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22.09.2021

Deutsche Konzerne übertreffen eigene Erwartungen – Zahl der Prognoseanhebungen steigt auf Rekordniveau

Autokonzerne auf der Überholspur

© bluedesign/fotolia.com

Die gute Entwicklung der deutschen Konzerne übertrifft ihre eigenen Erwartungen: Im bisherigen Jahresverlauf – Januar bis August – wurden von den insgesamt 309 im Prime Standard gelisteten Unternehmen 243 sogenannte Gewinn- oder Umsatzerwartungen veröffentlicht – also Meldungen, denen zufolge die zuvor veröffentlichten Prognosen voraussichtlich übertroffen werden. Damit gab es in Deutschland bereits nach acht Monaten mehr Positivkorrekturen als in jedem Gesamtjahr seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2011. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum, als von Januar bis August nur 87 derartige Meldungen gezählt wurden, stieg die Zahl der entsprechenden Meldungen um 179 Prozent. Gleichzeitig sank die Zahl der Umsatz- oder Gewinnwarnungen, also negativer Prognosekorrekturen, um 83 Prozent von 172 auf 29.

53 Prozent der im Prime Standard gelisteten Unternehmen haben im bisherigen Jahresverlauf mindestens einmal ihre eigene Jahresprognose heraufgesetzt – nur neun Prozent korrigierten die Prognose nach unten.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die veröffentlichungspflichtige Korrekturen an Gewinn- und Umsatzprognosen in den Jahren 2011 bis einschließlich August 2021 untersucht. Für die Analyse wurden alle 309 Unternehmen aus dem Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse betrachtet. Es galt die Zusammensetzung der Indizes zum Stand 30.08.2021.

„Für Anleger und Unternehmen brachte die Pandemie ein Wechselbad der Gefühle mit sich: In der ersten Hälfte des Jahres 2020, als weite Teile der Wirtschaft zumindest zeitweise zum Stillstand kamen, brachen Umsätze und Gewinne in nie dagewesener Weise ein, was zu einem Rekord an Gewinnwarnungen führte. Nun erleben wir die gegenteilige Entwicklung: Die Wirtschaft erholt sich viel schneller als erwartet, einige Unternehmen haben gerade Rekordgewinne gemeldet“, sagt Milan Knarse, Partner bei EY in der Restrukturierungsberatung und Leiter Reshaping Results in der Region Europe West.

Langfristige Prognosen bleiben schwierig – viele Risiken bleiben

Trotz der auf den ersten Blick überaus positiven Entwicklung vieler deutscher Top-Unternehmen warnt Knarse vor allzu großem Optimismus: „Die Zahl der Risiken ist in den letzten Monaten nicht kleiner geworden, im Gegenteil: Die Lieferketten sind nach wie vor anfällig, die Versorgungslage bei Rohstoffen, aber auch bei diversen Zulieferteilen ist teils sehr angespannt“. Und Dr. Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY, ergänzt: „Belastbare Prognosen aufzustellen ist angesichts der äußerst volatilen Rahmenbedingungen derzeit enorm schwierig“. Gerade die positive Konjunkturentwicklung führe zu zusätzlichen Herausforderungen, so Steinbach: „Es gibt massive Preisschwankungen, Engpässe bei Rohstoffen und Zulieferteilen, lange Lieferzeiten – bei gleichzeitig hoher Nachfrage. Für die meisten Marktteilnehmer ist das eine völlig ungewohnte Situation.“

Auch die weitere Entwicklung wichtiger Absatzmärkte bleibt gerade angesichts der unvorhersehbaren Entwicklung der Pandemie unklar, so Knarse: „Niemand weiß, ob der Wachstumsmotor China weiter auf Hochtouren läuft und welche konjunkturellen Auswirkungen die erneut steigenden Infektionszahlen in zahlreichen Ländern haben werden.“ Neue Lockdowns und Grenzschließungen könnten erneut erhebliche Auswirkungen auf internationale Lieferketten und auf die stark exportorientierten deutschen Konzerne haben, fürchtet Knarse.

Verlässlichere Prognosen gefragt – intensiver und kontinuierlicher Dialog mit Investoren nötig

85 Prozent der Chemieunternehmen und acht von zehn Energieversorgern haben im ersten Halbjahr die eigene Prognose nach oben korrigiert. Bei Industrieunternehmen liegt die Quote bei 69 Prozent, im Automobilsektor immerhin noch bei 56 Prozent. Die wenigsten Aufwärtskorrekturen gab es bei Immobilienunternehmen sowie Finanzdienstleistern (25 bzw. 36 Prozent).

Steinbach sieht die Rekordzahl an Positivkorrekturen in einem ersten Halbjahr generell mit gemischten Gefühlen: „Zwar ist es erfreulich, wenn sich so viele Branchen nach dem Corona-Schock so schnell wieder erholen. Wenn aber immer mehr Unternehmen ihre eigenen Prognosen schon in den beiden ersten Quartalen kassieren, stellt sich die Frage, wie verlässlich Unternehmensprognosen überhaupt noch sind. Im vergangenen Jahr hatten wir einen Rekord an Gewinnwarnungen, in diesem Jahr liegen die Positivkorrekturen auf Rekordniveau.“

Vor allem dürften Anleger nicht das Gefühl bekommen, dass Unternehmen bei ihren Prognosen zu Jahresanfang absichtlich tiefstapeln, um im Jahresverlauf mit positiven Nachrichten überraschen zu können und so dem Aktienkurs auf die Sprünge zu helfen. Stattdessen sei Verlässlichkeit und Transparenz in turbulenten Zeiten mehr denn je gefragt, so Steinbach: „Die enorme Volatilität der Märkte ist eine Herausforderung für das Erwartungsmanagement gegenüber Analysten und Investoren – und zugleich eine Chance. Viele Unternehmen konnten gerade in dieser schwierigen Situation Investorenvertrauen aufbauen durch eine weiterhin glaubwürdige und transparente Kommunikation, etwa in Bezug auf die Ertrags- und Liquiditätslage und die Auswirkungen auf das Bilanzbild.“

Im ersten Halbjahr haben Anleger sowohl auf positive als auch auf negative Unternehmensnachrichten reagiert: Am Tag der Positivkorrektur, also einer Gewinn- oder Umsatzerwartung, kletterte der Aktienkurs des jeweiligen Unternehmens um durchschnittlich drei Prozent, eine Woche später lag er sogar im Mittel 4,3 Prozent höher als vor der ad hoc-Meldung. Bei einer Gewinn- oder Umsatzwarnung sank der Aktienkurs am Tag der Meldung um 3,3 Prozent und im Lauf der ersten Woche um 4,3 Prozent.

Pandemie, Klimawandel, Digitalisierung – tiefgreifende Umbrüche im Gange

Laut Knarse hat die Pandemie auch dazu beigetragen, dass viele Unternehmen nun verstärkt die Notwendigkeit grundsätzlicher Veränderungen sehen: „Die Pandemie hat uns gelehrt, dass auch das scheinbar Unmögliche passieren kann, so dass Unternehmen neue Wege gehen müssen, um sich an die veränderten Gegebenheiten und neue Risiken anzupassen und diese in ihre Planungen einzubeziehen. Je besser dies gelingt, desto verlässlicher werden auch die Prognosen sein“, so Knarse.

Generell werde es immer wichtiger, in Szenarien zu denken, so Knarse – denn weitere Umbrüche stünden bevor und würden den Unternehmen ebenfalls unkonventionelle, rasche und womöglich zunächst sehr teure Reaktionen abverlangen. „Zunehmend geraten jetzt die Folgen des Klimawandels für etablierte Geschäftsmodelle in den Blick. Und gleichzeitig steht die Dekarbonisierung der gesamten Industrie ganz oben auf der Agenda – ein Thema, das bislang bei vielen als Zukunftsthema gehandelt und kaum ernst genommen wurde. Spätestens seit der Flutkatastrophe ist es aber kein Szenario mehr, sondern Realität. Eine Realität, die sich auch in Unternehmensplanungen und -prognosen niederschlagen muss.“

(Pressemitteilung EY vom 22.09.2021)


Redaktion

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