Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone wird im laufenden Jahr 2022 deutlich zurückgehen: von 5,3% im Jahr 2021 auf 2,9% im Jahr 2022. Diese Abschwächung des Wachstums hat auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Bankkrediten. So wird die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte in der Eurozone in diesem Jahr nur um 3,7% wachsen – nach einem Wachstum von 4,0% im Jahr 2021 und 4,3% im Jahr 2020. Für 2023 wird sogar nur noch ein Wachstum von 2,9% erwartet. Das zeigt die EY-Analyse „European Bank Lending Economic Forecast“, eine Prognose zum Kreditmarkt, basierend auf Konjunkturprognosen und Daten der Europäischen Zentralbank.
Die Nettokreditvergabe an Unternehmen in der Eurozone wird in diesem Jahr um 3,6%, und 2023 nur noch um 2,3% steigen. Zum Vergleich: 2020, im ersten Pandemie-Jahr, hatte sich die Vergabe von Krediten noch um 5,3% erhöht; sie erreichte damit ein 12-Jahres-Hoch.
Die Gründe für diese Wachstumsschwäche: Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheit liegt der Schwerpunkt weniger auf fremdfinanzierten Investitionen, sondern eher auf der Verbesserung der Bilanzen – also z.B. auf Schuldenabbau. Die 300 Mrd. € an überschüssigen Bargeldbeständen, die die Unternehmen des Euroraums inzwischen angehäuft haben, dürften laut der Studie ebenfalls zu einer geringeren Kreditnachfrage beitragen.
Inflation und Ukraine-Krieg belasten die Stimmung
Traditionell deckt die Kreditvergabe der Banken etwa die Hälfte des Finanzierungsbedarfs der Unternehmen in der Eurozone ab. Während die Kreditvergabe an Unternehmen in der ersten Hälfte des Jahres 2020 dank staatlich geförderter Kreditprogramme zunahm, ging das Kreditwachstum der Analyse zufolge im Jahr 2021 zurück. Dieser Trend dürfte sich laut der Studienautoren 2022 fortsetzen, da die hohe Inflation und der Krieg in der Ukraine, der zu einem erheblichen Anstieg der Rohstoffpreise und zu weiteren Störungen in der Lieferkette geführt hat, die Stimmung belasten. Alles in allem dürfte ein Teil der Investitionsbereitschaft der Unternehmen in den nächsten zwei Jahren ‚auf Eis‘ liegen, so die Prognose der Studienautoren. Das werde man auch am Kreditvolumen ablesen können.
Kreditausfälle werden zunehmen
Der Anteil notleidender Kredite am gesamten Kreditvolumen in der Eurozone fiel 2021 auf ein 14-Jahres-Tief von 2,2% (gegenüber 3,2% im Vor-Pandemie-Jahr 2019), was größtenteils auf staatliche Interventionen zur Stützung der Einkommen von Haushalten und Unternehmen zurückzuführen war.
Dieser positive Trend kommt im laufenden Jahr zum Stillstand: Der EY-Prognose zufolge wird die Quote notleidender Kredite 2022 in der Eurozone auf 3,4% und 2023 auf 3,9% steigen. Im Vergleich zum Beginn der globalen Finanzkrise 2008 fällt dieser Anstieg allerdings relativ moderat aus, was nach Angaben der Studienautoren auf die anhaltend niedrigen Zinssätze in der gesamten Region und die derzeit relativ komfortable finanzielle Situation vieler Unternehmen zurückzuführen ist.
Anteil notleidender Kredite in der Eurozone wird steigen: von 2,2% im Jahr 2021 auf einen Höchststand von 3,9% im Jahr 2023
In Deutschland wurde im vergangenen Jahr gerade einmal 1,1% des gesamten Kreditvolumens als notleidend klassifiziert – ein historischer Tiefstand. Im laufenden Jahr wird der Anteil sog. „fauler“ Kredite auf 1,6% steigen, um 2023 auf 2,3 auf 2024 auf 2,5% zu klettern. Den Studienautoren zufolge werden in den kommenden Monaten wieder mehr notleidende Kredite zu sehen sein – auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen wird steigen. Der Anteil der Kreditausfälle sei allerdings im historischen Vergleich immer noch sehr niedrig und stelle keine Gefahr für den Bankensektor dar.
Inflation und hohe Nachfrage nach Konsumgütern und Reisen sorgen für Plus bei Verbraucherkrediten
Der Bestand an Verbraucherkrediten in der Eurozone war im Jahr 2020 um 2,7% und im Jahr 2021 um 0,4% zurückgegangen – zum Vergleich: Im Jahr 2019 war der Bestand noch um 5,6% gestiegen. Der EY-Prognose zufolge werden die Verbraucherkredite in diesem Jahr hingegen um 2,6% und 2023 um weitere 1,7% steigen. Die Ursachen für diesen Anstieg sind laut der Analyse vielfältig: Die COVID-19-Sorgen schwinden, die Nachfrage nach Reisen und Konsumgütern wächst bzw. bleibt hoch und die Kreditkosten sind vorerst niedrig. Allerdings wird eine beträchtliche Anzahl von Haushalten auf die während der Pandemie angesammelten Ersparnisse zurückgreifen können, was sich langfristig auf die Nachfrage nach Verbraucherkrediten auswirken dürfte, so die Einschätzung der Studienautoren.
Wachstum der Immobilienkredite schwächt sich ab
Zuletzt war im Zuge des europaweiten Immobilienbooms die Vergabe von Immobilienkrediten in der gesamten Eurozone massiv gestiegen: um 5,2% im Jahr 2021, in Deutschland lag das Plus sogar bei 7,0%. Die Gründe für dieses Wachstum waren extrem niedrige Zinssätze, steigende Hauspreise, der pandemiebedingte Fokus auf Heimarbeit und die Möglichkeit einiger Käufer, zur Finanzierung von Immobilienkäufen auf Ersparnisse aus der Pandemie-Zeit zurückzugreifen.
Dynamik bei Immobilienkrediten wird nachlassen
In den kommenden Monaten und Jahren wird die Dynamik bei Immobilienkrediten voraussichtlich sinken, so die EY-Prognose. Im laufenden Jahr wird demnach der Bestand an Immobilienkrediten in der Eurozone nur noch um 4,0% und in Deutschland um 5,8% wachsen, im kommenden Jahr sinkt die Wachstumsrate in der Eurozone auf 3,7% und in Deutschland auf 4,2%.
Steigende Zinssätze bei gleichzeitig hohen Immobilienpreisen dämpfen die Nachfrage, so die Analyse. Zudem werden in einigen Ländern der Eurozone regulatorische Maßnahmen zur Abkühlung der aufgeheizten Immobilienmärkte eingeführt. Der Markt hat der Studie zufolge hierauf jedoch bereits reagiert. So haben sich die langfristigen Zinsen für Immobilienfinanzierungen seit Jahresbeginn bereits deutlich erhöht. Für Kunden mit bestehenden Festzinskrediten hat eine Zinserhöhung zwar zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen, für Neukunden wird sich der Immobilienkauf hingegen weiter verteuern – und für einige wird der Hauskauf sogar unerschwinglich. Auf Seiten der Banken werden steigende Zinsen also wahrscheinlich zu einer Verlangsamung bei der Kreditvergabe an Häuslebauer führen, so das Fazit der Studienautoren.
(Pressemitteilung EY vom 04.05.2022)