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10.06.2025

Industriekrise verschärft sich: 101.000 Jobs in einem Jahr verloren

Der deutsche Industrie geht die Puste aus: Trotz leichter Stabilisierung bei den Umsätzen beschleunigt sich der Jobabbau – besonders in der Autoindustrie.

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© djvstock/fotolia.com

Der Abwärtstrend hält an: Der Umsatz deutscher Industrieunternehmen sank im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,2 %. Besonders schwach entwickelte sich die Gummi- und Kunststoffindustrie, deren Umsatz um 3,1 % schrumpfte. Die Textil- und Bekleidungsindustrie verzeichnete einen Umsatzrückgang um 2,0 %, der Maschinenbau und die Autoindustrie um 0,8 bzw. 0,7 %.

100.000 Industriejobs binnen eines Jahres verloren gegangen

Angesichts der anhaltenden Industrierezession beschleunigt sich der Stellenabbau in der deutschen Industrie: Die Zahl der Beschäftigten lag zum 31.03. dieses Jahres 1,8 % niedriger als zwölf Monate zuvor. Binnen eines Jahres wurden damit in der deutschen Industrie etwa 101.000 Stellen abgebaut. Seit dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 schrumpfte die Zahl der Beschäftigten unterm Strich sogar um 217.000 – ein Rückgang um 3,8 %.

Autoindustrie am stärksten betroffen

Den stärksten Beschäftigungsabbau verzeichnet aktuell die Automobilindustrie, wo binnen eines Jahres knapp 6 % der Stellen bzw. etwa 45.400 Jobs abgebaut wurden – fast jeder zweite verloren gegangene Industriejob entfiel also auf die Autoindustrie. Das sind Ergebnisse des aktuellen EY-Industrie-Barometers. Die Studie analysiert die Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Industrie und wichtigen Industriebranchen. Basis der Analyse sind Rohdaten, die vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt werden.

Die Unsicherheiten in der Weltwirtschaft nehmen zu

Dass der Industrieumsatz in Deutschland im ersten Quartal nur noch um 0,2 % gesunken sei, bedeute nicht, dass die Krise bald überwunden sei, sagt Jan Brorhilker, Managing Partner des Geschäftsbereichs Assurance von EY in Deutschland: „Das erste Quartal sagt wenig über den weiteren Jahresverlauf aus. Zum einen gab es im US-Geschäft Vorzieheffekte – also vorgezogene Exporte, um den angekündigten hohen Einfuhrzöllen zu entgehen. Dieses Mehrgeschäft wird im zweiten Quartal fehlen. Zum anderen bringt der US-chinesische Handelskonflikt auch Kollateralschäden für deutsche Unternehmen mit sich. Und es ist derzeit völlig unklar, wie stark das für die deutsche Industrie so wichtige US-Geschäft unter den US-Zöllen tatsächlich leiden wird. Sicher ist nur eines: Die Unsicherheiten in der Weltwirtschaft nehmen zu – und damit sinkt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. In einem solchen Umfeld ist kaum mit Wachstum zu rechnen.“

Exportmärkte stabil

Im ersten Quartal entwickelte sich unter den großen Exportmärkten der deutschen Wirtschaft der US-Markt überdurchschnittlich gut: Die Ausfuhren deutscher Waren in die USA legten gegenüber dem Vorjahr um 3 % zu. Der hinter den USA zweitwichtigste Exportmarkt Frankreich schrumpfte hingegen um 5 %. Besonders stark gingen allerdings die Exporte nach China zurück: um 15 %. In Summe stieg der Umsatz, den deutsche Industrieunternehmen mit ausländischen Abnehmern erwirtschaftete, im ersten Quartal um 0,7 % – was maßgeblich auf die gute Entwicklung der Exporte in die USA zurückzuführen ist. „Immerhin: Erstmals seit dem zweiten Quartal des Jahres 2023 sind die Ausfuhren der deutschen Industrie im ersten Quartal wieder leicht gestiegen, nachdem sie zuvor sechs Quartale in Folge gesunken waren“, betont Brorhilker. „Aber noch ist es zu früh, daraus eine positive Trendwende abzuleiten.“

Stellenabbau beschleunigt sich

Obwohl der Umsatzrückgang der deutschen Industrie sich im ersten Quartal im Vergleich zu den Vorquartalen deutlich verlangsamt hat, hält der Negativtrend bei der Beschäftigung an und verstärkt sich sogar. Dabei ist der Stellenabbau in der Automobilindustrie besonders massiv: Allein im vergangenen Jahr gingen in der deutschen Autoindustrie etwa 45.400 Jobs verloren, seit dem Vorkrisenjahr 2019 sogar knapp 101.000 Jobs, die Zahl der Stellen sank von 835.000 auf zuletzt 734.000.

Brorhilker rechnet damit, dass diese Entwicklung im weiteren Jahresverlauf anhält: „Die deutschen Industrieunternehmen sind aktuell gewaltig unter Druck: Aggressive Wettbewerber etwa aus China drücken die Preise, wichtige Absatzmärkte schwächeln, in Europa stagniert die Nachfrage auf niedrigem Niveau, hinter dem gesamten US-Markt steht ein großes Fragezeichen. Gleichzeitig kämpfen die Unternehmen mit hohen Kosten – etwa für Energie und Personal. Etliche Unternehmen haben lange auf eine Besserung der Lage gehofft und auf einen Personalabbau verzichtet. Inzwischen aber hat sich der Wind gedreht und bei vielen Industrieunternehmen steht ein Stellenabbau in Deutschland weit oben auf der Agenda. Wir befinden uns dabei noch längst nicht am Ende dieser Abbauphase. Das heißt: Im weiteren Jahresverlauf werden noch viele weitere Industriejobs in Deutschland verloren gehen.“ Brorhilker rechnet mit dem Wegfall von mindestens 70.000 Stellen in der Industrie bis zum Jahresende.

Gerade im Maschinenbau und der Autoindustrie hätten führende Unternehmen Kostensenkungsprogramme initiiert, die auch einen deutlichen Stellenabbau zum Ziel hätten, so Brorhilker. „Es führt kein Weg daran vorbei, die Kapazitäten an das nachhaltig schwache Nachfrageniveau anzupassen. Wir werden vorerst noch viele schlechte Nachrichten hören, bevor es wieder aufwärts geht.“

Inlandsnachfrage muss gestärkt werden

Dass es wieder aufwärts geht, bezweifelt Brorhilker allerdings nicht: „Der Industriestandort Deutschland wurde schon oft totgesagt – und hat sich immer wieder dank einer sehr starken Substanz als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen.“ Allerdings müssten sich die Rahmenbedingungen in Deutschland deutlich verbessern, fordert Brorhilker. „Neben den bekannten Kostenaspekten und dem notwendigen Bürokratieabbau geht es darum, die Binnennachfrage zu stärken, denn wir können uns nicht darauf verlassen, dass es immer der Export ist, der die deutsche Wirtschaft rettet.“ Im ersten Quartal lag der Umsatz der deutschen Industrie mit inländischen Kunden um 1,1 % unter dem Vorjahreswert. Hier hofft Brorhilker auf positive Impulse aus dem Investitionsprogramm der neuen Bundesregierung: „Die schwächelnde Inlandsnachfrage hängt auch mit der anhaltenden Investitionszurückhaltung in Deutschland zusammen. Ein deutliches Investitionswachstum könnte wichtige Wachstumsimpulse geben und damit auch dazu beitragen, dass sich die Stimmung in der Industrie insgesamt wieder dreht.“

(EY vom 07.06.2025 / RES JURA Redaktionsbüro – vcd)


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