Deutsche Unternehmen und Selbständige haben im zweiten Quartal erheblich weniger Kredite aufgenommen als im Vorjahr. Nach den Berechnungen von KfW Research schrumpfte das Kreditneugeschäft der Banken und Sparkassen mit den gewerblichen Kunden um 12,7 %. Einen höheren prozentualen Rückgang gab es zuletzt während der globalen Finanzkrise. Das Tempo der Talfahrt am Kreditmarkt hat sich damit gegenüber dem Jahresbeginn nahezu verdoppelt. Im gerade abgelaufenen dritten Quartal dürfte nun jedoch die Trendwende erfolgen: KfW Research erwartet, dass sich die Schrumpfungsrate des Kreditneugeschäfts auf -8 % abschwächt.
Wie bereits im Auftaktquartal 2021 drückt auch im zweiten ein negativer Basiseffekt die Wachstumsrate des Kreditneugeschäfts: Im ersten Halbjahr 2020 hatten viele Unternehmen auf Kredite zurückgriffen, um ihre Liquiditätsposition vorsorglich zu stärken oder pandemiebedingte Liquiditätslücken zu schließen. Dieser technische Effekt ist aber nicht allein ursächlich für die aktuelle Talfahrt am Kreditmarkt, wie der Blick auf dessen längerfristige Entwicklung zeigt. Die Ausleihungen der Unternehmen sind aktuell auf das durchschnittliche Niveau des Jahres 2018 gefallen.
Einbruch weiterhin nachfragebedingt
Die treibende Kraft hinter der Schwäche bleibt die geringe Nachfrage der Unternehmen. Im zweiten Quartal ist der Anteil der Firmen in Kreditverhandlungen mit Banken in allen Größenklassen gemäß KfW-ifo-Kredithürde auf ein neues Tief gefallen. Gleichzeitig liegen die neu vergebenen Kredite im kurzfristigen Laufzeitsegment (bis zu einem Jahr) auf besonders niedrigem Niveau. Dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen ihre zuvor pandemiebedingt aufgestockte „Vorsichtskasse“ mit Blick auf die wirtschaftliche Erholung nun zurückführen. Hinzu kommt, dass sich die Auszahlungen aus den staatlichen Zuschussprogrammen (Überbrückungshilfen u.a.) im zweiten Quartal auf rund 15 Mrd. Euro beschleunigten. Auch dies dämpft den Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln.
Trotz der Größenordnung des Einbruchs am Kreditmarkt gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass ein übermäßig restriktives Bankverhalten die (Mit-) Ursache sein könnte. Zwar haben die deutschen Finanzinstitute seit 2019 ihre Kreditvergabepolitik im Trend moderat gestrafft. Nun dürfte dieser Verschärfungszyklus jedoch auslaufen. Im zweiten Quartal zeigten die Banken ihren Unternehmenskunden gegenüber jedenfalls wieder mehr Entgegenkommen. Begünstigt wird die vorsichtige Entschärfung der Angebotsbedingungen von den anhaltend niedrigen Insolvenzzahlen.
„Vorbehaltlich aller Unwägbarkeiten, die die Pandemie mit sich bringt, erwarte ich, dass der Unternehmenskreditmarkt die Talsohle nun hinter sich lässt“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Neben dem Schwinden des negativen Basiseffekts in der zweiten Jahreshälfte ist auch die Erholung der Investitionsausgaben der Unternehmen ursächlich hierfür – auch wenn zum Vorkrisenniveau noch ein Stück, nämlich rd. 1,5 %, fehlen. Der Finanzierungsbedarf, der aus Unternehmensinvestitionen resultiert, wird sich über kurz oder lang in einem stärkeren Kreditneugeschäft niederschlagen.“ Auch die Banken selbst rechnen mehrheitlich mit einem Anziehen der Kreditnachfrage im dritten Quartal im Vergleich zum davorliegenden Dreimonatszeitraum. „Bis auch die Jahresrate des Kreditneugeschäfts in Plus dreht, wird es aber noch etwas länger dauern. Meiner Einschätzung nach dürfte dies Anfang 2022 der Fall sein.“
(Pressemitteilung KfW vom 18.10.2021)