Die Strategieberatung The Hackett Group präsentiert in ihrer unlängst veröffentlichten Studie “EU 1000 Results” alarmierende Zahlen: Im Geschäftsjahr 2023 blieben bei den untersuchten rund 1000 Unternehmen insgesamt 1,3 Billionen Euro an Working Capital-Potential ungenutzt.
Veränderungen bei den wichtigsten Betriebskapitalkennzahlen
Dabei erwies sich die Wirtschaft der Europäischen Union zunächst als widerstandsfähig, doch die anhaltenden geopolitischen Spannungen und die steigenden Verbraucherpreise führten in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 zu einer deutlichen Abschwächung. Die Daten der führenden europäischen Unternehmen zeigen gemischte Veränderungen bei den wichtigsten Betriebskapitalkennzahlen: Die Bestandsreichweite der Vorräte (Days Inventory Outstanding) verschlechterte sich um 5 %, erreichte 66 Tage und bindet 411 Milliarden € an Kapital, während die Debitorenlaufzeit (Days Sales Outstanding) sich leicht um 0,2 % auf 47 Tage verbesserte und 456 Milliarden € umfasst. Die Kreditorenlaufzeit (Days Payable Outstanding) erhöhte sich um 2 %, erreichte 70 Tage und beziffert sich auf 460 Milliarden € in Zahlungsverbindlichkeiten. Diese Kombination führte insgesamt zu einer Verschlechterung des Cash-Conversion-Zyklus um 4 %, der nun bei 44 Tagen liegt.
Industrien, die auf Energie aus fossilen Brennstoffen angewiesen sind, sahen sich mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert und griffen auf strategische Einkäufe zurück, um die Energieversorgung zu sichern und den Kostenanstieg angesichts der geopolitischen Unruhen abzufedern. Dieser präventive Aufbau von Lagerbeständen führte in diesen Sektoren zu einem bemerkenswerten Anstieg der DIO.
Gen AI-Fähigkeiten priorisieren
Angesichts der anhaltenden geopolitischen Unsicherheit, der moderaten Rückkehr des Wirtschaftswachstums und der hohen Zinssätze ist die Notwendigkeit eines effektiven Betriebskapitalmanagements wichtiger denn je. Und: Angesichts des Wandels, den generative künstliche Intelligenz (Gen AI) auf die Geschäftsabläufe haben wird, müssen Unternehmen die Gen AI-Fähigkeiten gezielt einsetzen und priorisieren, um den Bargeldeinzug und die Kreditzyklen zu optimieren und die Kundennachfrage und den Lagerbedarf besser vorauszusehen.
Der negative Trend ist für die europäischen Unternehmen sehr besorgniserregend, denn es wird erwartet, dass die makroökonomischen Unsicherheiten und der Inflationsdruck anhalten und das Working Capital Management zusätzlich belasten werden. Die anhaltend hohen Zinssätze haben die Kosten für die Kapitalbindung im Umlaufvermögen, im Vergleich zu früheren Jahren deutlich erhöht. Die gute Nachricht: Gen AI erschließt neue Möglichkeiten, das Umlaufvermögen zu optimieren.
Fazit
Georg Bach, MD Zentraleuropa bei The Hackett Group, nimmt dabei gerade auch den Einkaufsbereich in die Pflicht: „Der Einkauf leistet einen erheblichen Beitrag dazu, die Liquidität eines Unternehmens zu verbessern: Strategische Beschaffung, Lieferantenmanagement, Unterstützung bei Bedarfsprognosen oder der Einsatz effektiver Beschaffungspraktiken im Bestandsmanagement spielen bei der Optimierung des Working Capital Management eine wichtige Rolle.“
(Georg Bach – The Hackett Group vom 15.01.2025)