05.09.2024

Deutsche Wirtschaft schrumpft 2024 erneut

Die deutsche Wirtschaft steckt zunehmend in einer Krise, die nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur ist, analysiert das IfW Kiel.

Beitrag mit Bild

© bluedesign/fotolia.com

Die deutsche Wirtschaftsleistung dürfte 2024 erneut schrumpfen, nachdem sie bereits im Vorjahr gesunken war. Dies geht aus der aktuellen Herbstprognose des IfW Kiel hervor. Positive Signale zur Jahresmitte haben sich nicht bekräftigt, weshalb das IfW Kiel seine Erwartungen für dieses und das kommende Jahr deutlich nach unten revidiert. 2024 dürfte das BIP um 0,1 % zurückgehen (Sommerprognose: +0,2 %). Für 2025 steht nur noch ein Plus von 0,5 % in Aussicht, statt wie bislang erwartet 1,1 %. Die Arbeitslosenquote dürfte zwischenzeitlich bis auf 6,1 % steigen, die Inflation allmählich auf 2 % nachgeben.

„Die Aufwärtssignale, die die Frühindikatoren noch im Sommer sendeten, haben sich nicht verfestigt,” sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW Kiel zur heute erschienenen Herbstprognose. „Zugelegt haben zuletzt vor allem die staatlich stark beeinflussten Dienstleistungsbranchen. Insgesamt stottert die deutsche Wirtschaft in eine blutleere Erholung, auch weil die Wirtschaftspolitik keine verlässlichen Weichenstellungen vorzunehmen vermag.“

Für das laufende Jahr belastet insbesondere der schwache private Konsum (+0,4 %) die Aussichten, weil sich die Haushalte trotz steigender Realeinkommen zurückhalten. Hinzu kommt, dass Industrie (-2,7 %) und Bauwirtschaft (-4,3 %) tiefer in die Rezession driften. Investitionen leiden unter hoher wirtschaftspolitischer Unsicherheit, die Ausrüstungsinvestitionen dürften um 7,2 % sinken.

2026: Überdurchschnittlich viele Werktage überzeichnen den BIP-Zuwachs

In den beiden Folgejahren nimmt die deutsche Wirtschaft dank weiter steigender Realeinkommen, einer höheren Nachfrage aus dem Ausland und sinkender Zinsen dann wieder etwas Fahrt auf. Bis September 2025 dürfte die EZB den Leitzins auf 2,25 % gesenkt haben.

Die Erholung verläuft allerdings nur schleppend, auch weil geschrumpfte Produktionskapazitäten nur noch geringe Zuwächse erlauben. Dieser Befund ist infolge eines derzeit beschleunigten Strukturwandels allerdings mit besonderer Unsicherheit behaftet.

Weitere Aussichten

  • In einer ersten Schätzung für 2026 geht das IfW Kiel von einem Plus beim BIP von 1,1 % aus, 0,3 %punkte davon sind allerdings auf die überdurchschnittlich vielen Werktage zurückzuführen.
  • Die Arbeitslosenquote dürfte angesichts der schwachen Konjunktur auf 6,0 % (2024) und 6,1 % (2025) ansteigen und dann leicht auf 5,9 % (2026) zurückgehen.
  • Die Zahl der Erwerbstätigen erreicht in der Mitte des Prognosezeitraums mit rund 46,2 Millionen ihren Zenit, ab dann beginnt infolge des demografischen Wandels der Sinkflug.
  • Die Inflation geht weiter zurück und wird nach 2,2 % in diesem Jahr in den kommenden beiden Jahren wohl bei 2 % liegen. Die Kernrate (ohne Energie) erreicht die Nähe der 2-Prozent-Marke erst im Jahr 2026, weil der Preisdruck bei Dienstleistungen noch länger anhält.
  • Das Budgetdefizit dürfte vor allem aufgrund der etwas anziehenden Wirtschaftsleistung von 1,9 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (2024) auf 1,7 % (2025 und 2026) zurückgehen.
  • Bauinvestitionen werden laut Prognose erst ab 2026 wieder zulegen (+2,6 %). Die zaghafte Erholung setzt dann auf einem Neubauvolumen ein, das so niedrig ist, wie zuletzt vor 13 Jahren.

Nicht nur konjunkturelle, sondern zunehmend auch strukturelle Krise

„Die deutsche Wirtschaft steckt zunehmend in einer Krise, die nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur ist,” sagt Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel. „Die Haushaltskürzungen der Ampelregierung belasten hier zusätzlich, und die Zinswende der EZB kommt für Deutschland zu spät. Hinzu kommt: Alte Kernindustrien waren viel zu lange veränderungsresistent, und die Asyldebatte vergiftet den Dialog über die wirtschaftlich notwendige Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Solange das so bleibt, können wir zusehen, wie unser Wachstumspotenzial immer kleiner wird.“

In seiner Prognose für die Weltwirtschaft rechnet das IfW Kiel mit Zuwachsraten in diesem und den kommenden beiden Jahren von gut 3 %. Besonders deutlich, um die 7 %, legt die indische Wirtschaftsleistung zu.

Damit bleiben die deutschen Exporte (2025: +1,2 %; 2026: +2,5 %) im Prognosezeitraum spürbar hinter der globalen Dynamik zurück.

(IfW Kiel vom 04.09.2024 / RES JURA Redaktionsbüro)


Weitere Meldungen


Meldung

©psdesign1/fotolia.com

08.05.2025

Geopolitik treibt deutsche CFOs zu mehr Investitionen im Inland

Die ökonomische und finanzielle Unsicherheit unter Finanzvorständen deutscher Unternehmen befindet sich derzeit auf einem Allzeithoch und beeinflusst ihre Planungen deutlich. Nach den US-Zollankündigungen vom 02.04.2025 sehen 80 % der teilnehmenden Chief Financial Officers (CFO) mittelfristig ihren Investitionsschwerpunkt in Deutschland, vor dem 02.04.2025 lag ihr Anteil bei 73 %, wie der CFO Survey von Deloitte zeigt. Für die

Geopolitik treibt deutsche CFOs zu mehr Investitionen im Inland
Meldung

©tstockwerkfotodesign/de.123rf.com

07.05.2025

Einfluss von Finanzintermediation auf die grüne Transformation

Es ist fraglich, ob der Finanzsektor die Erreichung der Klimaziele schon ausreichend unterstützt. Unklar ist vor allem, über welche Kanäle er am besten zu einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft beitragen kann. Das Projekt Green Financial Intermediation – From Demand to Impact (INTERACT), das das ZEW Mannheim gemeinsam mit dem ifo Institut durchführt, untersucht, wie der

Einfluss von Finanzintermediation auf die grüne Transformation
Meldung

©alfaphoto/123rf.com

06.05.2025

US-Politik belastet Aussichten für deutschen Wagniskapitalmarkt

Die vor allem von den USA ausgehende große wirtschaftspolitische Unsicherheit macht auch vor dem deutschen Markt für Wagniskapital (Venture Capital, VC) nicht halt. Dennoch legte der Geschäftsklimaindikator für den VC-Markt im ersten Quartal 2025 leicht um 2,0 Punkte zu. Mit einem Stand von minus 2,1 Punkten rangiert der Indikator aber weiterhin knapp unter dem langjährigen

US-Politik belastet Aussichten für deutschen Wagniskapitalmarkt

Haben wir Ihr Interesse für CORPORATE FINANCE geweckt?

Sichern Sie sich das CORPORATE FINANCE Gratis Paket: 1 Heft + Datenbank