29.06.2016

Deutsche Börse im Brexit-Gewitter

Autokonzerne auf der Überholspur

Corporate Finance

Der Brexit torpediert die Hochzeitspläne von Deutscher Börse und London Stock Exchange. Die Fusion steht auf der Kippe. Die Beteiligten üben sich in Durchhalteparolen.

In der Ferne sah man schon das Wetterleuchten, als Börsenchef Carsten Kengeter seine Hochzeitspläne mit der London Stock Exchange (LSE) vorstellte: Die britische Regierung hatte ein Referendum über den Austritt aus der Europäischen Union angekündigt, aber Kengeter ließ sich davon nicht beirren: Der Börsenchef trieb die Fusion voran und hoffte, dass er für seinen Mut belohnt werden würde. Das Risiko eines Brexits hat er unterschätzt. Jetzt entlädt sich das Brexit-Gewitter – und Kengeter steht im Regen.

Die Aktionäre wollen einen besseren Deal, die hessische Börsenaufsicht drängt auf Konzessionen für Frankfurt, und auch Bafin-Chef Felix Hufeld ließ am Dienstag durchblicken, dass die Hochzeit in ihrer bisher geplanten Form keine Erfolgschancen habe. Wenn kein mittleres Wunder geschieht, droht auch der dritte Anlauf für eine Fusion mit den Londonern zu scheitern.

Standortfrage wird zum Problem

Die Logik der Fusionspläne sei „weiter intakt“, beteuert Kengeter. Der Rest sieht aber ziemlich kaputt aus: Die Aufseher rebellieren aus gutem Grund dagegen, dass das Hauptquartier der neuen Superbörse in London angesiedelt werden soll. Wenn Großbritannien den Brexit durchzieht, würde die Börse von außerhalb der Europäischen Union gesteuert. Bei anderen Firmen wäre das kein Problem, bei der Börse schon. Sie ist „not just another company“, wie Kengeters Vorgänger Reto Francioni zu sagen pflegte. Der Konzern handelt im öffentlichen Auftrag. Deshalb muss die hessische Börsenaufsicht einschreiten, wenn sie den Fortbestand der Börse gefährdet sieht. Bleibt der Rechtssitz in London, dann dürften die Hessen die Fusion verbieten.

Zustimmung der Aktionäre ungewiss

Als wäre das noch nicht genug, regt sich auch unter Kengeters Aktionären Widerstand. Viele Anteilseigner beschlich von Anfang an das Gefühl, bei dem Deal zu kurz zu kommen – sie sollen 54 Prozent an der fusionierten Börse halten. Durch den Brexit hat sich die Gleichung zugunsten der deutschen Seite verändert, und das nicht nur, weil LSE-Aktien und das britische Pfund an Wert eingebüßt haben. Die Zukunft der Londoner Börse hängt davon ab, welchen Deal die britische Regierung mit den anderen 27 Mitgliedstaaten aushandelt. Schlimmstenfalls könnte die LSE etwa das ertragsreiche Euro-Clearinggeschäft verlieren. London braucht Frankfurt nun also eher als umgekehrt.

Das Problem: Tauschverhältnis und Standort stehen im Fusionsvertrag festgeschrieben. Ihn nachträglich zu ändern, dürfte schwierig werden – ganz davon abgesehen, dass dazu auch die britische Seite mitspielen müsste. Aber wenn im Brexit-Gewitter ohnehin schon diverse Banken damit drohen, die Londoner City zu verlassen – weshalb sollte die Downing Street dann auch noch riskieren, die Londoner Börse aus der Hand zu geben? Hoffentlich hat Carsten Kengeter ein paar gute Gummistiefel parat – sonst droht die Hochzeitsparty ins Wasser zu fallen.

(Quelle: Handelsblatt vom 29.06.2016)


Redaktion

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