12.03.2024

Pessimismus der Investoren auf Rekordhoch

Internationale Investoren attestieren Deutschland schwindende Stärken und sinkende Attraktivität. Bürokratie, Energiekosten und mangelhafte Digitalisierung sind die größten Investitionshindernisse.

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pitinan/123rf.com

Aktuell schätzt fast jeder zweite internationale CFO (46 %) andere Länder und Regionen als wachstumsstärker als Deutschland ein und wollen in den kommenden fünf Jahren prioritär dort investieren, zeigt die Studie „Business Destination Germany 2024“. Für diese befragte KPMG 350 CFOs der größten deutschen Tochtergesellschaften internationaler Konzerne aus den wichtigsten Investorenländern. Untersucht wurden die wichtigsten Faktoren des Wirtschaftsstandorts Deutschland im EU-Vergleich. Nach 2017, 2019 und 2021 erfolgt die Befragung jetzt zum vierten Mal. Dies ermöglicht wichtige Trendaussagen.

Danach rutscht die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt im EU-Vergleich zunehmend ins Mittelfeld ab. So weist der KPMG-Standort-Index, in den 23 Standortfaktoren einfließen, nur noch einen Wert von +1,2 auf der Skala von +10 (Spitze im EU-Vergleich) bis -10 (Schlusslicht im EU-Vergleich) auf. Dies entspricht einer Halbierung gegenüber dem Wert der Studie aus 2021 (+2,4). 2017 lag der Wert noch bei +3,1.

Standortfaktoren verschlechtern sich ausnahmslos

Die Nennungen Deutschlands als Spitzenreiter oder Top 5 EU-Land haben bei vielen individuellen Standortfaktoren im Vergleich mit dem KPMG-Standort-Index 2021 zudem massiv abgenommen: Politische Stabilität (-22 Prozentpunkte), Arbeitsproduktivität (-17 Prozentpunkte) und logistische/physische Infrastruktur (-16 Prozentpunkte).

Anders als noch vor zwei Jahren bewerten ausländische Investoren auch solche Faktoren deutlich schlechter, die die Zukunftsfähigkeit besonders nachhaltig beeinflussen und die bislang zu den ausgesprochenen Stärken Deutschlands zählten: Forschungslandschaft (-13 Prozentpunkte) sowie Innovationsfreundliches Umfeld (-8 Prozentpunkte).

Wo schneidet Deutschland am schlechtesten ab?

Zu den größten Investitionshemmnissen zählt der unzureichende Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltung  (-4,1). Jeder vierte internationale CFO (25 %) nennt Deutschland als Schlusslicht. Weitere 36 % positionieren die Bundesrepublik unter den fünf schwächsten Ländern im EU-Vergleich.

Ähnlich negativ wird die digitale Infrastruktur (-2,0) bewertet. Lediglich 11 % der internationalen Investoren in Deutschland sehen diese noch unter den Top 5 in der EU. Im Gegensatz dazu stufen 9 % sie als die schlechteste in der gesamten Europäischen Union ein.

Die Demografie erschwert die Verfügbarkeit von Fach- und hochqualifizierten Arbeitskräften. Nur knapp jeder vierte Befragte (23 %) sieht die Bundesrepublik noch unter den Top-5-Standorten in Europa – ein Rückgang von 15 Prozentpunkten gegenüber der „Business Destination Germany 2022“-Studie. Demgegenüber stehen 21 % der CFOs, die Deutschland unter den letzten fünf EU-Ländern einordnen. Weitere 8 % nennen den Standort sogar als Schlusslicht in Europa.

Überbordende Bürokratie und hohe Energiekosten als größte Investitionshemmnisse

Umfang und Komplexität der Bürokratie bleiben ein großes Hindernis. 16 % der internationalen Investoren sehen Deutschland als Schlusslicht im europäischen Vergleich. Weitere 18 % bewerten den Standort als eines der schwächsten fünf Länder.

Neben der Bürokratie kritisieren ausländische Investoren die festgefahrene Energiewende. Besonders energieintensive Industrien sind durch die hohen Energiekosten belastet. 38 % der befragten CFOs sehen Deutschland hier entweder als Schlusslicht (15 %) oder unter den letzten fünf EU-Ländern (23 %). 13 % der Befragten erwägen deshalb sogar eine Verlagerung ihrer Produktion aus Deutschland ins Ausland. Bei den befragten US-Unternehmen zieht dieses sogar knapp jedes Vierte (24 %) in Betracht.

Ausländische CFOs bezweifeln zunehmend politische Stabilität in Deutschland

Während 2021 eine große Mehrheit (80 %) der Befragten Deutschland hinsichtlich seiner politischen Stabilität zu den fünf attraktivsten Ländern in der EU zählten, waren es Ende 2023 nur noch 58 %. 13 % sehen Deutschland mittlerweile sogar unter den schwächsten fünf Nationen. 2021 waren es gerade einmal zwei Prozent.

Kritik an mangelnder Offenheit für ausländische Investoren und zu wenig Förderung

Internationale Investoren fühlen sich am Standort Deutschland weniger willkommen als noch vor zwei Jahren. Dies zeigt sich an einer deutlich schlechteren Bewertung der Offenheit für ausländische Investoren (-16 Prozentpunkte), einer gesunkenen Ausrichtung auf deren Bedürfnisse (-13 Prozentpunkte) sowie eine unzureichende Förderung und wenige Anreize für Unternehmensansiedlungen bzw. -erweiterungen (-10 Prozentpunkte).

„Mehr als jeder fünfte internationale CFO zählt Deutschland bei seiner Ausrichtung auf die Bedürfnisse internationaler Investoren zu den schwächsten fünf Ländern (22 %) im EU-Vergleich. Um global erfolgreich zu sein, muss Deutschland für internationale Investoren wieder deutlich attraktiver werden“, kommentiert Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. „Deutsche Unternehmen verlagern ihre Produktion zunehmend ins Ausland. Auch internationale Investoren bewerten die Schwächen Deutschlands immer kritischer. Diese Entwicklung ist alarmierend, da diese Unternehmen rund ein Fünftel der deutschen Bruttowertschöpfung erwirtschaften. Damit steht die Zukunft des Standorts auf dem Spiel. Um diese Negativtrends zu brechen und Deutschland wieder an die Spitze in der EU zu führen, braucht es jetzt ein konzertiertes Maßnahmenbündel. Die Forderungen des „Industrial Deals“ nach einem Business Case für Europa und Deutschland unterschreibe ich daher voll“, so Glunz.

Transformation Deutschlands als große Geschäftschance

Positiv ist, dass mehr als jeder zweite der befragten internationalen CFOs (52 %) für sein Unternehmen Chancen in den großen Transformationsaufgaben Deutschlands erkennt und daher in den kommenden fünf Jahren hierzulande investieren will. Nur 7 % wollen ihre Präsenz in Deutschland verringern, 37 % wollen sie steigern.

Andreas Glunz: „Deutschland befindet sich in einem Transformationsprozess nie gekannten Ausmaßes: Dazu zählen die Energiewende, das Erreichen der Klimaneutralität, die Digitalisierung, die Überalterung der Gesellschaft, die Verteidigungsfähigkeit des Landes und eine funktionierende Infrastruktur. Für die Modernisierung des Standorts stehen milliardenschwere Förderpakete zur Verfügung. Internationale Konzerne haben erkannt, dass dies Chancen bietet und starten Mega-Investitionsprojekte.“

Optimistischerer Ausblick auf die 5-Jahres-Perspektive

Für das laufende Jahr 2024 sind die Zukunftserwartungen der befragten internationalen CFOs noch verhalten. Nur mehr als ein Drittel (37 %) geht davon aus, dass ihre wirtschaftlichen Aussichten „viel besser“ (2 %) oder „besser“ (35 %) sein werden. Aber für die 5-Jahres-Perspektive erwarten 59 % der ausländischen Investoren eine bessere oder viel bessere wirtschaftliche Situation.

(KPMG vom 12.03.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)

 


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