Geschlossene Läden und ein boomender Onlinehandel, Lieferengpässe und die Forderung der Konsumenten nach mehr Nachhaltigkeit: Die Corona-Pandemie hat den Handel stark beeinflusst – und auch Spuren im Working Capital Management (WCM) der Händler hinterlassen. So ist die Kapitalbindungsdauer der Retail-Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Jahr 2020 im Vergleich zu 2016 um drei Tage gestiegen und lag bei 25 Tagen. Dabei zeigen sich eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren: Während der digitale Handel mit minus sechs Tagen eine negative Kapitalbindungsdauer aufweist, liegt das Net Working Capital im Bereich Kleidung mit 155 Tagen deutlich höher.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „DACH Retail sector working capital report 2021“. Dafür hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC das Working Capital Management der 50 führenden Einzelhändler in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert.
Der Handel kehrt auf den Wachstumspfad zurück
Insgesamt stehen die Vorzeichen für die weitere Entwicklung des Handels auf Erholung – und zwar nicht nur online: Nach einem schwierigen Jahr 2020 wird die Branche 2021 voraussichtlich auf den Wachstumspfad zurückkehren, auch wenn die Nachwehen der Krise noch lange spürbar sein dürften.
Von den weltweiten Ladenschließungen im Frühjahr 2020 über den digitalen Wandel bis zu den Lieferschwierigkeiten in einigen Produktkategorien: COVID-19 hat die Retail- & Consumer-Branche herausgefordert, stellen die Studienautoren fest. Dennoch belege der Vergleich der Kennzahlen von 2019 und 2020 ein hohes Maß an Resilienz der Unternehmen.
Eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren
Die Corona-Krise hat allerdings Spuren bei allen Kennzahlen der Retail-Unternehmen hinterlassen – die Liquidität und das Working Capital bilden dabei keine Ausnahme. Die Kapitalbindungsdauer (Net Working Capital, NWC) im Handel ist seit 2016 um drei Tage gestiegen und lag im Schnitt bei 25 Tagen. Im direkten Vergleich zum Vorjahr ist laut der Analyse jedoch eine Verbesserung von 27 auf 25 Tage zu verzeichnen.
Dabei zeigt die Studie große Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren: Während die Kapitalbindungsdauer im Bereich Sportbekleidung bei 101 Tagen und bei Bekleidung, Accessoires und Luxusgütern bei 155 Tagen lag, sind es im Lebensmittelbereich nur sieben Tage. Der Onlinehandel weist sogar eine negative Bilanz auf: Hier betrug die Kapitalbindungsdauer 2020 minus sechs Tage.
DPO, DIO und DSO: So entwickelten sich die wichtigsten Kennzahlen
Insbesondere auf die Supply Chain und die Lagerbestände hat die Pandemie spürbare Auswirkungen: Durch Veränderungen bei der Nachfrage und stockende Lieferketten kam es teilweise zu übervollen Lagern; für andere Produkte waren die Bestände leergefegt. Die Bestandsreichweite (Days Inventory On-Hand, DIO), also der Zeitraum zwischen Wareneingang und Entnahme, lag 2020 im Schnitt bei 72 Tagen – ein Tag niedriger als 2019. Im Vergleich zu 2016 ist diese Kennzahl sogar um 8 Tage gesunken. Um diesen positiven Trend fortzusetzen, leisten digitale Technologien einen wichtigen Beitrag: Händler sollten folglich in die Digitalisierung investieren und insbesondere ihre Modelle zur digitalen Nachfragevorhersage neu ausrichten.
Die Forderungsreichweite (Days Sales Outstanding, DSO), also die Spanne zwischen Bestelldatum und Zahlungseingang, hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls leicht verbessert und lag 2020 bei 12 Tagen – 2019 waren es noch 13 Tage, 2016 14 Tage. Die Reichweite der kurzfristigen Verbindlichkeiten (Days Payables Outstanding, DPO) im Handel, also die Periode zwischen Rechnungsdatum und Bezahlung, ist im Jahr 2020 dagegen auf 59 Tage gesunken – seit 2019 zwar nur um einen Tag, verglichen mit 2016 jedoch um 13 Tage.
Um den Negativtrend bei den Verbindlichkeiten umzukehren, ist der Fokus auf Purchase-to-Pay und strengere Zahlungskontrollen sinnvoll, raten die Autoren der Studie.
Positiver Trend im WCM für 2021
Insgesamt wird sich das WCM im Retail-Sektor 2021 positiv entwickeln, davon geht die Studie aus. Die Experten rechnen mit einem leichten Rückgang der Kapitalbindungsdauer um durchschnittlich 4% – während der Umsatz der Unternehmen im Schnitt um rund 2% sinken wird. Je nach Sektor sind die prognostizierten Entwicklungen jedoch sehr unterschiedlich: Während im Bereich Lebensmittel und Onlinehandel deutliche Verbesserungen sowohl beim Umsatz als auch beim WCM drin liegen, muss der Bereich Bekleidung, Accessoires und Luxusgüter mit weiteren Verschlechterungen rechnen.
Um das Working Capital Management auf eine solide Basis zu bringen, sollten Einzelhändler ihre operativen Prozesse im WCM auf den Prüfstand stellen und durch intelligente Datenanalysen für mehr Transparenz sorgen, so die Empfehlung der Studienautoren. Ebenso wichtig sei jedoch die Optimierung der Widerstandsfähigkeit von Lieferketten. Nicht zuletzt sollten Unternehmen ihr Bewusstsein für die strategische Bedeutung von Liquidität und Cashflow schärfen.
Die PwC-Studie „DACH Retail sector working capital report 2021“ kann hier heruntergeladen werden.
(Pressemitteilung PwC vom 10.11.2021)