Die Unternehmensberatung Ebner Stolz Management Consultants GmbH hat im Mai 2020 deutschlandweit rund 220 Insolvenzverwalter und krisennahe Berater zu den Auswirkungen der aktuellen Corona-Krise auf M&A-Prozesse bei Krisenunternehmen sowie zu aktuellen Trends und Entwicklungen in der Transaktionsfinanzierung befragt.
Die weltweite Corona-Pandemie stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, viele kämpfen inzwischen um ihre Existenz. Die Bundesregierung hat Unterstützung in Milliardenhöhe zugesagt: Kurzarbeitergeld, Sonderkredite durch die KfW und einmalige Liquiditätshilfen. Daneben wurden gesetzliche Regelungen geschaffen, die etwa Stundungen bestimmter Zahlungen für einen festgelegten Zeitraum erlauben oder die bis zum 30. September 2020 befristete Teilaussetzung der Insolvenzantragspflicht ermöglichen.
Doch wirken diese Maßnahmen nachhaltig oder ist in naher Zukunft mit mehr Insolvenzen und einer verzögerten Pleitewelle zu rechnen? Die aktuelle Umfrage von Ebner Stolz zeigt, dass die Mehrheit der Insolvenzverwalter und insolvenznahen Berater auf Sicht der nächsten sechs Monate von einer steigenden Zahl an Krisen- und Insolvenzfällen ausgeht.
Herausfordernde Zeiten für M&A Prozesse
Eine Chance für die Fortführung eines Unternehmens waren bisher kapitalstarke Finanzinvestoren oder Strategen, die im Rahmen von M&A-Prozessen kriselnde oder insolvente Unternehmen übernommen und somit deren Zukunft gesichert haben. Nun aber rechnet die Mehrheit (52%) der befragten Experten und Insolvenzverwalter unter anderem aufgrund von Reisebeschränkungen durch COVID-19 kurzfristig mit stockenden M&A-Prozessen. Auch mittelfristig erwartet ein knappes Drittel der Umfrageteilnehmer (30%) keine Besserung der Situation. „Die Umsetzung von laufenden M&A-Prozessen ist aufgrund der aktuellen Einschränkungen bereits heute spürbar schwieriger. Viele Deals werden vermutlich nicht über die Ziellinie gebracht werden, wenn Reisebeschränkungen nicht bald aufgehoben werden“, sagt Michael Euchner, Partner M&A bei Ebner Stolz in Stuttgart.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob es nicht auch hier gesetzliche Ausnahmeregelungen geben sollte – speziell dann, wenn ein Insolvenzverwalter bestätigt, dass Arbeitsplätze bei einem Scheitern des Deals gefährdet sind. Hinzu kommt, dass sich die Gruppe potentieller Käufer reduziert: Viele strategische Investoren befinden sich aktuell selbst im Krisenmodus und kämpfen mit der eigenen operativen Leistungsfähigkeit oder Umsatzeinbrüchen. Akquisitionen sind dort vorerst kein Thema. Daher sieht mehr als die Hälfte der Befragten (56%) derzeit Finanzinvestoren klar im Vorteil. Insbesondere Private Equity Fonds verfügen über viel Kapital, das investiert werden muss. Dennoch wird es auch weiterhin gut aufgestellte Unternehmen geben, die gezielt die Chancen dieser Krise nutzen und strategisch motivierte Zukäufe tätigen. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass sich die Zahl der potentiellen Käufer und somit auch die Nachfrage verringern wird.
Kaufpreise sinken, Schnäppchenjagd beginnt
Mit der sinkenden Nachfrage und der allgemein angespannten wirtschaftlichen Lage dürften kurzfristig auch die Kaufpreise unter Druck geraten. Davon geht über die Hälfte der Umfrageteilnehmer (54%) aus. Hier eröffnen sich für Finanzinvestoren Chancen, da sie gezielt nach werthaltigen „Schnäppchen“ Ausschau halten können.
Hinsichtlich der Bewertung von Unternehmen sollte derzeit sowohl die Covid-19-Resistenz von Geschäftsmodellen als auch die Finanzentwicklung der letzten Jahre in Betracht gezogen werden. Zusätzlich sollten für die Zukunft die Potenziale ermittelt werden.
„Cash is King“
Doch auch bei den Finanzinvestoren wird es eine Änderung geben: haben diese außerhalb der Krise noch verstärkt auf Leverage-Finanzierungen gesetzt, werden sie nun den Eigenkapitalanteil bei Akquisitionsfinanzierungen deutlich steigern müssen. Davon geht mehr als die Hälfte der Befragten (54%) aus. Gerade auf Kaufpreise im Mid- / Large-Cap könnte dies einen negativen Einfluss haben.
Dual Track Verfahren notwendig
„Die konsequente Einleitung und Umsetzung eigener Restrukturierungsmaßnahmen verschafft den Unternehmen mehr Luft, um nachhaltige Lösungen – durch eigene Sanierung oder durch Aufnahme eines Investors – auch umsetzen zu können. Einschnitte sind hart, sichern aber unter Umständen den Fortbestand des Unternehmens“, fasst Markus Mühlenbruch, Partner in der Service Line Restrukturierung, die Lage notleidender Unternehmen zusammen. Die Mehrheit der Teilnehmer erwartet, dass es eher zu Restrukturierungen innerhalb einer Insolvenz kommt und operative Maßnahmen deshalb stärker in den Fokus rücken.
Zusammenfassend sagen die befragten Experten voraus, dass Insolvenzen mittelfristig zunehmen werden. Aufgrund der reduzierten Liquidität und Unsicherheit im Markt ist auch davon auszugehen, dass sich die Krise zumindest mittelfristig in den nächsten sechs Monaten, in den Kaufpreisen niederschlagen wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Unternehmenslandschaft in den nächsten Jahren entwickeln wird, die Szenarien sind hier vielfältig. Grundsätzlich aber gilt: Entweder es kommen viele Unternehmen mit einem blauen Auge davon oder es gibt nach der Insolvenz- eine Konsolidierungswelle, ganz nach dem Motto „survival of the fittest“.
Einzelheiten zu den Ergebnissen der Umfrage „Aktuelle Herausforderungen bei Unternehmenstransaktionen in Krisen- und Insolvenzsituationen“ finden Sie hier.
(Pressemitteilung Ebner Stolz Management Consultant vom 27.05.2020)