Derzeit entwickeln sich die drei Fokusmärkte China, Europa und USA in unterschiedliche Richtungen. Während die US-Zahlen die bisherigen Erwartungen positiv übertreffen, scheint China zu stagnieren und Europa, insbesondere Deutschland, bereits in einer Rezession zu sein.
Tobias Friedrich, Senior Manager Capital Markets & Clients bei Santander Asset Management, hat sich alle drei Märkte genauer angeschaut und schließt aus den aktuellen Wirtschafts- und Marktdaten folgende Schlüsse:
China
Die chinesische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2023 saisonbereinigt um 0,8 % und übertraf damit die Markterwartungen von 0,5 %, verlangsamte sich aber maßgeblich gegenüber dem Wachstum von 2,2 % im Vorquartal. Dies ist zwar das vierte Wachstumsquartal in Folge, macht aber auch deutlich, dass der Aufschwung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt an Schwung verliert und uneinheitlich ist. Die Gründe dafür sind: ein anhaltender Immobilienabschwung, eine mögliche Desinflation, eine rekordhohe Arbeitslosenquote unter jungen Erwachsenen so wie rückläufige Exporte.
USA
Erste Chefökonomen großer US-Finanzinstitute vertreten bereits die Meinung, dass ein tiefer wirtschaftlicher Einbruch vermieden werden kann. Die jüngsten Wirtschaftsdaten deuten demnach daraufhin, dass die Inflation auch ohne einen starken Wirtschaftsabschwung auf ein normales Maß zurückfallen könne. Für eine anhaltend robuste Wirtschaft könnte das im Juli verbesserte Konsumentenvertrauen sprechen, auf das die Indizes der University of Michigan und des Conference Boards hindeuten. Aufgrund der zuletzt spürbar niedrigeren Inflation könnte der für Juli eingepreiste Zinsschritt der US-Notenbank Fed eine Zinspause einläuten.
Eurozone
Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Eurozone ist im Juli 2023 auf 48,9 gefallen, noch im Juni hatte dieser bei 49,9 gelegen. Zur Erinnerung: Werte unter 50 signalisieren eine schrumpfende Wirtschaft. Der jüngste Wert deutet auf den stärksten Rückgang der Unternehmensproduktion seit November des vergangenen Jahres hin. Besorgniserregend scheint die Tatsache, dass die Auftragseingänge so enorm zurückgingen wie seit acht Monaten nicht mehr – die Auftragsbestände sind so stark abgearbeitet worden wie seit Februar 2013 nicht mehr. Darüber hinaus verlangsamte sich das Beschäftigungswachstum und erreichte den niedrigsten Stand seit Februar 2021. Nicht verwunderlich, dass sich das Vertrauen der Unternehmen ebenfalls abkühlt und sich auf den niedrigsten Stand seit November 2022 befindet.
Deutsche Wirtschaft im Sinkflug
Auch in Deutschland signalisiert der Einkaufsmanagerindex mit 48,3 Punkten eine schrumpfende Wirtschaft: Der Indikator der Industrie stürzte unerwartet auf 38,8 Punkte ab – den tiefsten Stand seit dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Auch hier beunruhigen Neu- und Exportaufträge. Der Abwärtstrend bei den Dienstleistungen hält ebenfalls an, wenngleich 52 Punkte noch auf eine leichte Expansion hindeuten. Ferner entwickelt sich das ifo Geschäftsklima derzeit ebenfalls kraftlos. Mit 88,5 Zählern ist der Index auf den tiefsten Stand seit gut einem halben Jahr gefallen. Auch beim Verbraucher leidet die Laune: Zuletzt achtmal in Folge konnte das von der Gesellschaft für Konsumforschung veröffentlichte Konsumklima in Deutschland zulegen. Doch im Juni machten sich auch bei den Konsumenten die Sorgen vor Inflation und Rezession bemerkbar.
(Santander AM vom 02.08.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)