Im Spätsommer sah es noch danach aus, als ob der deutsche Emissionsmarkt zum Jahresende an Fahrt aufnehmen könnte. Die Hoffnungen auf ein starkes Schlussquartal haben sich jedoch nicht erfüllt: Im vierten Quartal wagte sich kein einziges Unternehmen an die Frankfurter Börse. Es ist der enttäuschende Jahresausklang für ein schwaches IPO-Jahr, in dem es insgesamt nur zu drei Erstnotizen (Vorjahr: 4) auf dem Frankfurter Parkett kam. Auch das Gesamtvolumen der Börsengänge lag mit 1,9 Milliarden Euro deutlich unter dem Wert des Vorjahres (9,4 Milliarden Euro), als der Porsche-Börsengang die IPO-Bilanz für 2022 kräftig aufpolierte.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Deutschland vierteljährlich die Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen von Unternehmen an der Börse Frankfurt erfasst.
In diesem Umfeld wagten sich insgesamt nur drei Unternehmen an die Börse. Schott Pharma legte mit einem Emissionsvolumen von 935 Millionen Euro den größten Börsengang des Jahres 2023 hin, gefolgt von Thyssenkrupp Nucera (605 Millionen Euro) und dem Internetdienstleister IONOS (389 Millionen Euro).
Allzeithoch im DAX kam zu spät für weitere IPOs in Q4
Im Laufe des vierten Quartals erholte sich das Aktienmarktumfeld langsam. Der Grund: Investor:innen gehen davon aus, dass angesichts der inzwischen deutlich geringeren Inflationsraten keine weiteren Zinsschritte der großen Zentralbanken mehr folgen und bald bereits wieder Zinssenkungen bevorstehen. Diese Entwicklung ließ den DAX Anfang Dezember auf ein Rekordhoch steigen.
Dabei hatte das vierte Quartal vielversprechend begonnen: Der Rüstungskonzern Renk hatte seine Erstnotiz für Oktober anberaumt. Nachdem sich die Märkte und die Vergleichsunternehmen zu diesem Zeitpunkt aber sehr ungünstig entwickelten, legte das Unternehmen den Börsengang kurzfristig auf Eis. Nach dieser Absage traute sich im Schlussquartal kein weiterer Börsenkandidat mehr, das Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Rekordtief bei den Kapitalerhöhungen
Auch in Sachen Kapitalerhöhungen markiert das vierte Quartal das Ende eines insgesamt schwachen Jahres: Anzahl und Volumen der Kapitalerhöhungen lagen im Gesamtjahr 2023 deutlich unter den Werten des Vorjahres: Nur 22 Unternehmen besorgten sich auf diesem Weg frisches Geld an der Börse (Vorjahr: 27). Das Volumen der Kapitalerhöhungen lag mit 2,9 Milliarden Euro deutlich unter dem Wert des Vorjahres (14,9 Milliarden Euro).
Die größte von insgesamt vier Kapitalerhöhungen im Schlussquartal gelang Hensoldt: Der Rüstungskonzern will mit den Nettoemissionserlösen aus der Transaktion in Höhe von 241 Millionen Euro die Kosten für die Akquisition der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH teilweise decken. Die größte Kapitalerhöhung im Gesamtjahr 2023 konnte Siemens Energy (1,3 Milliarden Euro) platzieren.
Spreads bei den Fremdkapitalemissionen stabilisieren sich
Bei den Fremdkapitalemissionen gab es ein paar wenige Lichtblicke: Trotz eines schwachen Schlussquartals haben sich sowohl das Emissionsvolumen als auch die Anzahl der Fremdkapitalemissionen für Investment Grade Bonds im Verlauf des Jahres 2023 im Vergleich zu 2022 deutlich erholt. Das Emissionsvolumen stieg von 53,3 auf 70,3 Milliarden Euro und die Anzahl der Emissionen von 59 auf 72.
Bei den Fremdkapitalemissionen im High-Yield-Bereich sorgte das Schlussquartal ebenfalls für einen Dämpfer: Nachdem sich in den ersten drei Quartalen 2023 deutliche Zeichen der Erholung zeigten, kamen die Aktivitäten im vierten Quartal 2023 praktisch zum Erliegen. Die Börse Frankfurt registrierte in diesem Segment lediglich zwei Emissionen mit einem Gesamtvolumen von 18 Millionen Euro.
Die Anzahl der Emissionen im High-Yield-Segment 2023 stieg insgesamt von 12 auf 19, auch wenn das Emissionsvolumen auf dem sehr niedrigen Niveau des Vorjahres verharrte (7,7 Milliarden Euro im Jahr 2022 vs. 8,0 Milliarden Euro in 2023). Immerhin haben sich die Spreads sowohl im Investment Grade als auch im High-Yield-Bereich nach einem sehr volatilen Vorjahr deutlich stabilisiert.
Zuversicht für 2024: Schwerpunkt auf der ersten Jahreshälfte
Stephan Wyrobisch, PwC-Experte für Kapitalmarkttransaktionen, ist zuversichtlich, dass die Zahl der Börsengänge in Frankfurt im Jahr 2024 zweistellig ausfallen könnte ‒ sofern die Märkte mitspielen. Er sieht den Schwerpunkt auf der ersten Jahreshälfte, denn spätestens ab dem Sommer steht mit den Präsidentschaftswahlen in den USA ein politisches Großereignis an, das auch weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte. „Ich gehe davon aus, dass Unternehmen ihre Börsenpläne eher in der ersten Jahreshälfte 2024 durchziehen werden, anstatt auf das Herbstfenster zu warten, das mitten in die heiße Wahlkampfphase in den USA fällt“, so Wyrobisch.
(PwC vom 18.12.2023 / RES JURA Redaktionsbüro)