24.06.2021

Coronakrise bremst Wachstum der Pharmafirmen

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Die Corona-Krise hat das Wachstum der größten Pharmaunternehmen der Welt 2020 gebremst. Doch im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen schnitt die Branche noch gut ab. Während die Weltwirtschaft um 3,5 Prozent schrumpfte, legten die Umsätze der 21 größten Pharmafirmen um 4,4 Prozent zu, nach 12,8 Prozent im Vorjahr. Die Corona-Krise war somit kein Wachstumstreiber, sondern führte im Gegenteil zu höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Dies spiegelt sich in der hohen Zahl an Entwicklungen von Impfstoffen und Therapeutika, die die Pharmabranche aktuell vorantreibt.  

Das ergab eine Auswertung durch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Dafür wurden die Bilanzen der 21 größten Pharmaunternehmen der Welt herangezogen. Als 21. Unternehmen wurde das deutsche Unternehmen Merck KGaA in die Analyse eingeschlossen. Aktivitäten außerhalb des Human-Pharmabereichs wurden in den Analysen nicht berücksichtigt. Zudem untersuchte EY, wie viele Impfstoffe, Therapeutika und Tests gegen Corona die gesamte Branche aktuell entwickelt.

Das hohe Umsatzwachstum von 12,8 Prozent im Jahr 2019 ist wegen einer großen Unternehmensübernahme nicht komplett vergleichbar mit dem Wachstum von 4,4 Prozent im Jahr 2020. Damals übernahm Takeda das Unternehmen Shire und ließ dadurch den Umsatz der Top-21-Unternehmen steigen.

„Das Umsatzwachstum während der Corona-Pandemie lässt zwei interessante Feststellungen zu“, sagte Klaus Ort, Leiter des Bereiches Life Sciences und Healthcare bei EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Zum einen ist die Widerstandskraft des Pharmasektors in Anbetracht der großen Wirtschaftskrise beeindruckend. Zum anderen ist die Branche kein Krisengewinnler, denn Corona führte bei verschiebbaren Behandlungen zu Verzögerungen und beeinträchtige laufende Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Dass die Branche dennoch wuchs, verdankt sie Erfolgen in der Entwicklung von neuen Medikamenten gepaart mit langfristigen Trends wie der wachsenden und alternden Weltbevölkerung.“

Aus den Bilanzen der 21 untersuchten Unternehmen lässt sich zudem ablesen, dass die Dominanz der Firmen mit Sitz in den USA weiter wächst. Sie erzielten mehr als die Hälfte (51 Prozent, 2019 noch 49 Prozent) der Umsätze. In der Rangfolge der nach Umsatz größten Unternehmen gab es zudem einige Verschiebungen. Während Pfizer 2019 noch das zweitgrößte Pharmaunternehmen der Welt war, fiel es durch die Ausgründung von Upjohn auf Rang 6 zurück. Neu auf Platz 2 findet sich Abbvie, die durch den Erwerb von Allergan und organisches Wachstum einen Sprung nach vorn machten. Bei Bristol-Meyer-Squibb sorgte ein einziges neues Krebsmedikament für einen Umsatzanstieg von rund zehn Milliarden Euro.

Deutlich stärker als die Umsätze stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung der 21 großen Pharmaunternehmen. Sie legten 2020 um 9,2 Prozent, nachdem sie bereits im Vorjahr um 9,7 Prozent gewachsen waren.

„Darin spiegeln sich auch die starken Anstrengungen der Unternehmen, schnell Impfstoffe und Medikamente gegen Corona auf den Markt zu bringen“, erklärte Alexander Nuyken, Leiter der Life Sciences Transaktionsberatung in der Region EMEIA für EY. „Viele Unternehmen sind wirtschaftliche Risiken eingegangen, um in dieser Ausnahmesituation schnell Lösungen zu entwickeln. Ganz allgemein ist die Pharmaindustrie eine Branche mit vergleichsweise sehr hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Im Jahr 2020 waren es bei den betrachteten Unternehmen im Schnitt knapp 20 Prozent des Umsatzes.“

Der operative Gewinn (EBIT) stieg bei den Unternehmen im Schnitt nur noch moderat um 2,7 Prozent, wobei es zwischen den einzelnen Unternehmen sehr große Unterschiede gab. Im Jahr 2019 hatten die Unternehmen noch einen satten Gewinnsprung von durchschnittlich 18,7 Prozent verzeichnet. Da sich die EBIT-Werte nicht auf durchgehend auf einzelne Geschäftsbereiche der Unternehmen beziehen lassen, verglich EY hier die Werte für die gesamten Unternehmen.

Pharmabranche verfolgt Hunderte Ansätze gegen Corona

Im Kampf gegen Corona demonstrierte die gesamte Branche auch über die Top-21 hinaus ihre Innovationskraft: Anfang Juni befanden sich laut einer EY-Recherche 260 Impfstoffe und 506 Therapeutika gegen das Virus in den verschiedenen Phasen der Entwicklung oder bereits auf dem Markt. Zudem hat die Branche mittweile über 1.000 Tests zum Nachweis einer Corona-Infektion in den Verkauf gebracht.

Neben den vier bereits in der EU zugelassenen Impfstoffen gegen das Coronavirus befanden sich zum Stichtag Anfang Juni 2021 den Daten zufolge weitere 17 Impfstoffkandidaten in der dritten und letzten Phase der Entwicklung vor dem Zulassungsverfahren.

Auch bei den Therapeutika für Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind, gibt es binnen eines Jahres vielversprechende Fortschritte. 465 Wirkstoffe waren Anfang Juni 2021 in Phase II (+168% seit Juni 2020) oder III (+135%) und somit nahe an der Zulassung. Hierzu zählen sowohl neue Wirkstoffe als auch Medikamente, die bereits gegen andere Krankheiten im Einsatz sind.

Nuyken unterstreicht die Rolle der Pharmabranche im Kampf gegen die Pandemie: „Die aktuell sinkenden Inzidenzen und die Hoffnung auf einen weiteren Rückgang der Fallzahlen verdanken wir neben den Pandemie-Beschränkungen auch maßgeblich den Fortschritten beim Impfen. Wir erwarten nun neben der Zulassung weiterer Impfstoffe auch eine Reihe wirksamer Medikamente gegen eine Corona Infektion. Die Erfolge der Branche zeigen, dass marktwirtschaftliche Anreize gepaart mit klugen staatlichen Hilfestellungen zu schnellen Erfolgen führen können.“

Schwerpunkte weiter auf der Onkologie

Bei der Analyse der Bilanzen hat sich gezeigt, dass trotz der Corona-Pandemie der Indikationsbereich der Infektionskrankheiten und Atemwegserkrankungen nicht maßgeblich war für das verhältnismäßig gute Abschneiden der Branche. Der Schwerpunkt des Wachstums liegt nach wie vor auf Wirkstoffen gegen Krebs und Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Immunsystem. Allein im Indikationsgebiet Onkologie & Immunologie setzten die betrachteten Unternehmen 202,6 Milliarden Euro um, ein Plus von 14,6 Prozent – ebenfalls ein Spitzenwert. Das Indikationsgebiet der kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen folgt mit weniger als der Hälfe des Umsatzes (97,8 Milliarden Euro) auf Platz 2 – das Wachstum betrug hier nur 0,2 Prozent. Der Bereich der Infektionskrankheiten stand an dritter Stelle und setzte 43,7 Milliarden Euro um, 4,6 Prozent mehr als 2019.

Der wirtschaftliche Erfolg der Onkologie spiegelt sich in den Bemühungen zur Entwicklung neuer Medikamente. Allein gegen Krebs befanden sich 751 Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung oder im Zulassungsverfahren. Das entspricht knapp der Hälfte aller Entwicklungsprojekte (49,5 Prozent). Zum Vergleich: Gleichzeitig befanden sich 169 Wirkstoffe im Bereich der Immunologie und Autoimmunerkrankungen in der Entwicklung, gefolgt von 136 Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten.

Biotechs profitabler als klassische Pharmaunternehmen

Die Auswertung der Bilanzen zeigt, dass die führenden Pharmaunternehmen auch in konjunkturell schwierigen Zeiten vergleichswiese hohe Margen erwirtschaften konnten. Die durchschnittliche EBIT-Marge der Top-21 sank nur leicht um 0,5 Prozentpunkte auf 25,7 Prozent. Mit Gilead an der Spitze führen die fünf Top-Biotechnologie-Unternehmen das Margen-Ranking an. Gilead und Novo Nordisk erzielten sogar eine Marge von über 40 Prozent.

Die hohen Margen erklären sich zum Teil mit dem hohen Umsatzanteil biotechnologisch hergestellter Medikamente. Diese sind häufig sogenannte Blockbuster-Produkte mit einem Jahresumsatz von über eine Milliarde Dollar. Der Anteil der Blockbuster am Gesamtumsatz der Unternehmen steigt seit Jahren, zuletzt um 3 Prozentpunkte auf 65,6 Prozent.

„Besonders in der Krebsmedizin kommen hier viele hochwirksame Medikamente auf den Markt“, erklärte Ort. „Häufig handelt es sich um Antikörper-Präparate. Wenn deren Patentschutz ausläuft, erwirtschaften sie meist weiter hohe Umsätze, weil die Konkurrenz durch Nachahmerpräparate, sogenannte Biosimilars, nicht so ausgeprägt ist wie bei herkömmlichen Arzneien auf chemischer Basis.“

(Pressemitteilung EY vom 21.06.2021)


Redaktion

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