Finanzorganisationen der Unternehmen sind in Zeiten der Coronavirus-Pandemie extrem gefordert, um die Auswirkungen auf Umsatz, Gewinn, die Schulden- und Kreditsituation abzumildern. Das Ausmaß der Krise ist einmalig – auch im Vergleich zur Finanzkrise 2008. Je nach Auswirkung auf die Absatzmärkte und damit auf die Liquidität, geht es in den meisten Industrien schlichtweg um die Absicherung der mittelfristigen Existenz von Unternehmen. Der Finanzfunktion kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Georg Bach, Managing Director Central Europe bei The Hackett Group, schildert einige Strategien und Maßnahmen.
Im Vergleich zu früheren Krisen ist die behördliche Anweisung von Kontaktverboten, Ausgangssperren oder Abstandsregelungen sowie die Schließung des Geschäftsbetriebs ganzer Branchen („Lock-down“) weltweit das wesentliche Differenzierungsmerkmal der COVID19 Krise. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die Entwicklungen und damit die behördlichen Steuerungsmaßnahmen jeweils zeitversetzt und „auf Sicht“ stattfinden, was die Umsetzung eines Risikomanagements und eine entsprechende Gegensteuerung beeinträchtigt.
„Remote“ Service-Kontinuität sichern
Nach nun einigen Wochen im „Lock-down“ sollten die wichtigsten Regeln umgesetzt und die Arbeitsproduktivität via Home-Office sichergestellt sein: Uneingeschränkte Erfüllung von kritischen Finance-Services (Monatsabschluss, Forecasting, Reporting oder die Zahlung kritischer Lieferanten) unter Kontaktverbot. Wichtig: Die weitere Entwicklung der Pandemie kann dazu führen, dass Schlüsselkräfte kurzfristig durch eine Ansteckung außer Gefecht gesetzt werden. Da der Krankheitsverlauf individuell unterschiedlich verläuft – sind Backup Szenarien/ Vertretungspläne vorzubereiten.
Mit der IT sind aufgrund der unabsehbaren Dauer der behördlichen Anweisungen – im schlimmsten Fall müssen bereits erteilte Lockerungszusagen der Behörden wieder zurückgenommen werden – SLAs (Service Level Agreements) zu adaptieren. Dies betrifft im Besonderen mittelfristige Standards in den Bereichen Systemverfügbarkeit, Netzwerkkapazitäten, Sicherheitsstandards, Lizenzen etc.. Entsprechende IT-Initiativen sind zu priorisieren.
Liquidität 2020 managen – Stresstest und Scenario Technik
Wohl noch wichtiger als die kurzfristige Sicherung der Servicekontinuität ist die Absicherung der kurz- und mittelfristigen Liquidität – mindestens bis Ende 2020. Wenn die Absatzmärkte wie bei COVID19 wegbrechen – in den wenigsten Fällen kann dies alternativ z.B. durch Online-Vertrieb kompensiert werden – muss umfassend reagiert werden.
Erschwerend wirkt sich aus, dass in nicht wenigen Fällen die Optimierung des Working Capitals – nicht zuletzt durch Fokussierung auf OpEx Initiativen (Operational Expenditure, also Betriebskosten) – in der Vor-Corona-Zeit lange vernachlässigt wurde. Darüber hinaus haben viele Unternehmen das Niedrigzinsumfeld dazu genutzt, mehr Fremdkapital aufzunehmen, um dann z.B. (teure) Aktienrückkaufprogramme zu starten oder auszubauen. Damit wurde die „Leverage Ratio“ vieler Unternehmen zusätzlich stark beeinträchtigt.
Im Folgenden sind einige Möglichkeiten aufgelistet, wie Sie Ihre Liquidität sichern können:
- Liquidität Stress-Test:
Cash-Position, Inventar, kurz- und langfristige Verbindlichkeiten auf den Prüfstand stellen. Anwendung von Scenario Modellen zur Abbildung von Unsicherheit in den Rahmenbedingungen (u.a. „Lock Down“ Regelungen). - Sofortige Umsetzung von kurzfristigen Kostensenkungsmaßnahmen mit ad hoc-Ergebnissen (Hiring-Freeze, Reisekosten, OpEx Projektportfolio review/stop, Kurzarbeit, Urlaubs/Überstundenabbau, Produktionsstopp etc.) bei Absicherung von Risiken, die die mittel- bis langfristige Wettbewerbsposition (z.B. Lieferfähigkeit bei Freigabe der Absatzmärkte nach „Lock-Down“) beeinträchtigen können. Die enge Abstimmung mit den Verantwortlichen aus z.B. Vertrieb oder Produktion ist in diesem Kontext kritisch.
- Optimierung Working Capital: Bestände, kurz- und langfristige Verbindlichkeiten/Forderungen, Kundenkreditrisiko, Sortimentsanpassung etc.
- Installierung einer Cash-Task Force, die täglich und wöchentlich Leistungs-kennzahlen erstellt.
- Verbindliche Planungen für die Finanz- und Cash-Bestände auf Wochenbasis.
- Einsatz von funktionsübergreifenden Krisenteams mit Einbindung des Gesamtvorstands und Eskalationsmechanismen mit täglichen Updates zur schnellen und reibungslosen Umsetzung der Maßnahmen.
- Kommunikation: Durchführung umfassender interner und externer Kommunikationsmaßnahmen mit Einbindung der relevanten Beteiligten: Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, bis hin zu Eigentürmern und Aktionären. Die Kommunikation muss rechtzeitig, zielorientiert und verständlich sein, um die Akzeptanz der teilweise gravierenden Entscheidungen bei den Beteiligten sicherzustellen.
Intelligenter Re-launch – Bereit sein wenn`s (wieder) darauf ankommt
Der gegenwärtige Lock-Down mit seinen Regularien entspricht der laufenden Abwägung der Behörden im Hinblick auf das Gesundheitsrisiko in der Bevölkerung und den Auswirkungen auf die Wirtschaft. In Deutschland wie im Rest der Welt. Dieses Verhältnis wird laufend bewertet. Es ist davon auszugehen, dass diese Abwägung regional (zeitlich) unterschiedlich erfolgen wird, was Auswirkungen auf (globale) Lieferketten haben wird.
Das Ende des gegenwärtigen Lock-Downs ist ̶̶ auch wenn nur eingeschränkt absehbar – bereits heute entsprechend vorzubereiten. Fatal wäre, wenn die Lieferfähigkeit oder die Serviceverfügbarkeit für diesen Zeitpunkt nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen würde: Der Marktanteilsverlust wäre programmiert.
In diesem Zusammenhang ist also wesentlich, dass die (globalen) Lieferketten – in Zusammenarbeit mit strategischen Lieferanten – intakt sind oder dass rechtzeitig Back-Up-Strategien eingeleitet und umgesetzt worden sind. Dabei spielt die intelligente und umsichtige Planung bzw. Umsetzung der oben im Bereich „Liquidität 2020 managen“ aufgeführten, kurzfristigen Kostensenkungsmaßnahmen eine wichtige Rolle.
Nun sind nicht alle Marktteilnehmer in gleichem Maße von der Krise betroffen. Unternehmen, die in der Vergangenheit ausreichend Rücklagen gebildet haben oder etwa vorausschauend in digitale Geschäftsmodelle, Online-Vertrieb oder in digitale Infrastruktur investiert haben, stehen heute robuster da. Für sie ergeben sich durch die Krise zusätzliche strategische Optionen: Etwa die vertikale Integration von „angeschlagenen“ Lieferanten zur Risikoabsicherung von globalen Lieferketten. Oder die Investition in digitale Geschäftsmodelle/Zusatzleistungen zur Abrundung der Gesamtstrategie. Übernahmen nicht ausgeschlossen. Es bleibt spannend.
Autor: Georg Bach, Managing Director Central Europe bei The Hackett Group, Frankfurt am Main