Laut der Analyse werden Krisen oft erst zu spät erkannt. Auch im Fall der Corona-Pandemie war das so, stellen die Studienautoren fest. Die Führungskraft eines Familienunternehmens hat explizit gesagt, dass für ihn das ‚Feuerwehrprinzip‘ gelte: Wenn eine Situation eintrete, versuche man das Beste daraus zu machen. Die Studienautoren haben sich dafür interessiert, wie die Familienunternehmen mit dem Erkennen und Bewältigen der Krise umgegangen sind. Der Lehrstuhl für Familienunternehmen hat deshalb 52 Interviews geführt, davon 36 mit Führungskräften von Familienunternehmen und 16 mit Marktbeobachtern und Vertretern von Nicht-Familienunternehmen.
Trotz zögerlicher Reaktion: Familienunternehmen konnten schnell ihre Abläufe umstellen
Das zunächst zögerliche Agieren deutscher Mittelständler hat die Studienautoren nicht überrascht. Vielfach gestehen sich Unternehmen sogar erst dann eine Krise ein, wenn sie schon kurz vor der Insolvenzgefahr stehen, stellt die Studie fest. Umso positiver sei zu bewerten, dass spätestens mit dem Beginn des ersten Lockdowns die befragten Unternehmen unisono den Hebel umgelegt haben: Einrichtung von Krisen- und Lenkungskreisen, rasche Entscheidungen, schnelle Umsetzung in Handlungen. Diese Entschlossenheit sei durchaus bemerkenswert.
Im Allgemeinen gelten deutsche Unternehmen in Fragen der Digitalisierung im globalen Vergleich als weniger entwickelt. Das hat zuletzt unter anderem die globale Untersuchung ‚Resilience Barometer von FTI-Consulting aufgezeigt. Zumindest was die Themen Video-Konferenzen und Remote-Arbeiten angeht, haben die Studien-Gespräche das nicht bestätigt. Die Unternehmen haben davon berichtet, dass sie sich an die neuen Gegebenheiten anpassen konnten. Und dass sie in einem agilen ‚Trial-and-Error‘-Prinzip neue Arbeitsweisen entwickelt haben, mit denen sie einen neuen und funktionierenden Modus Operandi gefunden haben.
Noch schneller und einfacher wäre es gegangen, wenn Alltagsroutinen ohnehin schon digitalisiert gewesen wären, stellen die Studienautoren fest. Das sei sicherlich ein Lernergebnis aus den Krisenmonaten: Wer schon vor einer möglichen nächsten Krise strukturierte, effiziente und damit gut digitalisierbare Prozesse hat, der hat einen entscheidenden Vorteil.
„Wir sind keine Gegner“: Finanzierer wünschen sich mehr Offenheit
Ein Defizit haben die Forscherinnen und Forscher der WHU im Umgang mit Finanzierern festgestellt. Während sich die Familienunternehmen selbst als maximal transparent wähnten, haben Finanzierer und Marktbeobachter dies so nicht pauschal bestätigen können. Die Umfrageteilnehmer haben angegeben, dass sie durchaus auf Schnelligkeit und Transparenz gestoßen sind. Gerade hinsichtlich letzterem hätten sie sich aber mehr gewünscht. Ein Finanzierer hat formuliert, dass es keinen Sinn mache, den Finanzierer als Gegner zu sehen. Man sollte ihn vielmehr als Partner sehen und ihn mit einbinden. Je mehr er weiß, desto leichter können Entscheidungen getroffen werden. Familienunternehmen stehen grundsätzlich im Ruf, eher verschwiegen zu sein, stellt die Analyse fest. Aber gerade in einer solchen Situation werde eine pro-aktive und möglichst offene Kommunikation benötigt.
Ein Fünftel der im FTI Resilience Barometer befragten Unternehmen in Deutschland schätzt sich selbst als finanziell ‚in Bedrängnis‘ ein (international 17%, EU: 13%). Die Hälfte berichtet von Problemen bei der Bedienung der Gläubiger in der Krisenzeit. 56% gehen davon aus, dass sie innerhalb der nächsten zwölf Monate Refinanzierungen und Restrukturierungen durchführen müssen.
Die Befragung wurde vor der jetzt einsetzenden geopolitischen Krise und dem Ukraine-Krieg durchgeführt. Laut der Studienautoren sind viele der bereits vorhandenen Krisen-Effekte dadurch zuletzt noch verstärkt worden. Unternehmen müssten darum jetzt unbedingt in möglichen Szenarien denken, indem sie verschiedene mögliche Marktverläufe und deren Auswirkung auf ihre Liquiditäts- und Finanzdaten simulieren. Hier haben die Unternehmen der Analyse zufolge noch Nachholbedarf.
Viel gelernt, aber nicht formal implementiert und dokumentiert
Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben laut der Untersuchung in den zurückliegenden Monaten ein Vielfaches dessen neu gelernt, wozu sie sonst Jahre benötigen. Lernen fand‘ dabei maximal pragmatisch analog zur neuen Situation statt. Nicht das Lernen in Seminaren sondern im in der täglichen Berufspraxis wurde vielfach zum wichtigsten Prinzip. Ein Familienunternehmer erklärt, dass es oft keine fundamentalen Änderungen sind, aber wenn man etwas an einem Fall neu gelernt hat, so verändert man bisherige Gewohnheiten. Ein Nachteil von solchen Lernprozessen sei jedoch, dass sie selten verschriftlicht werden. Stattdessen sind sie an die Beschäftigten und deren verinnerlichtes methodisches Know-how gebunden.
Institutionalisierung und Dokumentation adaptiver Lernprozesse
Die Studienautoren raten deshalb zur Institutionalisierung adaptiver Lernprozesse. Lernen muss reflektiert und dokumentiert werden, vor allem wenn es im laufenden Betrieb stattfinden, raten die Wissenschaftler. Zum Beispiel könnten Lenkungskreise reflektieren, welche Maßnahmen während der Krise funktioniert haben – und welche nicht. Welche Prozesse verbessert wurden, was überflüssig geworden ist, was neu erlernt werden musste. Daraus könnten ‚Best Practices‘ und Leitfäden entwickelt werden, um dieses Wissen strukturiert und gezielt weiterzugeben. Und vor allem müssten Prozesse nicht nur informell, sondern ganz formal angepasst werden. Unternehmen, die das gemacht haben, können in der jetzigen Situation unmittelbar auf das Erlernte anknüpfen. Für viele könnte das in den nächsten Monaten zum entscheidenden Faktor der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit werden, so das Fazit der Studienautoren.
Die Untersuchung „Wie Familienunternehmen die Krise meistern“ kann hier heruntergeladen werden.