Dank überwundener Produktionsengpässe wurde am Automobilstandort Deutschland im vergangenen Jahr mehr Umsatz erwirtschaftet als je zuvor: Die in Deutschland ansässigen Autohersteller und -zulieferer steigerten ihre hierzulande erwirtschafteten Umsätze im Jahr 2023 insgesamt um 10 % auf 558 Milliarden Euro. Dabei schnitten die Autohersteller mit einem Umsatzwachstum von 11 % erneut besser ab als die Zulieferer, die ein Plus von 9 % verzeichneten. Vor allem im zehn-Jahres-Vergleich zeigt sich, wie weit die Schere zwischen Herstellern und Zulieferern auseinandergeht: Seit 2014 stieg der Umsatz der Zulieferer in Deutschland um 25 %, während die Hersteller mehr als doppelt so stark – um 59 % – zulegten.
Beschäftigung wird sinken
Die Beschäftigungssituation hat sich trotz der positiven Umsatzentwicklung zuletzt allerdings kaum verbessert: Zwar stieg die Zahl der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter im Jahr 2023 um 0,7 % auf etwa 780 Tausend, wodurch der Negativtrend der vorangegangenen vier Jahre gestoppt wurde. Die Beschäftigung lag damit aber weiter deutlich unter dem Höchststand des Jahres 2018, als 834 Tausend Personen für Automobilhersteller oder -zulieferer in Deutschland tätig waren. Bei den Zulieferern wurde zudem im vergangenen Jahr erneut ein Beschäftigungsrückgang (um 0,2 %) registriert. In den vergangenen zehn Jahren ist damit die Zahl der Mitarbeiter bei Zulieferern in Deutschland um 7,5 % gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg die Beschäftigung bei den Herstellern um 4,3 %.
Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zur Entwicklung der deutschen Automobilindustrie. Basis der Studie, die nur in Deutschland tätige Betriebe analysiert, sind aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Agentur für Arbeit. Untersucht wurden Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern.
Rekordumsätze auch ein Ergebnis der hohen Inflation
„Auf den ersten Blick war das vergangene Jahr nicht schlecht für die deutsche Autoindustrie“, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. „Die Rekordumsätze sind allerdings auch ein Ergebnis der hohen Inflation und stark gestiegener Einkaufs- und Materialpreise. Unterm Strich sorgten gerade die hohen Energie- und gestiegene Lohnkosten bei vielen Unternehmen für eine rückläufige Marge. Das gilt vor allem für die Zulieferer, für die die Luft immer dünner wird. Und derzeit spricht wenig für eine Verbesserung der Lage – im Gegenteil: Der Konjunkturmotor stottert, der Neuwagenabsatz hat längst noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Überkapazitäten und neue Rabattschlachten sind die Folge.“
Gall rechnet mit einer weiteren Konsolidierung unter den Zulieferern, auch angetrieben durch den stockenden Hochlauf der Elektromobilität: „Wer als Zulieferer zukunftsfähig sein möchte, muss massiv in neue Technologien und investieren. Gleichzeitig werden im Elektrosegment bei weitem nicht die erwarteten und benötigten Stückzahlen erreicht. Das kostet die Branche aktuell sehr viel Geld und drückt auf die Marge.“
Exporte nach Europa sorgen für Wachstum
Die größten Produktionsstandorte in Deutschland sind derzeit Bayern und Baden-Württemberg, wo Mitte vergangenen Jahres knapp 250.000 bzw. gut 225.000 Menschen in der Autoindustrie beschäftigt waren. Die größte Rolle für den Arbeitsmarkt im jeweiligen Bundesland spielt die Autoindustrie aber im Saarland: Dort arbeiten fast sechs % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei einem Autohersteller oder -zulieferer. In Baden-Württemberg und Niedersachsen liegt der Anteil bei 4,6 bzw. 4,4 %.
Wichtige Wachstumsimpulse kamen zuletzt vom Export: Die Exporte von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen stiegen im Jahr 2023 um 10 %, nachdem sie im Vorjahr bereits um 16 % gestiegen waren. Die beiden wichtigsten Exportmärkte schwächelten allerdings: Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten lagen nur minimal über denen des Vorjahres, die Exporte nach China brachen sogar um 18 % ein. „Die Situation in den Exportmärkten USA und China ist schwierig – aufgrund der aktuellen geopolitischen Spannungen, einer gewissen Abschottung Chinas sowie der anstehenden Wahlen in den USA. Insgesamt sehen wir zunehmend Nationalisierungstendenzen, die für unsere stark exportorientierte Autoindustrie ein echtes Risiko darstellen“, so Gall. Wesentliche Zukunftsinvestitionen würden zunehmend außerhalb Deutschlands getätigt, warnt er.
Positiv entwickelten sich hingegen zuletzt die Ausfuhren in europäische Länder: Die Exporte in Länder der Eurozone legten im vergangenen Jahr um 21 % zu und damit mehr als dreimal so stark wie die Ausfuhren ins sonstige Ausland, die nur um 6 % stiegen.
(EY vom 02.04.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)