Die Stimmung bei den professionellen Immobilienmarktteilnehmern in Deutschland ist seit Jahren gut – daran wird sich auch 2016 nichts ändern.
In der jährlichen Trendumfrage von EY Real Estate bestätigen das beachtliche 95% der Teilnehmer, die sich unter anderem aus den Bereichen Banken, Private Equity-Fonds, Immobilienvehikel und Wohnungsgesellschaften zusammensetzen. „Wir denken dennoch, dass der Höhepunkt des Transaktionszyklus allmählich erreicht ist“, sagt Christian Schulz-Wulkow. Er ist Partner und Leiter des Immobiliensektors bei EY und hat die Trendumfrage konzipiert. Seit 2009 ist das Transaktionsvolumen in Deutschland im Aufwärtstrend: Im Jahr 2015 erreichte das Volumen der Immobilientransaktionen (Wohn- und Gewerbeimmobilien) in Deutschland mit 79 Mrd. € einen neuen Rekordwert.
Angebot als limitierender Faktor
Für das Jahr 2016 rechnet EY allerdings mit einem Rückgang des Transaktionsvolumens auf 62 bis 65 Mrd. €. „Viele Marktteilnehmer sehen einen weiteren Anstieg des Transaktionsvolumens. Auch wir gehen zwar davon aus, dass die Nachfrage weiter hoch bleiben wird“, so Schulz-Wulkow, „aber das Angebot wird ein limitierender Faktor sein. Lediglich Großübernahmen im Wohnimmobilienbereich hätten das Potenzial, das Transaktionsvolumen in ähnliche Größenordnungen wie im Jahr 2015 zu heben.“
Rund 85% der Befragten rechnen damit, dass sich das Angebot verknappen wird, vor allem das Angebot an Immobilien, die ein vergleichsweise geringes Risiko aufweisen und zu angemessenen Preisen erworben werden können. Denn der Umfrage zufolge könnten die Preise in den stark nachgefragten zentralen Lagen (Core) in den Top-7-Städten überhitzen. Rund 80 Prozent der Befragten rechnen damit – bezogen auf alle Nutzungsklassen. Je nach Segment dürften die Kaufpreise nicht nur in Top-Lagen, sondern auch darüber hinaus steigen. Das Bürosegment ist ein Beispiel. Sowohl in A- (63%) als auch in B-Lagen (57%) rechnet die Mehrheit der Befragten mit weiteren Preissteigerungen. Eine besondere Preisdynamik dürfen auch Hotelimmobilien in Bestlagen erwarten: Während hier im vergangenen Jahr nur 24% von steigenden Preisen ausgingen, sind es in diesem Jahr 56%.
Mehr spekulative Projektentwicklungen erwartet
Eine Folge könnten mehr Projektentwicklungen sein, auch spekulative im gewerblich genutzten Immobiliensegment. „In der aktuellen Marktphase ist eine nennenswerte Vermietung vor Fertigstellung oft nicht mehr erforderlich“, sagt Schulz-Wulkow. Beachtliche 81% der Befragten erwarten gar eine spürbare Zunahme spekulativer Projektentwicklungen. Im vergangenen Jahr waren es nur 62%. Der Markt scheint also offen für neue Projekte. Allerdings geben auch 77% der Befragten zu bedenken, dass die technische Inbetriebnahme von Bauleistungen ein zunehmender Risikofaktor der Projektentwicklung ist – zumindest für komplexe Großprojekte. Dennoch: „Die Nachfrage weitet sich von Core-Immobilien aus und umfasst immer häufiger auch Projektentwicklungen oder sonstige Investments mit Wertsteigerungspotenzial, das erst noch gehoben werden muss“, so Schulz-Wulkow. Mit der Nachfrage steige die Risikobereitschaft, wobei die meisten Marktteilnehmer nach wie vor mit Augenmaß agierten.
Alternative im Niedrigzinsumfeld
Die steigende Nachfrage erklärt sich über unterschiedliche Faktoren. „Die Immobilie ist eine der wenigen Alternativen zur festverzinslichen Anlage“, sagt Paul von Drygalski. Er ist Executive Director bei EY Real Estate und ebenfalls für die Studie verantwortlich. „Sie profitiert vom Niedrigzinsumfeld.“ Daran dürfte sich in diesem Jahr wenig ändern. Eine spürbare Zinswende bleibt 2016 nach Meinung von fast allen Befragten (92%) aus. Darüber hinaus dürften aber auch die weltpolitischen Instabilitäten bei der Preisfindung eine Rolle spielen. Dieser Auffassung sind 56% der Befragten – im vergangenen Jahr waren es nur 44%. „Natürlich gibt es auch in Deutschland Fragezeichen, aber das Land ist im internationalen Vergleich wirtschaftlich und politisch stabil.“ Das wiederum ziehe Immobilienkapital aus dem Ausland an (unter anderem aus Asien), wodurch die Nachfrage und damit die Preise weiter stiegen. „Umgekehrt zieht es deutsche Immobilienanleger aber auch schon länger wieder ins Ausland“, sagt von Drygalski. Rund acht von zehn Befragten bestätigten das Auslandsinteresse. Dabei seien auch Länder wie Italien und Spanien als Zielländer – zumindest partiell – wieder attraktiv.
B-Standorte rücken in den Fokus
Berlin ist für Investitionen in Büroimmobilien der attraktivste Standort. Nachdem sich im Vorjahr insgesamt 16% der Umfrageteilnehmer für die Hauptstadt ausgesprochen haben, hat sich dieser Wert im aktuellen Trendbarometer auf 17% erhöht. Dicht dahinter folgt München mit 16% (2015: 17%). Auch bei den Wohnimmobilien bleibt die Hauptstadt trotz eines leichten Rückgangs des Anteils von 21 auf 16% deutlich im Investmentfokus der Umfrageteilnehmer. „Auffällig ist hierbei, dass Städte wie Leipzig und Dresden zunehmend als attraktive Standorte wahrgenommen werden und mit insgesamt elf Prozent teilweise über dem Anteil einiger Top-7-Standorte liegen“, sagt Schulz-Wulkow. Im Einzelhandelssegment dagegen steht im Jahr 2016 Hamburg an erster Stelle, wenngleich sich der Anteil der Investoren mit dem Fokus auf dortige Handelsimmobilien von 17 Prozent im letzten Jahr auf nunmehr 14% verringert hat. Mit Berlin, Düsseldorf und München stehen gleich drei Topstandorte auf dem zweiten Platz; Frankfurt folgt mit einem Anteil von 10% dahinter.
Auswirkungen der Zuwanderung auf den Immobilienmarkt
In der Wohnungswirtschaft spielen in diesem Jahr zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: Da ist zum einen die Zuwanderung durch Flüchtlinge. Rund 83% der Befragten stellen fest, dass der Zuzug von Flüchtlingen die deutsche Immobilienwirtschaft wesentlich beeinflusst. So seien Containerdörfer teilweise teurer als langfristig nutzbare Neubauten. „Es muss nicht für die Ewigkeit gebaut werden, aber Container und Sporthallen können nur Übergangslösungen sein“, so von Drygalski.
Das zweite große Thema der Wohnungswirtschaft ist die Mietpreisbremse. Sie habe ihren Zweck bislang verfehlt. „Die jeweiligen Berechnungsgrundlagen erscheinen mangelhaft“, bestätigen auch 95 Prozent der Befragten. „Kommunen, die auf die Mietpreisbremse setzen wollen, sollten mit Klageverfahren rechnen“, meint von Drygalski. „Statt den Mangel zu regulieren, muss preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden. Nach jüngsten Schätzungen und unter Berücksichtigung der Zuwanderung werden über 400.000 Wohnungen jährlich benötigt.“
(Presemitteilung EY vom 13.01.2016)