Europäische Unternehmen verschenken Milliarden: Im Jahr 2024 blieben 1,4 Billionen Euro an Working Capital ungenutzt, die zeigt die aktuelle Working Capital-Studie „EU 1000 WC Results“ von The Hackett Group, der führenden Gen AI- und strategischen Beratung für digitale Transformation. Demnach blieben bei den untersuchten 1000 europäischen Unternehmen insgesamt 1,4 Billionen Euro ungenutzt ̶̶ das entspricht 14 % der gesamten Umsätze. Im Jahr 2023 lag der Wert des ungenutzten Working Capital-Potentials bei 1,3 Billionen Euro.
Schuld an der Verschlechterung der Unternehmensliqidität sind ̶ bei gleichzeitig sinkenden Umsätzen und steigenden Kreditkosten ̶̶ steigende Debitorenlaufzeiten und höhere Lagerbestände:
- Der Cash Conversion Cycle (CCC, Geldumschlagsdauer), also die Dauer zwischen der Beschaffung von Rohstoffen und Materialien bis zum Geldeingang für den Verkauf fertiger Produkte und Waren, verlängerte sich gegenüber dem Vorjahr um 3 % auf 44,8 Tage.
- Die DSO, die Debitorenlaufzeit, erhöhte sich von 47 auf 48 Tage.
- Der DIO-Wert, die Bestandsreichweite der Lagervorräte, wuchs von 66 auf 68,8 Tage an und erreichte damit den höchsten Wert innerhalb der letzten 10 Jahre.
- Die Kreditorenlaufzeit (DPO) verbesserte sich um 3 % von 70 auf 72,6 Tage.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Es bestehen erhebliche Unterschiede in den europäischen Ländern: Die deutschen Unternehmen verschlechterten ihren CCC-Wert um 7 %, UK um 2 %, während französische und nordische Unternehmen leichte Verbesserungen erzielten.
Dabei gibt es Abhilfe: Gen AI ist ein wichtiges Instrument, um brachliegendes Working Capital zur Steigerung der Liquidität zu erschließen und damit weitere Kreditkosten zu vermeiden. Das aber erfordert erhebliche betriebswirtschaftliche Disziplin und den Einsatz von Gen AI und Advanced Analytics. Nur damit kann das DSO-18-Tage-Gap zwischen Top-Performern und durchschnittlichen Unternehmen abgebaut werden: etwa durch die Vermeidung exzessiver Lagerhaltung sowie durch professionelleres Management der Zahlungsbedingungen und Forderungsprozesse.
Die Rolle des digitalen Einkaufs
Ein erheblicher Teil der Working-Capital-Treiber entsteht im Einkauf, etwa durch Bestellmengen, Lieferantenvorauswahl, Zahlungsbedingungen und PO-Disziplin. Moderne E-Procurement- und Purchase-to-Pay-Lösungen schaffen Transparenz über diese Hebel und ermöglichen in Kombination mit Gen AI eine aktive, datenbasierte Steuerung.
Gen AI und Advanced Analytics bringen erhebliche Verbesserungen:
- Receivables, also Geldforderungen, können automatisiert und beschleunigt werden, wobei verspätete Zahlungseingänge reduziert werden können.
- Die Lagerhaltung kann durch AI und optimiertes Master-Data-Management exakte Prognosen und Planungen liefern. Das ermöglicht Real Time-Fertigung selbst bei negativen Veränderungen in den jeweiligen Märkten.
- Payables, also die Zahlungen an Lieferanten, können durch Gen AI optimiert werden: Routinen werden automatisiert, das Supplier Relationship Management wird verbessert und Liquidität wird erhalten, ohne dass es zu Störungen im Supply Chain Management kommt. In Verbindung mit E-Procurement-Systemen lassen sich Zahlungsziele, Skontopotenziale und Lieferantenkonditionen strukturiert analysieren und verbessern.
Die europäischen Finance-Führungskräfte haben die Bedeutung des konsequenten Working Capital-Managements erkannt, insbesondere in Zeiten globaler Spannungen, sinkender Umsätze und steigender Kreditzinsen. Das belegt auch die Key Issues Study 2025 der Hackett Group: Die Optimierung des Working Capitals nimmt Platz 1 auf der Finance-Agenda der untersuchten Unternehmen ein. Das lässt hoffen.
(Tim Ross, Practice Lead Digital Procurement Central Europe & Nordics bei The Hackett Group / CF Redaktion)

