Nach einem deutlichen Plus von 24 % im Vorjahr mussten die Vorstände deutscher Spitzenunternehmen (DAX, MDAX und SDAX) im vergangenen Jahr leichte Gehaltseinbußen hinnehmen: Die durchschnittliche Gesamtvergütung aller Vorstandsmitglieder (einschließlich CEOs) sank um 0,8 % von 2,41 auf 2,39 Millionen Euro. Die Vorstandsvorsitzenden verzeichneten dabei einen Rückgang um 1,7 % auf 3,2 Millionen Euro. Bei „einfachen“ Vorstandsmitgliedern wurde ein Rückgang von minus 8,3 % registriert.
Frauen liegen weiter vorn
Die Frauen liegen weiter vorn, verdienten aber ebenfalls weniger als im Vorjahr: Top-Managerinnen (ohne CEOs) erhielten 2022 eine Gesamtvergütung von im Schnitt gut 2,42 Millionen Euro und damit 352.000 Euro mehr als ihre männlichen Kollegen. Diese erhielten im vergangenen Geschäftsjahr durchschnittlich rund 2,07 Millionen Euro. Während die weiblichen Vorstandsmitglieder einen Rückgang bei der Gesamtvergütung um 0,2 % verzeichneten, schrumpfte die Vergütung der Männer um 0,4 %.
Dies sind die Ergebnisse des „Mixed Compensation Barometers“ von EY. Berücksichtigt wurden ausschließlich Vorstandsmitglieder, die das komplette Geschäftsjahr im Vorstand vertreten waren und Vorstandsmitglieder, bei denen sämtliche Vergütungskomponenten vollständig offengelegt wurden. Analysiert wurden die Unternehmen, die im Jahr 2022 Mitglied im jeweiligen Index waren.
Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, Energiepreise
Bereits im achten Jahr lag 2022 die Gesamtdirektvergütung der Frauen oberhalb der ihrer männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen. Der Gehaltsvorsprung weiblicher Vorstandsmitglieder stieg zudem leicht von 348 auf 352 Tausend Euro.
Ausschlaggebend für die deutlich höhere Vergütung weiblicher Vorstandsmitglieder ist das hohe Gehaltsniveau und ihr Gehaltsvorsprung im DAX. So verdienten weibliche DAX Vorstände im vergangenen Jahr durchschnittlich 3,2 Millionen Euro und damit 122 Tausend Euro mehr als ihre männlichen Kollegen, die auf durchschnittlich 3,08 Millionen Euro kamen. Dabei verbuchten die Vorstände im DAX besonders starke Einbußen: Die Gesamtdirektvergütung für weibliche Vorstandsmitglieder sank um 7,3 %, während ihre männlichen Kollegen einen Rückgang von 8,7 % verzeichneten.
„Der Grund für die insgesamt eher schwache Gehaltsentwicklung war die Entwicklung des operativen Geschäfts und des Aktienkurses, die weniger positiv verlief als zunächst erwartet. Der Krieg in der Ukraine, Lieferkettenprobleme und stark gestiegene Energiepreise haben viele optimistische Prognosen zu Makulatur werden lassen – die hoch gesteckten Ziele, an deren Erreichen die Auszahlung variabler Gehaltsbestandteile geknüpft waren, wurden vielfach teils deutlich verfehlt – mit Folgen für die Gehaltsentwicklung. Und da im DAX variable Gehaltsbestandteile eine besonders große Rolle spielen, waren die Einbußen im DAX entsprechend deutlich“, erklärt Jens Massmann, Partner und zuständig für Vorstandsvergütung bei EY.
SDAX: Männer mit Gehaltsplus, Frauen mit Gehaltsrückgang
Während die weiblichen Vorstandsmitglieder im DAX weiterhin mehr verdienen als ihre männlichen Kollegen und ihren Vorsprung sogar ausbauen konnten – von 80 auf 122 Tausend Euro – , ergibt sich beim Blick auf den MDAX ein anderes Bild: Hier verdienen männliche Vorstände mit durchschnittlich 1,59 Millionen Euro weiterhin mehr als ihre Kolleginnen, deren Gesamtdirektvergütung im Durchschnitt 1,54 Millionen Euro betrug. Immerhin konnten die Managerinnen ein Plus von 9,4 % erzielen, während ihre männlichen Kollegen einen Anstieg um „nur“ 7,0 % schafften. Die Lücke schrumpfte dadurch von 80 auf 54 Tausend Euro.
Ganz anders verlief die Entwicklung im SDAX: Die männlichen Vorstände verbuchten ein deutliches Plus von 11 % – weibliche Vorstandsmitglieder mussten hingegen im Durchschnitt einen Rückgang um 20 % hinnehmen. Dadurch wurde im SDAX aus dem Vorsprung von 178 Tausend Euro, den weibliche Vorstandsmitglieder im Vorjahr noch auf männliche Kollegen hatten, ein Rückstand von 156 Tausend Euro. „Die Entwicklung im SDAX war in erster Linie auf Wechsel in den Vorstandsgremien und damit der Bestellung einiger neuer weiblicher Vorstandsmitglieder zurückzuführen. Regelmäßig fallen die Vergütungshöhen bei Neubestellungen niedriger aus, als bei Vorstandsmitgliedern, die das Amt bereits länger inne haben“, beobachtet Massmann.
Zudem spielen variable Vergütungsbestandteile in den Vorstandsetagen sowohl bei Männern als auch bei Frauen inzwischen eine erhebliche Rolle. So lag im vergangenen Jahr das Fixgehalt sowohl der männlichen wie auch der weiblichen DAX-Vorstandsmitglieder bei 932 Tausend Euro. Hinzu kamen die Auszahlungen variabler Gehaltsbestandteile in Höhe von 2,15 Millionen Euro bei den Männern und 2,27 Millionen Euro bei den Frauen. „Der Gehaltsvorsprung der weiblichen DAX-Vorstände im vergangenen Jahr war auf eine höhere Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile zurückzuführen. Daraus lässt sich folgern, dass die weiblichen Vorstandsmitglieder tendenziell die ihnen vom Aufsichtsrat gesetzten Ziele in höherem Maß erreicht haben als ihre männlichen Kollegen“, so Massmann.
DAX-CEOs mit deutlichen Einbußen
Beim Vergleich der Vergütung von Frauen und Männern bleiben in der EY-Analyse aus Gründen der Vergleichbarkeit die CEOs außen vor, da es nach wie vor nur sehr wenige weibliche CEOs gibt und die Vorstandsvorsitzenden deutlich höhere Gehälter erzielen als andere Vorstandsmitglieder. So erhielt etwa im Leitindex DAX, wo derzeit lediglich Bélen Garijo der Merck KGaA als weibliche Vorstandsvorsitzende vorsteht, ein CEO im Jahr 2022 eine durchschnittliche Gesamtdirektvergütung von 5,25 Millionen Euro. Der Durchschnitt der jährlichen Direktvergütung aller DAX-Vorstandsmitglieder lag bei 3,5 Millionen Euro, während die durchschnittliche Direktvergütung von ordentlichen DAX-Vorstandsmitglieder bei 3,1 Millionen Euro lag.
Während die DAX CEOs im Vergleich zum Vorjahr erhebliche Einbußen von durchschnittlich 12 % – von 5,96 auf 5,25 Millionen Euro – verzeichneten, ging es für MDAX- und SDAX-Vorstandsvorsitzende aufwärts: um 9 % (MDAX) bzw. um 17 % (SDAX).
Ausblick: Keine großen Sprünge im Jahr 2023
Nach den Rekordumsätzen und -gewinnen vieler Unternehmen im Jahr 2021 war 2022 ein wirtschaftlich deutlich schwierigeres Geschäftsjahr – und auch 2023 bringt keine echte Besserung. Im Gegenteil, so Massmann: „Die Konjunktur lahmt, immer neue Probleme türmen sich auf. Die hohe Inflation bremst die Kauflaune, anhaltend hohe Energie- und Materialpreise drücken die Margen und die erheblichen geopolitischen Spannungen sowie die Konjunkturschwäche in China führen zu weiteren Belastungen.“ Daher gibt Massmann eine zurückhaltende Prognose ab: „Die Probleme werden eher mehr als weniger – das wird auch auf die Vergütung der Top-Manager durchschlagen. Auch ein Rückgang der variablen Vergütung und der Gesamtdirektvergütung für das laufende Jahr ist möglich.“
(EY vom 27.10.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)