Die globale Asset-Management-Branche ist im Jahr 2024 auf ein Rekordniveau von 128 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen (Assets under Management, AuM) gewachsen – ein Anstieg von 12 % gegenüber dem Vorjahr. Dennoch steht die Branche unter Druck und muss sich tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen stellen, wie der diesjährige Global Asset Management Report der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) zeigt. Die 23. Ausgabe mit dem Titel From Recovery to Reinvention offenbart, dass der Margendruck steigt und die Anlegerpräferenzen sich wandeln. Demnach muss sich der Markt konsolidieren und die Anbieter ihre Kosten deutlich reduzieren. Die Assets under Management sind im zweiten Jahr in Folge zwar stark angestiegen. Doch 70 % des Wachstums 2024 waren von hohen Kursgewinnen an den weltweiten Aktienmärkten getrieben. Damit ist der Erfolg der Branche vor allem von externen Rahmenbedingungen abhängig.
Johannes Burkhardt, Partner bei BCG und Co-Autor der Studie, , erklärt: „Auch wenn die beiden vergangenen Jahre der Branche ordentlich Rückenwind gegeben haben, müssen die Asset Manager sich jetzt strategisch neu ausrichten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Märkte sind aktuell hochvolatil und die Rahmenbedingungen verändern sich grundlegend.“ BCG sieht vor allem drei Faktoren, die die Branche verändern: Neue Produkte und Vertriebsansätze drängen in den Markt, die Konsolidierung der Branche nimmt Fahrt auf und die Unternehmen stehen unter starkem Kostendruck.
Neue Finanzprodukte wie passive ETFs bestimmen zunehmend den Markt
Der Siegeszug der Exchange Traded Funds (ETFs) hält unvermindert an – private und zunehmend auch institutionelle Anleger ziehen die preiswerten, börsengehandelten Produkte den klassischen Investmentfonds vor. In der Folge geraten die Gebührenerträge der Produktanbieter zunehmend unter Druck. Eine Option, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen, bietet der aktuell noch kleine, aber stark wachsende Markt aktiv gemanagter ETFs. Sie bieten Anlegern die Chance auf Überrenditen, ihre Gebühren betragen im Durchschnitt aber nur 0,64 % gegenüber 1,08 % für aktiv gemanagte Investmentfonds. 2024 waren bereits 44 % aller neu emittierten ETFs aktiv verwaltet. „Unternehmen, die jetzt verstärkt auf aktive ETFs setzen, tangieren damit zwar ihr margenstärkeres Fondsgeschäft, eröffnen sich jedoch langfristig den Zugang zu neuen Kapitalströmen und direkteren Kundenbeziehungen“, sagt Studienautor Burkhardt. Allerdings erfordere der Einstieg in den Markt umfassende Fähigkeiten in Produktentwicklung, regulatorischer Expertise und Vertrieb.
Eine zweite strategische Option für Vermögensverwalter sieht BCG in der Ausweitung des Privatkundenangebots an sogenannten Privat-Market-Investitionen: Private-Equity-, Private-Debt-, Immobilien- und Infrastrukturfonds erwirtschaften heute fast die Hälfte aller globalen Erträge, obwohl sie weniger als 25 % des verwalteten Volumens ausmachen. Derzeit erschweren regulatorische Anforderungen und illiquide Strukturen den breiten Zugang von Privatanlegern in dieses Investmentsegment. Neue Produktformate wie technologiegestützte Feeder-Fonds oder semi-liquide Fonds schaffen erste Lösungen – doch operative Herausforderungen bleiben. „Künftig werden Innovationskraft, etwa durch Tokenisierung oder hybride Vehikel, über den Markterfolg entscheiden“, sagt BCG-Partner Burkhardt.
Die Konsolidierungswelle in der Branche hat bereits begonnen
Aktuelle Zusammenschlüsse, also Mergers & Acquistions (M&A) sowie Kooperationen in der Vermögensverwaltung verfolgen vor allem das Ziel, Skalierung und Reichweite zu erhöhen. Die Größe hat dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Effizienz. Besonders deutlich wirken Skaleneffekte bei Firmen mit weniger als 300 Milliarden US-Dollar an Assets under Management, die sich auf bestimmte Produkte und Regionen konzentrieren. Mit steigendem Volumen sinken hier die Kosten pro verwaltetem Dollar spürbar. Über 300 Milliarden US-Dollar AuM ist Wachstum häufig nur noch möglich, indem die Unternehmen die Anlageklassen oder Kundensegmente stark erweitern, was wiederum die Komplexität und die durchschnittlichen Kosten erhöht. Erst ab etwa 500 Milliarden US-Dollar AuM greifen erneut Effizienzvorteile. Eine breitere Produktpalette oder internationale Präsenz können dann die höhere Komplexität ausgleichen. “Die Wahl des richtigen Partners ist natürlich wichtig – entscheidend für den langfristigen Erfolg ist es jedoch, die Integration wirklich effizient umzusetzen. Das bedeutet, frühzeitig die Strategie klar abzustimmen, um Synergien zu realisieren und operative sowie kulturelle Hürden zu überwinden”, sagt Burkhardt. Die Post-Merger-Integration (PMI) stellt sicher, dass Führung, Prozesse und Kundenbetreuung reibungslos ineinandergreifen. Offenheit in der Kommunikation – insbesondere zu Portfoliostrategie, Managementkontinuität und Gebühren – hilft, Anlegervertrauen zu sichern und Mittelabflüsse zu vermeiden.
KI macht Kundenbetreuung und Geschäftsabläufe effizienter
Vermögensverwalter rücken auch enger mit Versicherungsunternehmen zusammen, um gemeinsam in private Märkte zu investieren. Während Versicherer langfristiges Kapital bereitstellen, das stabile Renditen und Illiquiditätsprämien ermöglicht, profitieren Vermögensverwalter von einer verlässlichen Kapitalbasis für strategische Investments in Private Equity, Private Debt oder Infrastruktur. Die Kooperationen stärken nicht nur das Wachstum im Privatmarktsegment, sondern auch die Entwicklung innovativer Altersvorsorgeprodukte – unterstützt durch neue Technologien wie KI und digitale Plattformen. Trotz regulatorischer Hürden und komplexer Anforderungen bieten solche Partnerschaften beiden Seiten langfristige Stabilität und erweiterten Marktzugang.
Vermögensverwalter müssen radikal schlanker werden
Auch im Wachstum müssen die Unternehmen die Kosten im Auge behalten. Viele Unternehmen tun sich schwer damit. Die BCG-Analyse hat gezeigt, dass die Gesamtkosten zwischen 2022 und 2024 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 6 % gestiegen sind, im vergangenen Jahr lag die Steigerung bei mehr als 7 %. Der größte Teil der Kosten entfällt auf die Bereiche Anlageverwaltung und Handelsausführung, die bis zu 40 % der Gesamtkosten ausmachen. Vor allem für kleinere Anbieter kann die Auslagerung nicht zum Kerngeschäft gehörender Funktionen wie Back-Office oder Datenmanagement erhebliche Effizienzvorteile bringen. Gleichzeitig ermöglicht der gezielte Einsatz von Automatisierung und KI – etwa im Research, Handel oder Reporting – erhebliche Kostensenkungen. „Wir sehen drei wichtige Hebel, mit denen Vermögensverwalter ihre Kostenstrukturen optimieren können: Outsourcing, Automatisierung und die Vermeidung von Doppelkosten“, sagt BCG-Partner Johannes Burkhardt. Dabei lassen sich Hebel wie Automatisierung und Outsourcing gut kombinieren, um Kosten zu senken – beispielsweise indem Vermögensverwaltungen Partnerschaften mit auf KI spezialisierten Unternehmen eingehen, die den Bedarf an nicht zum Kerngeschäft gehörenden Tätigkeiten wie der Softwareentwicklung decken können.
(BCG vom 29.04.2025 / RES JURA Redaktionsbüro – vcd)