Er fädelt Transaktionen am laufenden Band ein. Doch außerhalb Chinas ist der Mann, der hinter dem bislang größten Zukauf eines chinesischen Unternehmens im Ausland steht, wohl kaum jemandem ein Begriff. 43 Mrd. USD will ChemChina-Präsident Ren Jianxin für den Schweizer Agrochemieproduzenten Syngenta zahlen.
Unter dem Druck unzufriedener eigener Aktionäre gibt Syngenta-Präsident Michel Demare dem Werben aus Peking nach und verabschiedet sich damit von dem noch im Sommer vehement verfochtenen Alleingang. Damals hatte er die Übernahmeavancen des US-Saatgutriesen Monsantoabgeblockt. Doch nun lenkt Demare ein. Mit ChemChina an Bord könne Syngenta – Weltmarktführer bei Pflanzenschutzmitteln – seinen auf Forschung und Expansion in Schwellenländern basierenden Weg weitergehen, sagte er am Mittwoch. „Syngenta bleibt Syngenta“. China seinerseits ist bestrebt, die Lebensvermittelversorgung seiner Bevölkerung zu verbessern und die Abhängigkeit von Importen zu verringern. „Nur rund 10% des chinesischen Ackerlandes kann effizient genutzt werden“, sagte eine mit der Transaktion vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist mehr als eine Firma, die eine andere kauft. Hier versucht eine Regierung, ein reales Problem anzugehen.“
ChemChina-Präsident Ren ist das sehr bewusst. „Ich wurde im Alter von 15 Jahren aufs Land geschickt. Ich bin sehr vertraut damit, was Bauern brauchen, wenn sie ihr Land bewirtschaften“, sagte er in Basel. Europäisches Know-how – egal ob in der Landwirtschaft, dem Maschinenbau, der Autobranche oder der Energietechnik – ist in der Volksrepublik gefragt. Mit dem Syngenta-Deal ist 2016 schon jetzt ein Rekordjahr für chinesische Übernahmen und Beteiligungen in Europa.
Anleger skeptisch
Die Anleger zeigten sich zunächst allerdings nicht überzeugt von dem Deal. Die Syngenta-Aktien kletterten an der Börse Zürich zwar um 5,5% auf 414 Franken, blieben damit aber deutlich unter den von ChemChina gebotenen 480 Franken je Titel. Patrick Huber, Fondsmanager bei Mirabaud Asset Management, hält das Angebot allerdings für attraktiv: „Wir werden zu dem Preis auf jeden Fall andienen.“ Unter Zugzwang sieht er nun Monsanto und BASF. Helvea-Analyst Markus Mayer zufolge dürften China und Asien zu einem harten Pflaster für Konkurrenten wie BASF, Bayer oder Monsanto werden, sollte die Übernahme klappen.
Bitter ist die ChemChina-Transaktion vor allem für Monsanto. Syngenta hatte mehrere Übernahmeversuche des Marktführers im Saatgutbereich aus den USA abgeblockt, zuletzt im Sommer. Demare begründete die Ablehnung damals neben dem ungenügenden Preis von rund 470 Franken mit zu hohen Hürden der Regulatoren. Hier hat ChemChina die besseren Karten, weil die Chinesen über ein wesentlich kleineres Agrochemiegeschäft verfügen. Es dürfte nicht sehr schwierig sein, von den Behörden grünes Licht zu erhalten, sagte Syngenta-Chef John Ramsay Reuters.
Die gesamte Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Der im Dezember auf den Weg gebrachte Zusammenschluss von Dow Chemical und DuPont schafft einen neuen Branchenriesen. Mit 130 Mrd. USD ist es die größte Chemiefusion aller Zeiten. Fallend Getreidepreise und instabile Märkte in den Schwellenländern haben den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut zuletzt zugesetzt. Die schwierigste Geschäftslage seit Jahren zeigt sich auch in der am Mittwoch veröffentlichten Jahresbilanz von Syngenta. Der Umsatz sank um 11% auf 13,4 Mrd. USD, der Gewinn brach um 17% auf 1,3 Mrd. USD ein.
Hungrige Chinesen
Neben der schwachen Branchenkonjunktur führte bei den Schweizern auch der Druck der Aktionäre zu einer Abkehr von der bisherigen Strategie des Alleingangs. Sie bezweifeln, dass das Konzern aus eigener Kraft einen ähnlich hohen Börsenwert erreichen kann wie im Zuge einer Übernahme.
ChemChina unter der Führung des 57-jährigen Ren gehört zu den chinesischen Unternehmen mit dem größten Akquisitionshunger. Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts hat sich der Konzern mit 140.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 45 Mrd. USD mit zahlreichen Zukäufen in der Pestizid-, Vitamin- und Kunststoffherstellung verstärkt. Anfang des Jahres übernahm ChemChina dann überraschend den Münchener Spezialmaschinenbauer KraussMaffei für 925 Mio. €. Bereits im vergangenen Jahr kauften die Chinesen den italienischen Reifen-Hersteller Pirelli für 7,1 Mrd. €.
(Quelle: Reuters vom 03.02.2016)