Sinkende Preise in fast allen Nutzungsarten erwartet
Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der darauf folgenden Energiekrise, der Inflation sowie dann notwendigen Zinsanhebungen erlebe man auch am Immobilienmarkt eine Zeitenwende. Die Vorzeichen hätten sich fundamental gedreht: Die Studienautoren beobachten nicht nur teils eingefrorene Transaktionsmärkte, sondern auch sinkende Preise über die meisten Nutzungsarten und Lagen hinweg.
Deutschland ist der EY-Analyse zufolge von diesem Paradigmenwechsel in besonderem Maße betroffen und büßt Attraktivität ein: So hat der Anteil derer, die den deutschen Immobilienmarkt als unattraktiver als zuvor einstufen, im Vergleich zum Vorjahr deutlich von 4 auf nun 36% zugenommen.
Mit Ausnahme Logistik überall sinkende Preise erwartet
In allen Nutzungsarten außerhalb der Logistik – also bei Büro-, Einzelhandels-, Hotel- und sogar Wohnimmobilien – erwarten die Umfrageteilnehmer mehrheitlich sinkende Preise. Lediglich bei Logistikimmobilien geht eine knappe Mehrheit der Investoren noch von stabilen Preisen aus. Jedoch wird auch hier kaum mehr eine positive Preisentwicklung erwartet. Die meisten Investoren erachten die Diskrepanz der Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern als das entscheidende Hemmnis für Transaktionen – noch vor Unklarheiten über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oder ESG-Risiken.
In Erwartung sinkender Preise warten potenzielle Käufer lieber ab, während Verkäufer auf das gewohnte Preisniveau bestehen, erklären die Autoren der Studie. Dieses Phänomen lähme den Transaktionsmarkt in Krisenzeiten seit jeher, dies sei jedoch erfahrungsgemäß vorübergehend. So erwarten rund zwei Drittel der Befragten, dass sich Käufer und Verkäufer noch im laufenden Jahr wieder auf eine gemeinsame Preisbasis verständigen werden.
Zinsentwicklung wieder relevanter als Klimawandel oder Digitalisierung
In besonderem Maße leidet der Neubau unter den neuen Rahmenbedingungen. Fast alle Befragten (99%) stimmen der Aussage zu, dass diese die Neubauaktivitäten beeinträchtigen. Auch der Immobilienfinanzierungsmarkt ist stark betroffen: Jeweils eine Mehrheit der Investoren sieht erschwerte Anschlussfinanzierungen (99%), einen zunehmenden Eigenkapitalbedarf (94%), häufigere Kreditausfälle (89%), ein weiter steigendes Zinsniveau (88%) und ein in diesem Jahr geringeres Neugeschäftsvolumen (83%).
Zinsentwicklung und demografischer Wandel bedeutendste Megatrends
Auch bei den prägendsten Megatrends hat sich etwas verschoben: Die Zinsentwicklung und der demografische Wandel lösen die noch im vorigen Jahr relevantesten Trends Digitalisierung und Klimawandel ab. So leidet nach Ansicht von rund drei Vierteln der Umfrageteilnehmer auch der Proptech-Sektor besonders unter der allgemeinwirtschaftlichen Situation.
Die Zinsentwicklung ist als Megatrend mit Macht wieder aufs Tableau getreten und dominiert derzeit alles in der Immobilienwirtschaft, stellen die Autoren der Studie fest. Umso wichtiger sei es jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren, dabei die anderen Herausforderungen, etwa im Bereich der nachhaltigen Transformation, nicht aus den Augen zu verlieren und den begonnenen Weg weiterzugehen.
Steigende Energiekosten forcieren Energieeffizienz im Gebäudesektor
Knapp neun von zehn Befragten sind der Meinung, dass die hohen Energiekosten Anreize zur energetischen Transformation des Gebäudebestandes setzen. Über 60% gehen davon aus, dass die Energiekosten die Liquidität von Bestandshaltern gefährden werden, und 91% der Investoren erwarten, dass in diesem Jahr vermehrt restrukturierungsbedürftige Immobilien zum Erwerb angeboten werden.
Der Analyse zufolge erzeugt die Energiekrise immensen Druck auf der Kostenseite und verschärft die Notwendigkeit der energetischen Sanierung im Gebäudesektor ungemein. Der Immobilienwirtschaft bietet sich nun die Chance, die Implementierung und vor allem die Umsetzung von ESG-Strategien von der Not zur Tugend zu erheben und damit in unserer krisenbehafteten Zeit einen enorm wichtigen Beitrag zu leisten, so die Einschätzung der Studienautoren.
Allerdings gaben auch 88% der Befragten an, dass gezielte „Manage-to-Green“-Strategien durch fehlende Erfahrungswerte und Benchmarks erschwert werden. Zudem kennen fast 60% die Taxonomie-Konformitätsquote ihres Portfolios nicht. Folgerichtig meinen 90% der Umfrageteilnehmer, dass die ESG-Due-Diligence künftig wesentlicher Teil der Ankaufsprüfung wird.
Sinkender Flächenverbrauch bei Wohnimmobilien, steigende Auslastung von Büroimmobilien erwartet
Im Segment der Wohnimmobilien erwarten 81% der Investoren eine Trendumkehr: So könnten die steigenden Nebenkosten zukünftig zu einem geringeren Flächenverbrauch pro Kopf führen. Im Bürosegment sehen die Befragten trotz erschwerter Marktbedingungen auch einen positiven Trend: So könnten die hohen Energiekosten nach Ansicht von 60% der Umfrageteilnehmer dazu führen, dass Mitarbeitende wieder regelmäßiger im Büro arbeiten.
Für das Einzelhandelssegment erwarten 92% der Befragten angesichts steigender Verbraucherpreise, sinkender Kaufkraft und hoher Energiekosten Insolvenzen im Non-Food-Bereich. Das Hotelimmobiliensegment wird nach Prognose von 96% der Investoren weiter erheblich unter dem Fachkräftemangel leiden.
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(Pressemitteilung EY vom 12.01.2023)