Die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft steigt. Eine deutliche Mehrheit von 60 Prozent der heimischen Unternehmen sieht den kommenden fünf Jahren optimistisch entgegen. Trotz der anhaltenden Covid-19-Pandemie, ihrer globalen Folgen sowie der wirtschaftlichen Unsicherheiten durch den Brexit und schwelende Handelskonflikte steigt der Optimismus sogar um zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Das zeigt der diesjährige „Future Readiness Index“ von KPMG, bei dem deutsche Unternehmen von April bis Juni 2020 und damit inmitten des ersten Lockdowns im dritten Jahr in Folge ihre Zukunftsfähigkeit bewertet haben.
Die positive Sicht auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Die Krisensituation scheint vielen Unternehmen die eigene Robustheit vor Augen geführt zu haben. Zudem wirkt die Pandemie für viele Unternehmen als Beschleuniger von Veränderungsprozessen: Insbesondere die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodellen hat nun höchste Priorität auf der Management-Agenda. Zudem nimmt auch die digitale Transformation weiter an Fahrt auf und wird zum zweitwichtigsten Investitionsschwerpunkt der Unternehmen, so die Ergebnisse der KPMG-Umfrage.
Mattias Schmelzer, Mitglied des Vorstands der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und CMO in Deutschland: „Der allgemein hohe Optimismus nach der ersten Lockdown-Phase lässt vermuten, dass diese vielen deutschen Unternehmen vor Augen geführt hat, wie resilient sie sind, weshalb sie mittelfristig umso zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Die Stimmungsbilder in einzelnen Branchen unterscheiden sich allerdings zum Teil erheblich. Zudem macht die anhaltende Krise sehr deutlich: Je digitaler ein Unternehmen aufgestellt ist, desto robuster ist es tendenziell gegenüber äußeren Ereignissen. Für Unternehmen bedeutet das künftig einen noch stärkeren Wandel. Attraktiv für Kunden und Stakeholder wird in Zukunft nur sein, wer nachhaltig wirtschaftet, auf geopolitische Krisen vorbereitet und für technologische Umwälzungen gerüstet ist. Deshalb sollten Organisationen jetzt – unter den erschwerten Bedingungen der anhaltenden Pandemie – ihre Widerstandskraft stärken, nachhaltige Produkte sowie Geschäftsmodelle entwickeln und insbesondere die digitale Transformation vorantreiben.“
Top-Entscheider der deutschen Wirtschaft sehen sich für Zukunft gut aufgestellt
Im Rahmen der Umfrage gaben in diesem Jahr 601 Top-Entscheider wie CEOs, Vorstände oder Strategie-Leiter aus zwölf Schlüsselbranchen ihre Einschätzung in Bezug auf ihre allgemeine Stimmung im Hinblick auf die Zukunft („Optimismus“), ihre derzeitige Selbsteinschätzung in geschäftsentscheidenden Faktoren („Reifegrad“) und ihre aktuellen Aktivitäts- und Investitionsschwerpunkte („Investitionen“). Die Ergebnisse wurden im „Future Readiness Index 2020“ zusammengeführt, der damit die Einschätzung der deutschen Wirtschaft zu ihrer Zukunftsfähigkeit widerspiegelt. Darüber hinaus verglich KPMG die Wahrnehmung der Unternehmen hinsichtlich zukünftiger Trends und Herausforderungen mit den Ergebnissen einer Medienanalyse des Big-Data-Tools „KPMG Research Cloud 2.0“, um Unterschiede der unternehmerischen und medialen Perspektive zu untersuchen.
Kernergebnisse im Überblick:
- Trotz des Coronavirus steigt der Future Readiness Index 2020 im Vergleich zum Vorjahr leicht. Die 601 befragten Unternehmen in Deutschland schätzen ihre „Zukunftsfitness“ trotz der Krise höher ein als 2019.
- Der Optimismus der Wirtschaft bleibt in etwa auf Vorjahres-Niveau. 60 Prozent der Unternehmen (2019: 58 Prozent) sind im Hinblick auf die kommenden fünf Jahre zuversichtlich.
- Die Stimmungsbilder der Branchen unterscheiden sich zum Teil erheblich. So ist mit dem Optimismus auch der Anteil der sehr oder eher pessimistischen Unternehmen leicht gestiegen. Der Sektor Telekommunikation & Medien, der Handel und die Automobilindustrie schätzen ihre Zukunftsfähigkeit sogar deutlich schlechter ein als in den Vorjahren.
- Der Reifegrad und die Trend-Sensitivität sind auf einem Dreijahres-Hoch. Noch nie haben Unternehmen sich in geschäftsentscheidenden Faktoren so gut aufgestellt gesehen wie in diesem Jahr. Auch bei der Antizipation von langfristigen Herausforderungen geben sich die Befragten Bestnoten.
- Covid-19 beschleunigt den Wandel. Die Pandemie hat in den Unternehmen drei Transformationsprozesse angestoßen: die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen, die digitale Transformation in Form von Digitalisierung der Vertriebskanäle, der Kundenkommunikation und des Geschäftsmodells sowie einen Wandel hin zu mehr Ökologie und Nachhaltigkeit.
- Investitionen erscheinen dringlicher als im Vorjahr. Den Schwerpunkt legen Unternehmen dabei weiterhin auf Wachstumsaspekte, insbesondere auf die Bedienung von Kundenbedürfnissen. Aber auch Effizienz- und Risikomanagement-Aspekte werden wichtiger, etwa Maßnahmen zur Stabilisierung sowie Verbesserung der Finanzlage und die Anpassung an internationale Krisen.
Geopolitik und Anpassung an weltwirtschaftliche Veränderungen gewinnen stark an Bedeutung
Die Ergebnisse des Future Readiness Index 2020 zeigen, dass die deutschen Unternehmen geopolitische Themen in diesem Jahr als deutlich relevanter einschätzen. Für rund jede zweite Organisation (49 Prozent) haben Investitionen in die Anpassung an internationale Konflikte und Krisen nun hohe oder höchste Priorität. Noch im vergangenen Jahr waren nur 13 Prozent dieser Meinung. Investments, um sich an weltwirtschaftliche Veränderungen anpassen zu können, gewinnen ebenfalls stärker an Bedeutung und steigen auf 31 Prozent Zustimmung (Vorjahr: 18 Prozent). Die deutlich gestiegene Investitionspriorität in diesen Bereichen unterstreicht, dass Unternehmen hier künftig einen hohen Handlungsbedarf sehen, auch wenn sie sich im Vergleich zum letzten Jahr bereits als deutlich zukunftsfähiger wahrnehmen. Zudem legt die Mehrheit der Befragten einen höheren Wert auf Versorgungssicherheit: 51 Prozent der Unternehmen wollen noch stärker in die Optimierung ihrer Zuliefernetzwerke investieren (Vorjahr: 37 Prozent) – und das, obwohl sie sich schon deutlich besser aufgestellt sehen als zuvor.
Mattias Schmelzer: „Die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft befinden sich in einem stetigen und schnellen Wandel. Viele deutsche Unternehmen haben den Handlungsbedarf erkannt: Sie müssen ihre Anpassungsfähigkeit verbessern. Dabei ist es wichtig, dass sie aus der weltweiten Unsicherheit auch langfristig Konsequenzen ziehen. Der Handelsstreit zwischen den USA und China ist vor allem auf dem Feld der Technologie spürbar – insbesondere bei Schlüsseltechnologien wie Big Data und künstlicher Intelligenz. Für Unternehmen heißt das: Sie sollten die geopolitischen Implikationen von technologischen Entwicklungen stets mitdenken und in ihre Unternehmensstrategie einbeziehen. Außerdem sollten Entscheider darüber nachdenken, wie sich Lieferketten krisensicher gestalten lassen. Dabei kann es helfen, Supply Chains zu verkürzen, zu flexibilisieren oder parallel zu gestalten – sodass beim temporären Ausfall einer Lieferroute schnell eine Alternative verfügbar ist. Um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen, ist es zudem wichtig, Risikomanagement-Systeme zu modernisieren und entsprechend der neuen Herausforderungen zu aktualisieren.“
Megatrends und Zukunftsthemen unverändert
Die drei größten Herausforderungen der Zukunft sind für die Unternehmen dieselben wie in den Vorjahren: die Veränderung der Kundenbedürfnisse, der demografische Wandel und die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit. Darauf hat auch die Pandemie keinen Einfluss. Mattias Schmelzer: „Zukunftsfähige Unternehmen besitzen einen Spürsinn dafür, welche Entwicklungen die Welt von morgen voraussichtlich prägen werden. Die Management-Agenda wird auch in der ‚Neuen Realität‘ durch Entwicklungen aus drei Bereichen bestimmt: Geopolitik, Nachhaltigkeit und Technologie. Nur, wenn sich eine Organisation demgegenüber optimal positioniert, kann sie frühzeitig Risiken erkennen und Chancen nutzen.“
Prof. Dr. habil. Heiko von Gracht, Zukunftsforscher und Senior Manager bei KPMG: „Entscheidend für Existenz und Erfolg von Unternehmen gerade in turbulenten Zeiten ist tatsächlich eines: Die exakte Einschätzung der eigenen Zukunftsfähigkeit. Genau diese misst verlässlich für jedes einzelne Unternehmen ein professionelles Future Readiness Assessment zum Beispiel auch mit Branchen-Benchmarks.“
(Pressemitteilung KPMG vom 21.10.2020)