18.10.2023

Deutsche Firmen blicken mit Sorgen auf 2024

Deutsche Unternehmen blicken mit Sorge auf ihre kurz- und mittelfristigen wirtschaftlichen Perspektiven. De-Risking-Strategien rücken jetzt in den Fokus, um geopolitische Risiken und geschäftliche Abhängigkeiten zu verringern.

Beitrag mit Bild

Corporate Finance

Deutsche Unternehmen schätzen ihre wirtschaftliche Lage im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 negativ ein. 44 % der 1.075 Befragten geben an, dass ihre aktuelle Geschäftslage zwischen 2022 und 2023 unverändert geblieben ist. „Angesichts des Abschwungs zwischen 2021 und 2022 bedeutet dies jedoch nicht, dass die wirtschaftliche Lage neutral ist, sondern nur, dass sie sich für viele Unternehmen nicht weiter verschlechtert hat“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Darüber hinaus geben 41 % an, dass sich ihre Situation 2023 im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert hat – nur 13 % berichten von einer Verbesserung. Das entspricht zusammengenommen einer Bilanz von -28 Saldenpunkten. Auch die Aussichten für 2024 sind trüb: Nur 20 % der Befragten erwarten eine Erholung, während sich 28 % auf rückläufige Geschäfte einstellen.

Erwartungen nach Branchen

Die Erwartungen variieren zum Teil stark: Immerhin sechs der 13 Branchen blicken 2024 in eine etwas bessere Zukunft. Die Papier- und Verpackungsindustrie sticht mit +28 Saldenpunkten hervor. Dies könnte auf die Stabilisierung der europäischen Energiepreise auf einem niedrigeren Niveau als 2022 zurückzuführen sein, wodurch die Produktionskosten im Jahr 2024 deutlich sinken dürften. Umgekehrt blicken Firmen im Baugewerbe (-35 Sp.), dem Groß- und Einzelhandel (-23 Sp.) sowie der Transport- und Logistikbranche (-19 Sp.) nach wie vor pessimistisch in die Zukunft. „Diese Einschätzungen sind nicht ungewöhnlich. Man muss nur wissen, woher die jeweilige Branche kommt. Die Papier- und Verpackungsindustrie hat ein sehr schlechtes Jahr. Von diesem Niveau kann es fast nur nach oben gehen. Umgekehrt hatte der Bau viele sehr gute Jahre, weshalb die Geschäftsaussichten hier eher bergab zeigen“, erklärt Christiane von Berg.

De-Risking-Strategien gewinnen an Bedeutung

Gefragt nach dem Hauptrisiko für ihr Exportgeschäft nennen die meisten Unternehmen wie schon im Vorjahr Unterbrechungen in der globalen Produktionskette, gefolgt von politischen Unsicherheiten, steigenden Rohstoffpreisen und Probleme am Standort Deutschland. „Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat angesichts der sehr hohen Arbeits- und Energiekosten, der überbordenden Bürokratie und des Rückgangs der Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2023 an Attraktivität verloren und birgt dadurch Produktionsrisiken“, sagt Christiane von Berg.

Um geopolitische oder strategische Risiken zu minimieren, streben immer mehr deutsche Firmen danach, ihre geschäftliche Abhängigkeit von einzelnen Ländern, Lieferanten oder Kunden zu verringern. 2023 haben sich bereits 12 % der befragten Unternehmen für De-Risking-Maßnahmen wie die Ausweitung des Lieferantenportfolios oder eine Produktionsverlagerung entschieden. Ein Viertel der Befragten rechnet innerhalb der kommenden drei Jahre mit entsprechenden Schritten, um weniger anfällig für plötzliche politische oder wirtschaftliche Veränderungen zu sein. Am stärksten engagiert sind aktuell die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie Firmen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie, wo bereits heute jedes fünfte Unternehmen De-Risking betreibt. Ein Grund dafür ist, dass beide Branchen mit China als globaler Drehscheibe von Haus aus stärker globalisiert und somit anfälliger für Produktions- und Lieferkettenunterbrechungen sind als etwas der eher regional ausgerichtete Agrarsektor.

(Coface vom 11.10.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)


Weitere Meldungen


Meldung

© KB3 / fotolia.com

01.07.2025

Banken sehen düstere Zeiten für Immobilien

Immobilienfinanzierende Kreditinstitute blicken überwiegend pessimistisch auf den deutschen Immobilienmarkt, zeigt eine aktuelle Befragung, die EY-Parthenon im zweiten Quartal 2025 unter 36 immobilienfinanzierenden Kreditinstituten in Deutschland durchgeführt hat. Überwiegend negative Markteinschätzung Drei Viertel der befragten Kreditinstitute bewerten die Lage auf dem deutschen Immobilienmarkt aktuell als negativ. Nur ein Viertel hält sie für stabil, Optimismus ist Mangelware.

Banken sehen düstere Zeiten für Immobilien
Meldung

©xtockimages/123rf.com

30.06.2025

Geopolitik treibt Strategie: Deutsche Firmen setzen auf Indien

Die geopolitische Neuordnung der Weltwirtschaft verleiht Indien neuen Schwung: Laut dem „German Indian Business Outlook 2025“ der KPMG AG und der Deutsch-Indischen Handelskammer planen 79 % der befragten Unternehmen bis 2030 Investitionen in Indien. Das ist ein neuer Rekordwert und eine Reaktion auf geopolitische Spannungen, insbesondere zwischen den USA und China. Bereits 2025 wollen 53 %

Geopolitik treibt Strategie: Deutsche Firmen setzen auf Indien
Meldung

© m.mphoto/fotolia.com

26.06.2025

Grüne Vorreiter: Der nordische Anleihemarkt im Wandel

Die nordischen Anleihemärkte gelten als stabil, innovativ und zunehmend nachhaltig – doch was genau steckt hinter dem Begriff „Nordic Bonds“? Im Interview werfen wir einen genaueren Blick auf die Besonderheiten, Chancen und Risiken dieser Anlageklasse. Dominik Spanier, Managing Director bei der Investmentbank Lincoln International und verantwortlich für den Bereich Capital Advisory in der DACH-Region, gibt Einblicke

Grüne Vorreiter: Der nordische Anleihemarkt im Wandel

Haben wir Ihr Interesse für CORPORATE FINANCE geweckt?

Sichern Sie sich das CORPORATE FINANCE Gratis Paket: 1 Heft + Datenbank