Die Aufsichtsräte der für die Studie untersuchten Unternehmen sind mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren keine Digital Natives. Das spiegelt sich auch in ihrer digitalen Präsenz wider, denn ganze 37% der Aufsichtsratsmitglieder besitzen überhaupt keine. Ohne auf Plattformen wie LinkedIn oder Xing aktiv zu sein, fehlt vielen der Einblick in die digitale Welt und der Austausch zu aktuellen Themen und Trends. Damit wird die langfristige Überlebensfähigkeit der Unternehmen riskiert und Beiräte werden ihrer Aufgabe und Verantwortung nicht gerecht.
Veränderung erfolgt zu langsam
Eine Veränderung erfolgt daher vor allem durch die Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder. Seit 2020 sind 13,5% neue Mitglieder in die Aufsichtsgremien der analysierten Familienunternehmen gewählt worden. Jedoch bringen von ihnen nur 24% Digitalkompetenz oder Transformationserfahrung in ähnlichen Unternehmen mit oder haben zuvor Erfahrungen in einem führenden Technologieunternehmen gesammelt. Die Anzahl der Mitglieder, die über die nötige Expertise verfügen, liegt dadurch 2022 insgesamt bei 17% – gerade mal ein Prozentpunkt mehr als im Jahr 2020.
Die Ergebnisse sind dramatisch, stellen die Studienautoren fest. Der Wechsel, den sie in den letzten zwei Jahren feststellen konnten, erfolge noch viel zu langsam. Eigentümerfamilien müssten endlich aufwachen und handeln. Sonst drohe dem Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft in den nächsten drei Jahren ein Desaster. Ein Grund dafür liege darin, dass Aufsichtsratsmitglieder häufig weniger nach ihren Kompetenzen ausgewählt werden als danach, wie nahe sie einem Unternehmen oder den Eigentümern stehen. Damit riskieren sie, Wettbewerbsvorteile zu verlieren, so die Einschätzung der Studienautoren.
Das Vereinigte Königreich ist eine Nasenlänge voraus
In britischen Familienunternehmen sieht das Bild schon besser aus. Hier besitzen hingegen nur 73% der Aufsichtsratsmitglieder keine Digitalkompetenz. Ganze 10 Prozentpunkte mehr als in Deutschland verfügen also über welche. Das ergab eine Vergleichsstudie von OMMAX, bei der 380 Profile der 55 größten Familienunternehmen untersucht wurden. Doch auch hier geschieht der Wandel eher gemächlich. Weitaus besser als die hiesigen Vertreter schneiden die Briten bei ihrer Präsenz in sozialen Netzwerken ab. Hier sind nur 17% nicht aufzufinden. Bei einem Thema unterscheiden sich die britischen aber nicht von den deutschen Unternehmen: Bei den Vorreitern der Digitalisierung treibt meist die junge Eigentümergeneration den Wandel voran.
Vorreiter punkten mit fortgeschrittenem Generationenwechsel
Die Veränderung schreitet jedoch nicht in allen Familienunternehmen so langsam voran. OMMAX hat die Top Ten der Unternehmen zusammengestellt, welche über die größte Digitalkompetenz verfügen. In das Ranking geschafft haben es OTTO, Haniel, Bertelsmann, Vorwerk, Axel Springer, Giesecke & Devrient, VOITH, SCHWARZ, Bechtle und BMW. Hier haben im Durchschnitt vier Mitglieder in den Aufsichtsgremien umfangreiche Digitalkompetenz. Somit liegt der Anteil der Mitglieder mit digitaler Expertise überdurchschnittlich bei mehr als 20%. Zudem wird in diesen Unternehmen die nächste Generation der Eigentümer stark eingebunden und viele der Aufsichtsratsmitglieder besitzen Erfahrung als Unternehmer.
Die Studienautoren sehen die Chancen im Generationenwechsel. Eigentümer müssten jetzt die nächste Generation mit in die Pflicht nehmen, um die Wissenslücken zwischen den Generationen zu schließen. Diese Generation müssen das Thema treiben, sonst riskieren sie die Überlebensfähigkeit der Geschäftsmodelle, so die Autoren der Studie.
Externe Expertise ermöglicht digitale Initiativen im Portfolio
Gute Beispiele, wie Familienunternehmen die Digitalisierung angehen, finden sich im Private Equity Bereich. Unternehmen wie KKR oder Advent International haben Personen von Google, Amazon oder Microsoft mit mehr als fünf Jahren Erfahrung auf der Eigentümerseite engagiert. In sog. Digital Value Creation Teams treiben sie digitale Initiativen im Portfolio mit externen Partnern voran, um den Wert der Firmen nachhaltig zu steigern. Eigentümerfamilien können sich daran ein Beispiel nehmen und sollten ihr Family Office neu strukturieren und ebenfalls externe Digitalkompetenz dazu holen, um Fonds im Bereich Digitalisierung zu professionalisieren und die Portfoliofirmen besser zu steuern.
Bei Familienunternehmen werden oft „Digital Expert Board“-Meetings aufgesetzt, um diesen Ansatz zu verfolgen. In monatlichen Expertentreffen stellen die Mitglieder sicher, dass die digitalen Projekte nach Plan verlaufen, die digitalen KPIs erreicht werden und dass sie die richtigen Schritte für das Unternehmen sind. Wichtig ist, dass so ein Digital Expert Board ein oder zwei Führungskräfte hat, die im erweiterten Vorstand des Unternehmens sitzen oder sich zumindest mit dem Vorstand des Unternehmens beraten. So können sie wichtige digitale Fachkenntnisse in die Gremien einbringen, die dort oft fehlen, um Geschäftspläne mit soliden, integrierten digitalen Taktiken umzusetzen. Angesichts der rasanten Innovation und Skalierung in der digitalen Welt haben Führungskräfte selten die Zeit oder Kapazität, sich angemessen über digitale Innovationen und Trends zu informieren.
(Pressemitteilung OMMAX vom 04.10.2022)