Die Finanzierung der Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland hat im Jahr des COVID19-Ausbruchs einen neuen Rekordwert erreicht: Über Venture Capital, Börsengänge, Folgefinanzierungen und Wandelanleihen nahmen die deutschen Biotechs insgesamt knapp 3,1 Milliarden Euro auf. Das entspricht einem Plus von 146 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2018.
Allerdings wurde die Finanzierung auch 2020 – wie schon in den Vorjahren – in erster Linie durch Einzelereignisse bestimmt. BioNTech und CureVac, die beide mit der Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID19 auch in der breiten Öffentlichkeit schlagartig bekannt geworden sind, trugen mit 1,55 Milliarden Euro mehr als die Hälfte zur gesamten Risikokapital-Aufnahme bei.
Wie schon 2019 haben sich auch 2020 gleich zwei Biotechnologie-Unternehmen aus Deutschland aufs Börsenparkett begeben – wenn auch nicht in Europa, sondern im amerikanischen Nasdaq: CureVac und Immatics nahmen auf diesem Weg 215 beziehungsweise 224 Millionen Euro ein, insgesamt also 439 Millionen Euro.
Die beiden Börsenneuzugänge waren mit dafür verantwortlich, dass die 23 börsennotierten Unternehmen insgesamt einen deutlichen Zuwachs bei allen Kennzahlen verzeichnen konnten. So stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Die Zahl der Beschäftigten legte um 18 Prozent auf 13.995 zu. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung können die börsennotierten Biotechs sogar ein Wachstum um zwei Drittel auf 1,4 Milliarden Euro vermelden.
Das sind Ergebnisse des Deutschen Biotechnologie-Reports 2021 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.
“2020 war ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Jahr für die deutsche Biotechnologie-Branche“, stellt Dr. Alexander Nuyken, EY-Partner und Leiter Life Sciences Strategy & Transactions in der Region EMEIA, fest. „Die Corona-Pandemie hat Biotech-Unternehmen aus Deutschland und ihre Lösungen für Impfstoffe schlagartig in den Fokus gerückt. Die Finanzierungszahlen explodieren geradezu. Dieses Momentum gilt es zu nutzen, um den Biotech-Standort nachhaltig zu stärken und zu zeigen, dass die Branche nicht nur aus Impfstoffherstellern besteht, sondern auch innovative Lösungsansätze für Umwelt-, Energie- oder Ernährungsthemen bereithält.“
Venture Capital steigt insgesamt deutlich – Großbritannien europäischer Spitzenreiter
Bei der Aufnahme von Risikokapital sticht CureVac hervor, das insgesamt 560 Millionen Euro erhielt, darunter eine Staatsbeteiligung durch die KfW über 300 Millionen Euro für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen COVID19. Damit vereinte das Tübinger Unternehmen weit mehr als die Hälfte des insgesamt eingesammelten Venture Capitals auf sich – zusammen erhielten die deutschen Biotech-Unternehmen 882 Millionen Euro und damit 84 Prozent mehr als im Vorjahr.
Damit hat Deutschland im europäischen Vergleich Frankreich weit hinter sich gelassen. 2019 lagen beide Länder noch gleichauf mit einem Risikokapital in Höhe von 479 Millionen Euro. 2020 konnten französische Biotechnologie-Unternehmen nur noch 386 Millionen Euro einsammeln. Dafür rückte die Schweiz hinter Deutschland an die dritte Position mit 402 Millionen Euro Venture Capital. Europäischer Spitzenreiter bleibt das Vereinigte Königreich, wo sich das Volumen auf knapp 1,1 Milliarden Euro verdoppelt hat. Allerdings muss man auch festhalten: Ohne die Venture-Capital-Runden für CureVac wäre Deutschland Schlusslicht im Vergleich dieser vier Länder.
„Ein positives Signal für die Risikokapitallandschaft in Deutschland ist: Die Größe der Finanzierungsrunden ist gestiegen – selbst wenn man die KfW-Mittel für die Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen abzieht“, so Nuyken. In dem Fall betrage das Durchschnittsvolumen pro Runde immer noch knapp 31 Millionen Euro, während es sich 2019 insgesamt auf knapp 24 Millionen Euro belief.
„Hervorzuheben ist ebenfalls, dass unter den insgesamt 20 Finanzierungsrunden acht sehr junge Unternehmen in ihrer Seed-Phase oder bei der Erstrundenfinanzierung Venture Capital erhielten. Das alles zeigt, dass Investoren die Aussichten des hiesigen Biotech-Standortes positiv beurteilen und bereit sind, stärker ins Risiko zu gehen, um Innovationen zu fördern. Es muss sich zeigen, ob dies ein nachhaltiger Trend ist. Denn im internationalen Vergleich war es in Deutschland bislang verhältnismäßig schwierig, an Risikokapital zu kommen – u.a weil sich lange Zeit kein funktionierendes Ökosystem aufgebaut hat, aber auch weil der Risikobegriff hierzulande weitaus negativer besetzt ist als im englischsprachigen Raum. Allerdings stehen hierzulande oft auch regulatorische Hürden im Weg: So stellt sich gerade die Neuregelung der Außenwirtschaftsverordnung im vergangenen Jahr als Investitionshemmnis heraus.“
Weniger Allianzen, dafür höheres Volumen
Die deutschen Biotechnologie-Unternehmen gingen im vergangenen Jahr zwar weniger Allianzen ein – nur noch 33, was einem Rückgang um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dafür stieg das Allianzvolumen aber um 57 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro. Vor allem vier Mega-Deals zwischen einer Milliarde und 1,8 Milliarden Euro waren für den deutlichen Wertanstieg verantwortlich.
„Allianzen verringern das Risiko für die einzelnen Unternehmen bei Sackgassen auf hohen Forschungs- und Entwicklungskosten sitzen zu bleiben“, erläutert Nuyken. „Big-Pharma-Unternehmen suchen die Zusammenarbeit mit Biotechs unter anderem auch wegen ihrer Technologieplattformen. Aber auch Kooperationen mit Start-ups außerhalb der Branche werden immer sinnvoller, um sich Innovationen an Bord zu holen. Wir werden deswegen auch in Zukunft einen starken Trend zur Zusammenarbeit sehen.“
(Pressemitteilung EY vom 20.04.2021)