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15.11.2018

Finanzstabilitätsbericht: Deutsches Finanzsystem verwundbar

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© Eisenhans/fotolia.com

Im deutschen Finanzsystem haben sich nach Einschätzung der Bundesbank in der langen Phase hohen Wachstums und niedriger Zinsen Verwundbarkeiten aufgebaut. Wie es im Finanzstabilitätsbericht 2018 der Bundesbank heißt, könnte eine unerwartete starke Eintrübung der wirtschaftlichen Lage diese Verwundbarkeiten offenlegen und Ansteckungseffekte im Finanzsystem einen konjunkturellen Abschwung verstärken. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios hat sich nach Auffassung der Bundesbank erhöht.

„Jetzt ist es an der Zeit, ausreichende Puffer aufzubauen und das Immunsystem des Finanzsystems zu stärken“, sagte Vizepräsidentin Claudia Buch bei der Vorstellung des Berichts.

In guten Zeiten ausreichend vorsorgen

Laut Bundesbank bestehen die Verwundbarkeiten wie in den vergangenen Jahren insbesondere darin, dass die Marktteilnehmer Kreditrisiken unterschätzen oder Vermögenswerte und die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten überschätzen könnten. Außerdem bestehe das Risiko von Zinsänderungen, heißt es im Bericht. „Gerade in wirtschaftlich guten Zeiten kann die Wahrscheinlichkeit von künftig schlechteren Entwicklungen unterschätzt und eine ausreichende Vorsorge vernachlässigt werden“, sagte die Vizepräsidentin, die im Vorstand der Bundesbank für den Bereich Finanzstabilität zuständig ist.

Aus Sicht der Bundesbank sind die Abwärtsrisiken für die konjunkturelle Entwicklung gestiegen. Die geopolitischen Risiken haben zugenommen und Handelskonflikte könnten gerade die international verflochtene deutsche Wirtschaft empfindlich treffen. Immer noch unklar sei, wie das Vereinigte Königreich die EU verlassen werde. Sollten diese Abwärtsrisiken eintreten, könnten damit einhergehende negative Auswirkungen durch die bestehenden Verwundbarkeiten im Finanzsystem noch verstärkt werden.

Ein unerwartet starker Konjunktureinbruch dürfte nach Einschätzung der Bundesbank-Fachleute mit einer erheblichen Korrektur der Vermögenspreise verbunden sein. Er würde damit mehrere der genannten Verwundbarkeiten gleichzeitig offenlegen. So würden steigende Verluste durch Kreditausfälle und eine erhöhte Risikovorsorge damit einhergehen, dass Vermögenstitel und Kreditsicherheiten an Wert verlieren. Verluste würden die freien Eigenkapitalpuffer der Banken mindern, so Buch. Banken müssten zudem mehr Eigenkapital aufbringen, um die regulatorischen Vorschriften oder Anforderungen des Marktes zu erfüllen. Kurzfristig könne dies nur über eine Einschränkung der Kreditvergabe möglich sein, sodass ein konjunktureller Abschwung verstärkt werden könnte.

Abwehrkräfte entscheidend

Ob und wie stark ungünstige makroökonomische Entwicklungen durch das Finanzsystem verstärkt werden, hänge entscheidend von dessen Abwehrkräften ab, heißt es im Bericht. „Somit ist es positiv, dass die Banken seit der Finanzkrise deutlich mehr Eigenkapital aufgebaut haben – auch dank einer strengeren Regulierung inklusive der Einführung von Kapitalpuffern für systemrelevante Banken“, erklärte Joachim Wuermeling, im Vorstand der Bundesbank zuständig für Banken und Finanzaufsicht, bei der Vorstellung des Berichts. Deutschland habe widerstandsfähige Banken, dies schließe aber Risiken für die Finanzstabilität nicht aus. Sollten bei einem Abschwung Risiken etwa aus Kreditausfällen, Neubewertungen von Vermögenspositionen und Zinsänderungen gleichzeitig eintreten, könnten die bestehenden Puffer nicht ausreichen. „Wir fordern daher die Banken auf, nicht nachzulassen in den Anstrengungen, ihr Eigenkapital weiter zu stärken“, sagte Wuermeling.

Vermögenswerte und Kreditsicherheiten überbewertet

Nach Einschätzung der Bundesbank sind die Bewertungen an den Vermögensmärkten weiterhin hoch. Ein starker Konjunkturabschwung könnte dazu beitragen, dass die Preise für Immobilien, Aktien oder Anleihen sinken. Aktuell geht die Bundesbank davon aus, dass die Preise für Wohnimmobilien in deutschen Städten zwischen 15 und 30 Prozent überbewertet sind. Dennoch sieht Vizepräsidentin Buch derzeit keinen akuten Handlungsbedarf für den Einsatz makroprudenzieller Instrumente speziell am Wohnimmobilienmarkt. Das Kreditwachstum entwickele sich im längerfristigen Vergleich noch unterdurchschnittlich und es gebe keine starken Anzeichen für nachlassende  Kreditvergabestandards. Risiken könnten sich laut Buch vor allem aus einer Überschätzung des Wertes von Sicherheiten für Immobilienkredite ergeben. Nach wie vor sei die Datenlage in Deutschland zum Wohnimmobilienmarkt aber unzureichend, es fehlten verlässliche und differenzierte Informationen zur Einschätzung der Risikolage.

Zinsänderungsrisiken

Bei einem unerwarteten Konjunkturabschwung könnte die Zinsentwicklung Verwundbarkeiten verstärken. Die Banken haben laut Bundesbank in den vergangenen Jahren vermehrt Kredite mit längeren Laufzeiten und Zinsbindungen ausgegeben. So hätten beispielsweise mittlerweile 45 Prozent der neu vergebenen Wohnimmobilienkredite an private Haushalte eine Zinsbindungsdauer von über zehn Jahren, erläuterte Buch. Ein abrupter Zinsanstieg könne viele Institute gleichzeitig unter Druck setzen. Davon wären vor allem kleine und mittelgroße Institute betroffen, die ihre Fristentransformation in den vergangenen Jahren teils deutlich ausgeweitet haben. Blieben hingegen die Zinsen noch lange niedrig, würden die Anreize zu risikoreichen Anlagestrategien bestehen bleiben. Andere Teile des Finanzsystems – Versicherer oder Fonds – wären nach Einschätzung der Vizepräsidentin ähnlich betroffen und könnten keinen Ausgleich schaffen.

Handlungsbedarf aus makroprudenzieller Sicht

Aus dem Zusammenspiel von Kredit-, Immobilien- und Zinsrisiken ergibt sich Buch zufolge Handlungsbedarf aus makroprudenzieller Sicht. „Gerade wirtschaftlich gute Zeiten ermöglichen es, dass ausreichende Abwehrkräfte gegenüber unerwarteten Entwicklungen aufgebaut werden“, unterstrich die Bundesbankvizepräsidentin. Dadurch könnten mögliche Ansteckungseffekte innerhalb des Finanzsystems und auf die Realwirtschaft begrenzt werden. Ziel der makroprudenziellen Politik sei es, Gefahren für die Finanzstabilität rechtzeitig entgegenzuwirken, um die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems zu schützen. Der makroprudenziellen Politik stünden Instrumente wie Warnungen und Empfehlungen oder Kapitalpuffer zur Verfügung, erklärte sie. Laut Buch wird derzeit diskutiert, ob ein antizyklischer Kapitalpuffer wie in anderen Ländern eingeführt werden sollte. In Phasen des Aufbaus zyklischer Risiken wie derzeit würden Banken dann zusätzliche Kapitalpuffer aufbauen. Im Krisenfall könnten Banken die Puffer dazu nutzen, um Verluste abzufedern. Mit Blick auf den Wohnimmobilienmarkt bekräftigte die Vizepräsidentin der Bundesbank, dass eine Verbesserung der Datenlage weiter erforderlich bleibe.

(Pressemitteilung Deutsche Bundesbank vom 14.11.2018)


Redaktion

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