Chinesische Unternehmen zeigen wieder mehr Interesse an Zukäufen in Deutschland: Die Zahl der Transaktionen stieg im zweiten Halbjahr 2019 auf 25, nachdem in der ersten Jahreshälfte gerade einmal 14 Deals registriert worden waren. Das Investitionsvolumen kletterte sogar von 500 Millionen auf 4,2 Milliarden US-Dollar. Insgesamt lag die Jahresbilanz damit bei 39 Transaktionen im Gesamtvolumen von 4,6 Milliarden US-Dollar – nach 35 Deals im Wert von 10,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018. Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Start-ups in Höhe von 1,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen in Erscheinung traten.
Auch in Europa deutete sich zuletzt eine positive Trendwende an – zwar sank die Zahl der Transaktionen im Gesamtjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr von 196 auf 182. Aber wie in Deutschland wurden im zweiten Halbjahr mehr Investitionen gezählt als in der ersten Jahreshälfte: Die Zahl stieg im Halbjahresvergleich von 83 auf 99. Vor allem beim Transaktionswert ging es aufwärts: Von 2,4 Milliarden US-Dollar in der ersten Jahreshälfte schnellte das investierte Kapital auf 14,9 Milliarden US-Dollar im zweiten Halbjahr hoch. In Summe wurden damit im vergangenen Jahr europaweit 17,3 Milliarden US-Dollar investiert – nach 31,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018.
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die M&A-Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersucht.
„Im zweiten Halbjahr zog der Markt spürbar an; die Bereitschaft, auch größere Deals anzugehen, ist deutlich gestiegen“, beobachtet Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz bei EY. „Zunehmend drängen nun auch chinesische Finanzinvestoren nach Europa, die zuvor nur in ihrem Heimatland unterwegs und somit hier weitgehend unbekannt waren. Einige von ihnen sind auf Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich spezialisiert und treten in diesem Segment zunehmend in Konkurrenz zu den etablierten großen Finanzinvestoren aus Amerika und Europa.“ Zwar sei die Abschlussquote noch nicht hoch, aber Yi Sun beobachtet eine „steile Lernkurve“.
Zudem seien im zweiten Halbjahr mehr große Zielunternehmen auf den Markt gekommen, so Sun. „Bei einigen großen Private Equity-Exits und Carve Outs von Industriekonzernen waren chinesische Investoren aktiv beteiligt. Weitere Deals dieser Art stehen an.“
Mit 39 Transaktionen wurden die meisten Transaktionen in Deutschland gezählt – vor Großbritannien (31 Deals), Frankreich (18) und Italien (14). Im vergangenen Jahr gerieten gerade Industrieunternehmen wieder verstärkt in den Fokus chinesischer Investoren: Die Zahl der Deals im Industriesektor stieg von 39 im Jahr 2018 auf 56 im vergangenen Jahr. Rückläufig war hingegen das Engagement chinesischer Investoren im Finanz- und im Energiesektor, wo die Zahl der Deals von 18 auf zwölf beziehungsweise von 16 auf fünf sank.
„Industrie und Hightech sind derzeit wieder sehr gefragt – dabei treten Chinesen als strategische Investoren sowohl bei starken Nischenanbietern, als auch bei Unternehmen mit schwachem Wachstum in Europa auf. Etliche kleine und mittelgroße Unternehmen erhielten im vergangenen Jahr durch einen chinesischen Investor den Zugang zu dem riesigen chinesischen Absatzmarkt“, sagt Yi Sun. „Wir erleben auch, dass namhafte chinesische High-Tech Unternehmen zunehmend in High-Tech Start-ups in Deutschland und Europa investieren, wodurch diese Jungunternehmen nicht nur frisches Kapital, sondern auch Zugang zu den großen Plattformen erhalten, die die chinesischen High-Tech Unternehmen aufgebaut haben“, ergänzt Sun.
Chinesen investieren in britisches Bier und deutsche Autos
Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr die Übernahme der britischen Greene King-Brauereigruppe (einschließlich Pubs und Hotels) durch die Hongkonger CKA Gruppe. Die zweitgrößte Transaktion war der Erwerb eines Fünf-Prozent-Anteils am Daimler Konzern durch den chinesischen Autokonzern BAIC – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Transaktion entsprach der erworbene Anteil einem Börsenwert von 2,9 Milliarden US-Dollar. Auf dem dritten Platz folgt der Einstieg der Jiangsu Shagang Gruppe beim britischen Rechenzentrumbetreiber Global Switch für 2,2 Milliarden US-Dollar. Die Übernahme der Deutschen Hospitality, zu der unter anderem die Steigenberger Hotels gehören, durch die Huazhu Gruppe, war mit einem Volumen von 804 Millionen US-Dollar der fünfgrößte chinesische Deal des Jahres in Europa.
Tendenziell positiver Ausblick
Yi Sun sieht den Transaktionsmarkt derzeit im Aufwind, da auch zu Jahresbeginn 2020 einige große Transaktionsprozesse in den Startlöchern stehen, für die sich chinesische Investoren interessieren. Zudem betont sie: „Beim Handelskonflikt zwischen den USA und China zeichnet sich eine Lösung ab, mit der beide Seiten leben können und die die lange Phase der Unsicherheit beenden würde. Damit werden sich auch wieder mehr chinesische Unternehmen Gedanken über ihre strategische Entwicklung im Ausland machen.“
Allerdings könnte der aktuelle Ausbruch des Corona-Virus zumindest kurzfristig Auswirkungen auf die Aktivitäten chinesischer Unternehmen im Ausland haben: „In diesen Tagen hat in China die Eindämmung des Virus oberste Priorität. Je nachdem, wie sich die Lage in den kommenden Wochen entwickelt, könnte es daher zu einem Rückgang der Transaktionsaktivitäten im ersten Vierteljahr kommen.“
(Pressemitteilung EY vom 06.02.2020)