Familienunternehmen in der DACH-Region fürchten eine Vertrauenskrise – ausgerechnet bei den zwei Stakeholder-Gruppen, von deren Vertrauen sie am stärksten abhängig sind. Besonders hoch ist der „Trust Gap“ bei den Mitarbeitenden: 95 % der Unternehmen im deutschsprachigen Raum sagen, dass sie das Vertrauen dieser Gruppe brauchen, doch lediglich 49 % sind sich dessen sicher. Eine hohe Diskrepanz zeigt sich ebenso bei den Konsument:innen: 96 % der Unternehmen wissen, wie wichtig das Vertrauen dieser Zielgruppe ist, aber nur 54 % glauben, es zu besitzen. Das sind zentrale Ergebnisse des elften Global Family Business Survey unter dem Titel „Transform to build trust“. Für die Studie hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC rund 2.000 Familienunternehmen aus 82 Ländern befragt, darunter 172 aus der DACH-Region (aus Deutschland: 115 Teilnehmende).
Vertrauenslücke liegt bei fast 50 %
„Die Vertrauenslücke liegt bei fast 50 % – dieses Ergebnis muss Familienunternehmen aufrütteln, denn gerade sie gelten eigentlich als äußerst vertrauenswürdig im Vergleich zu börsennotierten oder privat geführten Unternehmen. Das belegt jedenfalls das alljährliche Edelman Trust Barometer. Wenn Familienunternehmen Vertrauen wiedergewinnen möchten, müssen sie dringend gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, gerade in Zeiten, in denen viele Organisationen an Vertrauen verlieren. Damit stärken sie auch ihre Profitabilität, denn Glaubwürdigkeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor“, so Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC Deutschland.
Top-Ziele: Kundenzufriedenheit und Mitarbeitergewinnung
Offenbar sehen die Unternehmen durchaus den Handlungsbedarf: Sie haben die Kundenzufriedenheit und die Gewinnung sowie Bindung von Talenten zu ihren Top-Zielen erklärt – noch vor der langfristigen Wertgenerierung für Gesellschafter:innen oder der kurzfristigen Gewinnmaximierung. Doch die Unternehmen ziehen nicht die richtigen Schlussfolgerungen, um diese Ziele auch zu erreichen.
Unternehmen vernachlässigen wichtige Zukunftsthemen wie ESG
Gerade bei den wichtigsten Zukunftsthemen haben Familienunternehmen in der DACH-Region großen Nachholbedarf. Insbesondere die Schwerpunkte Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung gewinnen unter den Stakeholdern – vor allem unter den jüngeren Konsument:innen und Mitarbeitenden – an Bedeutung, haben in den Unternehmen aber noch nicht die nötige Priorität. Das Thema ESG (Environmental Social Governance) haben lediglich 6 % der Unternehmen im deutschsprachigen Raum zur Top-Priorität erklärt, während es weltweit immerhin 10 % sind. Dazu passt auch, dass nur 14 % der Befragten im DACH-Raum über eine klare ESG-Strategie verfügen. Dieses Ergebnis ist umso überraschender, als 66 % der DACH-Familienunternehmen davon überzeugt sind, dass sie bei ESG-Themen eine Vorreiterrolle einnehmen können.
Familienunternehmen müssen stärker Stellung beziehen
Um das Vertrauen ihrer Kunden wie Mitarbeitenden zu stärken, sollten sich die Unternehmen stärker auf Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung konzentrieren und ihre Aktivitäten offensiver nach außen kommunizieren. Auch bei wichtigen gesellschaftlichen Themen sind die Unternehmen zu zurückhaltend: Lediglich 15 % beziehen öffentlich Stellung. „Den Grundsatz ,Tue Gutes und rede darüber‘ haben Familienunternehmen noch immer nicht verinnerlicht“, mahnt Rittmann. „Von Unternehmern wird mittlerweile auch erwartet, sich zu gesellschaftlich wichtigen Themen klar zu positionieren. Und zwar offensiv. So leisten sie ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirken dem Verlust von Glaubwürdigkeit entgegen, der momentan auch andere Institutionen wie die Politik betrifft. Das ist aus meiner Sicht der Weg aus der Vertrauenskrise. Hidden war gestern.“
Drei Viertel verzeichnen ein Wachstum für 2022
Aus wirtschaftlicher Sicht blicken die Unternehmen durchaus zufrieden auf das vergangene Geschäftsjahr: 77 % der Familienunternehmen in der DACH-Region können ein Wachstum verzeichnen – davon 39 % sogar im zweistelligen Bereich – und liegen damit über dem globalen Schnitt (71 %). Besonders erfolgreich waren die deutschen Familienunternehmen, von denen 81 % gewachsen sind.
Der Blick in die Zukunft fällt allerdings angesichts der Gefahr einer globalen Rezession spürbar pessimistischer aus. Für die kommenden zwei Jahre rechnen nur noch 66 % mit einem Wachstum und 33 % mit einer Konsolidierung.
(pwc vom 19.07.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)