilanz, die in Summe ein Umsatzplus von 10 % erwirtschafteten. Volkswagen erzielte mit einem Umsatzwachstum von 15 % das stärkste Plus. Dahinter folgen Rheinmetall (plus 12 %) und Airbus (plus 11 %).
Mitarbeiterzahl steigt weiter
Anders als in früheren Jahren war vor allem der europäische Absatzmarkt der wichtigste Wachstumsmotor für Deutschlands Top-Konzerne: In Europa stiegen die Gesamtumsätze im vergangenen Jahr um 6 % – in Nordamerika wurde hingegen ein Umsatzrückgang um 1 % registriert, in Asien schrumpften die Umsätze sogar um 4 %. Immerhin: Bei der Beschäftigung hing es weiter aufwärts: In Summe stieg die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 1,2 % auf den Rekordwert von 3,99 Millionen.
Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY auf der Basis der Geschäfts- bzw. Quartalsberichte der derzeit im Deutschen Aktienindex (DAX) gelisteten Unternehmen.
Schwieriges Fahrwasser für viele Branchen
„Der Negativtrend hält an, die Zeiten von Rekordgewinnen und Traummargen sind vorbei“, fasst Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY, die Ergebnisse zusammen. „Einige von Deutschlands wichtigsten Branchen befinden in schwierigen Fahrwassern – die deutsche Chemieindustrie beispielsweise steckt wegen gestiegener Energie- und Rohstoffpreisen und schwacher Nachfrage in einer tiefen Krise. Positiv hat sich im vergangenen Jahr vor allem die Automobilindustrie entwickelt, aber auch hier mehren sich die Zeichen, dass der Nach-Corona-Boom vorbei ist und die Herausforderungen größer werden. Der stockende Hochlauf der Elektromobilität und die geringe Kauflaune bei Kunden treffen die Branche mitten in einer tiefgreifenden Transformation. Es liegt noch eine lange Wegstrecke vor den Unternehmen und die Herausforderungen werden immer sichtbarer.“
Zudem müssten die Finanzzahlen vor dem Hintergrund der hohen Inflation im vergangenen Jahr gesehen werden, sagt Ahlers: „Real – also bereinigt um die Geldentwertung – war die Umsatz- und Gewinnentwicklung deutlich schlechter. Berücksichtigt man die Inflation, lagen die meisten DAX-Konzerne im Minus.“
Keine Hoffnung auf Konjunkturerholung
Aber auch die berichteten Zahlen waren insgesamt wenig ermutigend: Immerhin 15 Unternehmen verzeichneten 2023 niedrigere Umsätze als im Vorjahreszeitraum – beim Gewinn mussten sogar 18 Unternehmen rückläufige Zahlen vermelden.
„Die Hoffnungen auf eine Konjunkturerholung haben sich weitgehend zerschlagen“, beobachtet Mathieu Meyer, Partner bei EY. „Die Auftragspolster aus dem Vorjahr sind abgearbeitet, nun fehlen neue Impulse. Mit gestiegenen Energiekosten und Zinsen haben die Haushalte weniger Geld für den privaten Konsum übrig – und die Unternehmen können ihre Preise nicht mehr in dem Maß erhöhen, wie die Kosten steigen. Wir erleben eine lange Phase wirtschaftlicher Stagnation inmitten einer tiefgreifenden Transformation bei gleichzeitig hohen geopolitischen Risiken. Dieser gefährliche Mix aus lahmender Konjunktur, hohen Energie- und Materialpreisen, politischen Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen setzt den Unternehmen massiv zu. 2024 wird nicht besser als 2023 – eher im Gegenteil.“
Kostensenkungsprogramme treffen auch Mitarbeiter
Trotz der bescheidenen Geschäftsentwicklung und des sehr unsicheren Ausblicks hielt der Beschäftigungsaufbau im Jahr 2023 an: In Summe stieg die Zahl der Beschäftigten um 1,2 %. Der Rüstungskonzern Rheinmetall verzeichnete mit einem Beschäftigungswachstum von 14 % das stärkste organische Plus, bei der Deutschen Börse ging es dank eines Zukaufs mit 31 % noch stärker aufwärts. Immerhin 24 Unternehmen haben zusätzliche Stellen geschaffen, 14 Unternehmen haben hingegen Stellen abgebaut – die übrigen DAX-Konzerne machen keine Angaben zur Beschäftigtenzahl.
„Immer mehr Unternehmen stemmen sich mit tiefgreifenden Kostensenkungsmaßnahmen gegen die Krise“, sagt Meyer. „Wir sehen, dass die Kostensituation am Standort Deutschland immer schwieriger wird, und dass es erheblicher Anstrengungen bedarf, in diesem Umfeld flexibel und wettbewerbsfähig zu bleiben“. Meyer rechnet daher mit einer tendenziell sinkenden Beschäftigung: „Die Konjunktur entwickelt sich sehr schwach, und viele Unternehmen reagieren darauf mit harten Sparprogrammen einschließlich Einstellungsstopps. Erstmals seit langem betreffen diese Personalabbauprogramme auch Deutschland. Denn einige Probleme sind auch hausgemacht: Viele Unternehmen leiden unter einer zu hohen Komplexität, zu vielen Managementebenen, zu viel Bürokratie.“
Nicht gespart wurde im vergangenen Jahr an Zukunftsinvestitionen: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stiegen um 5 % auf 68 Milliarden Euro. Die höchste F&E-Quote – also den höchsten Anteil von Forschungs- und Entwicklungskosten am Gesamtumsatz – wies im vergangenen Jahr SAP auf: Der Software-Konzern gab 20 % seines Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus.
Autobauer und Telekom mit höchsten Gewinnen
Das gewinnstärkste Unternehmen war im vergangenen Jahr Volkswagen mit einem operativen Gewinn von 22,6 Milliarden Euro vor der Deutschen Telekom (20, 8 Milliarden Euro) und den beiden Autoherstellern Mercedes-Benz und BMW (19,7 bzw. 18,5 Milliarden Euro). Drei Unternehmen wiesen einen operativen Verlust aus.
Ahlers rechnet für die kommenden Monate mit eher sinkenden Gewinnen. „Wenn die Autobranche es schafft, das hohe Niveau zu halten, wäre das schon ein großer Erfolg, denn der Hochlauf der Elektromobilität sorgt vorerst vor allem für hohe Kosten und belastet die Marge. Viele Branchen kämpfen mit Nachfrageschwäche – nicht zuletzt auf dem chinesischen Markt – und hohen Energiepreisen. Hinzu kommen bei etlichen Unternehmen hohe Restrukturierungskosten. Kurz gesagt: Diese Phase der Transformation wird langwierig und teuer – mit derzeit noch ungewissem Ausgang.“
(EY vom 21.03.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)