Die von KI-Tools wie ChatGPT ausgelöste Begeisterung weicht einer kritischeren Betrachtung. Für die Unternehmen gewinnen die Einsatzmöglichkeiten und die Praxistauglichkeit der neuen Technologie an Bedeutung, wie eine aktuelle Untersuchung von Deloitte zeigt. Für „State of GenAI in the Enterprise“ werden vierteljährlich knapp 2000 Führungskräfte weltweit befragt hat, davon 150 in Deutschland.
„Die Messung und die Kommunikation von Werten sind für die Einsatzentwicklung der generativen KI in einem Unternehmen von entscheidender Bedeutung“, sagt Dr. Björn Bringmann, Leiter des Deloitte AI Institute in Deutschland. „Auch die Verbesserung der Effizienz und die Senkung der Kosten gehören nach wie vor zu den wichtigsten Vorgaben. Zugleich gibt es eine deutliche Verschiebung hin zu strategischen Zielen wie Wachstum, Innovation, Risikomanagement und Betrugsprävention. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen, die sich auf diese strategischen Ziele sowie auf eine schnellere Systementwicklung konzentrieren, die angestrebten Vorteile eher erreichen als eine Kostensenkung.“
Am weitesten ist die Einführung von künstlicher Intelligenz in Bereichen wie Marketing und Sales sowie im Kundendienst vorangeschritten. Ein Viertel der befragten Firmen in Deutschland hat in diesen Bereichen skalierbare Implementierungen umgesetzt, während dies global nur 14 % der Teilnehmer von sich sagen. Über alle Abteilungen hinweg ist der Einsatz von KI bei Firmen in Deutschland etwas verbreiteter (11%) als im globalen Durchschnitt (8%). In den Funktionen IT/Cyber Security (13%, global: 14%) sowie Legal, Risk und Compliance (5%, global: 4%) sind die Unterschiede geringer.
Vertrauen und Wertschöpfung sind das A und O
Eine rasche Wertschöpfung, vertrauenswürdige Anwendungen und die Weiterbildung von Mitarbeitenden sind die Grundlagen für eine rasche Nutzung und Skalierung generativer KI. Die Erwartungen an künstliche Intelligenz gehen jedoch weit auseinander, umso interessanter der Blick auf tatsächlich umgesetzte Vorteile durch den Einsatz von KI: Hier konstatieren deutsche Unternehmen vor allem eine Beschleunigung und Vereinfachung bei der System- und Softwareentwicklung (64%), deutlich mehr als der globale Durchschnitt (36%). Die Erzeugung von Innovation und Wachstum mittels KI-Tools ist weltweit etwa gleich ausgeprägt (37%, global: 35%), auch bei Betrugsprävention und Risikomanagement liegt Deutschland beim Einsatz von KI-Tools im globalen Durchschnitt.
Bei den weiteren umgesetzten KI-Vorteilen unterscheidet sich Deutschland durchaus gegenüber dem weltweiten Wert: So beobachten deutsche Unternehmen bislang vor allem Benefits durch Umsatzsteigerung (31%) und Verbesserung von Effizienz und Produktivität (29%) durch den Einsatz von KI-Tools, während sich die Firmen im globalen Vergleich eher auf die Suche nach neuen Ideen und Erkenntnissen (30%) sowie eine Verbesserung der Klienten- und Kundenbeziehung (29%) fokussieren.
Suche nach Anwendungsfällen gestaltet sich zäh
Die wahrgenommenen Barrieren bei der Einführung von künstlicher Intelligenz haben sich im Vergleich zur drei Monate vorangegangenen Studie spürbar verschoben: So hat die Besorgnis über die Einhaltung von Vorschriften hat in Deutschland um sechs Prozentpunkte deutlich zugenommen (35%, global: 31%). Der Mangel an Einführungsstrategien macht sich ebenfalls stärker bemerkbar, auch fehlendes Engagement der Geschäftsführung und/oder bei der Finanzierung wird kritischer als bisher gesehen.
Inzwischen gleichauf im weltweiten Vergleich liegen die deutschen Werte für das Hemmnis „unzureichende EDV-Infrastruktur/Infrastruktur/Daten“, die in Deutschland gegenüber dem Vorquartal um vier Punkte auf 13 % gestiegen sind. Mit fünf Prozentpunkten sind auch die Werte für die KI-Barriere „Schwierigkeiten beim Risikomanagement deutlich gestiegen (29%, global 28%). Am auffälligsten jedoch ist der Sprung um zehn Prozentpunkte bei der Hürde „Schwierigkeiten bei der Identifizierung von Anwendungsfällen“. Die Frage, wie und wo sich KI wertschöpfend und -steigernd einsetzen lässt ist, hat die globalen Werte erreicht und benennt die drängendste Herausforderung: Use Cases.
Verlagerung bei Zielen und wahrgenommenen KI-Hürden
Eine Verbesserung zeichnet sich im Bereich Talente ab: Hier sind die KI-Hemmniswerte bezüglich des Mangels an technischen Talenten und Fähigkeiten um fünf Prozentpunkte zurückgegangen (36%), auch das Fehlen von Governance-Modellen wird mit zehn Prozentpunkten inzwischen deutlich weniger kritisch gesehen (20%), was sich aber angesichts gestiegener Werte bei einigen Compliance-nahen Gesichtspunkten (Mangel an Einführungsstrategie, Herausforderungen Risikomanagement, Besorgnis über regulatorische Vorschriften) wieder relativiert. Die Werte bezüglich der Herausforderungen bei der Implementierung zeigen sich unverändert (25%) und liegen unter dem globalen Durchschnitt (29%), auch der kulturelle Widerstand der Mitarbeitenden (21%) wirkt unvermindert stark als KI-Bremse (global 19%).
„In den drei Monaten seit der vorausgegangenen Erhebung scheinen deutsche Unternehmen ihren Einsatz von KI von unmittelbaren Effizienzgewinnen auf strategische Initiativen verlagert zu haben, bei denen Innovation, Wachstum und verbessertes Risikomanagement im Vordergrund stehen“, so Bringmann. „Diese Verlagerung entspricht den globalen Trends und bereitet deutsche Unternehmen auf künftige Fortschritte vor.“
(Deloitte vom 19.07.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)