Deutschlands börsennotierte Unternehmen werden immer weiblicher: Der Anteil von Frauen in den Vorstandsetagen der DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen ist im vergangenen Jahr um 0,9 Prozentpunkte gestiegen und liegt jetzt bei 9,2%. Damit ist der Frauenanteil seit Juli 2015 kontinuierlich gestiegen. Damals lag er gerade einmal bei 5%. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Struktur der Vorstände der 160 im DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zweimal jährlich durchführt.
In den 160 Konzernen arbeiteten zum Stichtag 01.01.2020 insgesamt 64 Frauen in den Vorstandsgremien – das sind sechs Frauen mehr als noch vor einem Jahr und drei mehr als zur Jahresmitte 2019. Die Zahl der männlichen Vorstände ist gleichzeitig sogar leicht zurückgegangen: Derzeit sitzen 633 Männer in den Vorstandsgremien, das sind acht weniger als noch vor einem Jahr.
Zwar steigt die Zahl der Frauen in den Vorständen – allerdings sind die ausschließlich von Männern geführten Unternehmen weiterhin deutlich in der Mehrheit: In 66% der Vorstandsgremien sitzt keine Frau. Zwischen den Indizes gibt es zudem erhebliche Unterschiede: Während im DAX mehr als drei Viertel der Unternehmen (77%) mindestens eine Frau im Vorstand haben, sind es im MDAX nur 28% und im SDAX 20%. So ist im DAX der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder mit 14,7% auch mit Abstand am höchsten, im MDAX sind es 8,4%. Im SDAX beträgt er lediglich 5,6%.
Fünf Unternehmen werden von weiblichen CEOs geführt
Wie schon im Vorjahr werden die Unternehmen DIC Asset, Hamburger Hafen und Logistik und GrenkeLeasing von einer Frau geführt. Medigene wird nicht mehr im SDAX gelistet und daher in dieser Analyse nicht mehr berücksichtigt. Dafür ist Martina Merz bei der thyssenkrupp AG vom Aufsichtsrat auf den Chefsessel im Vorstand gerückt – wenn auch nur vorübergehend. SAP setzt zudem als erstes DAX-Unternehmen auf eine Chefin: Jennifer Morgan führt den Softwarekonzern seit Oktober als Co-CEO.
Langsam tut sich etwas in den Vorständen der börsennotierten Unternehmen in Deutschland, stellt die Studie fest. Der Frauenanteil steige beständig an. Dass erstmals ein DAX-Unternehmen von einer Frau geführt werde. Dies sei ein wichtiges Signal. Es sei zu hoffen, dass andere Unternehmen daraus einen Lerneffekt erzielen, denn es sei höchste Zeit, dass das Tempo, in dem Vorstandsposten mit Frauen besetzt werden, anziehe. Wenn die Zahl der Frauen in den Vorstandsgremien weiter so langsam steigt wie im letzten Jahr, wird es bis zum Jahr 2048 dauern, bis zumindest ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt ist, so die Berechnungen der Studienautoren.
Frauen schaffen es in der Telekommunikationsbranche am häufigsten ins Top-Management
Besonders häufig sind Frauen in den Chefetagen von Telekommunikationsunternehmen anzutreffen, wo ihr Anteil bei 16% liegt. An zweiter und dritter Stelle folgen die Automobilbranche und Transport- & Logistikunternehmen mit jeweils knapp 14%. Dagegen befindet sich bei den börsennotierten Energieversorgern und Medienunternehmen keine einzige Frau im Vorstand. Weibliche Vorstandsmitglieder sind in erster Linie für operative Bereiche ihrer Unternehmen zuständig – etwa für Produktion oder Logistik: 30% der weiblichen Vorstandsmitglieder tragen Verantwortung für das operative Geschäft. Jeweils 22% der weiblichen Vorstandsmitglieder verantworten die Bereiche Personal und Finanzen.
Firmeninterne Frauennetzwerke und flexible Arbeitszeiten
Für die Autoren der Studie ist es vor allem eine Kulturfrage in den Unternehmen, um Frauen in Führungsrollen zu etablieren. Es gebe genügend Frauen, die das können. Damit sie aber eine Karriere im Unternehmen bis zu den Spitzenpositionen durchlaufen können, müssten sie konsequent gefördert werden. Dazu gehören nach Aussage der Studie beispielsweise firmeninterne Frauennetzwerke oder flexible Arbeitszeiten. Allerdings sei es auch eine Führungsaufgabe, messbare Ziele festzulegen – etwa die Abschaffung des Gender Pay Gap oder die Erhöhung der Zahl von weiblichen Führungskräften, so die Forderung der Studienautoren.
Gemischte Teams entwickeln neue Lösungen und mehr Innovationskraft
Letztlich sei es im Eigeninteresse der Unternehmen, Frauen in Führungspositionen zu bringen, denn sie profitierten erheblich davon. Gemischte Teams lassen Diskussionen entstehen und unterschiedliche Sichtweisen aufeinandertreffen, stellt die Untersuchung fest. Erst dadurch würden sich oft neue Lösungen und mehr Innovationskraft entwickeln. Ohnehin habe Deutschland gar keine andere Wahl, als verstärkt auf Frauen auch in Führungspositionen zu setzen. Dafür sorgt schon der demografische Wandel, der das Reservoir an Arbeitskräften in den kommenden Jahren deutlich schrumpfen lässt, so das Fazit der Studie.
Die Studie „EY Mixed Leadership Barometer 2020“ finden Sie hier zum Download.
(Pressemitteilung EY vom 10.01.2020)