Das neue Jahr 2024 wird herausfordernd, bietet aber Hoffnung auf Erholung und Aufschwung. Die Kapitalmarktexperten von Berenberg geben einen verhalten optimistischen Ausblick auf die kommenden Monate. „Nach einem schwierigen Jahr 2023 erwarten wir eine sanfte Landung der US-Wirtschaft im ersten Halbjahr 2024, die Fed senkt die Zinsen ab dem 2. Quartal und Anleiherenditen, wie auch der US-Dollar, geben nach“, sagt Prof. Dr. Bernd Meyer, Chefanlagestratege und Leiter Multi Asset im Wealth und Asset Management von Berenberg. Die Aussicht auf einen Aufschwung würden Aktienmärkte und Risikoanlagen unterstützen.
Geopolitik weiterhin spannungsgeladen
Ein Blick auf die globale Situation zeigt, dass die aktuellen geopolitischen Spannungen weiterhin Unsicherheitsfaktoren sind und wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringen. So ist die Prognose einer sanften Landung der US-Wirtschaft im ersten Halbjahr 2024 sowie ein potenzieller Konjunkturaufschwung Europas mit einem nicht zu unterschätzenden Risiko verbunden. Das Szenario einer weichen Landung ist für die Märkte ein schmaler Grat mit Unsicherheiten auf beiden Seiten. „Die jüngst wieder stark verbesserten finanziellen Bedingungen (u.a. niedrigere Anleiherenditen, Risikoprämien, Ölpreise und ein schwächerer US-Dollar) könnten die Landung der US-Konjunktur weiter verzögern und das Narrativ hoher Zinsen für längere Zeit wiederbeleben. Insbesondere da Anleiherenditen in den letzten Wochen sehr stark gefallen sind und die nächsten Inflationszahlen auf Grund von Basiseffekten eher wieder höher als niedriger ausfallen dürften“, so Meyer. „Alternativ dürfte die Welle der hohen (Re)-Finanzierungskosten erst noch auf die Unternehmen, privaten Haushalte und Staaten treffen. Damit könnte die Landung doch weniger sanft werden.“
Sanfte Landung in den USA
Viele Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass sich die US-Konjunktur spürbar abkühlt. „Für die erste Hälfte des kommenden Jahres zeichnet sich eine sanfte Landung ab. Auch wenn die USA vermutlich eine Rezession vermeidet, bedeutet selbst eine sanfte Landung, dass sich das Wachstum für einige Zeit erheblich abschwächt“, erwartet Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt von Berenberg. Speziell für Investitionen, Wohnungsbau und den privaten Verbrauch wird für die kommenden zwei Quartale mit einer Stagnation gerechnet.
Europa: am Tiefpunkt der Konjunktur
Die Perspektive für die europäische Konjunktur ist von zwei sehr unterschiedlichen Kräften geprägt. Zum einen steigen die Einkommen der Verbraucher bei rückläufiger Inflation, einem immer noch weitgehend stabilen Arbeitsmarkt und höheren Lohnzuwächsen bereits seit dem Frühjahr wieder stärker als die Preise. Diese Entwicklung war bereits an der Reisetätigkeit im Sommer zu erkennen. Auf der anderen Seite befindet sich das verarbeitende Gewerbe in einer Rezession. Durch die schwache Weltnachfrage nach Gütern sowie die Lagerkorrekturen sind besonders Exportländer wie Deutschland stark betroffen. Mit dem Ende der ausgeprägten Lieferkettenengpässe im Jahr 2022 hatten viele Unternehmen ihre Lagerbestände nach und nach wieder aufgefüllt. Diese werden nun angesichts der schwächelnden Nachfrage wieder abgebaut. Vorläufig produzieren sie demnach weniger, als sie verkaufen. Experten gehen davon aus, dass das verarbeitende Gewerbe Ende 2023 den Tiefpunkt erreicht haben wird. „Für das kommende Jahr zeichnet sich ein neuer Aufschwung ab. Viele Unternehmen halten sich derzeit angesichts großer Unsicherheiten mit Investitionen zurück. Sobald die Konjunktur nach dem Ende der Lagerkorrektur wieder etwas Tritt gefasst hat, werden sie wieder mehr investieren, um Lieferketten neu zu strukturieren und knappe Arbeitskräfte zu ersetzen“, prognostiziert Schmieding. Es ist zu erwarten, dass die Rückkehr der US-Wirtschaft zu normalem Wachstum die Konjunktur in Europa im kommenden Sommer beschleunigen wird und im zweiten Halbjahr 2024 über eine Wachstumsrate von 1,3 Prozent hinausgeht.
2024: Moderat positives Renditepotenzial
Das globale Wirtschaftswachstum dürfte sich im ersten Halbjahr abschwächen und im Gesamtjahr 2024 etwas schwächer ausfallen als 2023, erwartet Meyer. „Immer noch erhöhte Lohninflation und steigende Refinanzierungskosten der Unternehmen treffen dann auf mit der sinkenden Inflation auch geringeren Preisüberwälzungsspielraum. Das dürfte das Gewinnwachstum limitieren. Wir erwarten, dass die Gewinnmargen bestenfalls stabil bleiben, sodass das Gewinnwachstum bestenfalls dem nominellen Umsatzwachstum entsprechen dürfte. Entsprechend rechnen wir mit einem globalen Gewinnwachstum von vier bis sechs Prozent im Jahr 2024 und damit unterhalb der optimistischen Konsenserwartung von ca. neun Prozent“, ergänzt der Chefanlagestratege. Dennoch: 2025 könnte wieder besser werden. „Die Leitzinsen sinken weiter, die Zinswende 2024 wirkt voll in 2025 – das dürfte der Markt im zweiten Halbjahr 2024 einpreisen“, erwartet Meyer.
Das Basisszenario erwartet für 2024 ein moderat positives Renditepotenzial aller Anlageklassen, also Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Cash. „Anleihen sind mit den deutlich gestiegenen Renditen wieder zu einer attraktiven Assetklasse geworden“, so Meyer. „Die Renditeerwartungen an die verschiedenen Anlagenklassen liegen so nahe beieinander wie lange nicht, so dass eine breite Diversifikation nicht mit Renditennachteilen einhergehen sollte“, führt er weiter aus. Anders als Anlagen in kurzlaufende sichere Anleihen oder Termingeld sollte eine breite Aufstellung über alle Anlageklassen, Segmente und Regionen hinweg in den kommenden fünf bis zehn Jahren eine Rendite generieren, die oberhalb der Inflation liegt und nicht nur den Erhalt des Vermögens gewährt, sondern dessen Steigerung ermöglicht. Darüber hinaus würden Multi-Asset-Ansätze, die stark auf Anlagen mit Sachwertcharakter (Rohstoffe, Aktien) setzen, nicht nur bei überraschender Inflation, sondern auch angesichts der Risiken durch die global steigenden Staatsverschuldungen deutliche Vorteile gegenüber rein nominellen Finanzanlagen bieten, rät der Chefanlagestratege Meyer.
(Berenberg vom 14.12.2023 / RES JURA Redaktionsbüro)