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06.05.2024

„GenAI steigert den Wertbeitrag in den General and Administrative-Funktionen“

Autokonzerne auf der Überholspur

Georg Bach

Ist der Einsatz der generativen künstlichen Intelligenz für Unternehmen und die Finanz- und Businesswelt Fluch oder Segen?

Die öffentliche Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz (AI), vor allem der generativen AI (GenAI, die selbsttätig Inhalte generieren kann), wird oft bestimmt von den Ängsten und Befürchtungen vor allem der kreativen Berufe. Vor diesem Negativ-Szenario ist eine nüchterne Bewertung der AI für den Einsatz in der Geschäftswelt wichtig. Georg Bach, Geschäftsführer Zentraleuropa bei der Hackett-Group, liefert im Interview eine realistische Bestandsaufnahme.

CF: Herr Bach, wie wird AI in der Geschäftswelt wahrgenommen und eingeschätzt? Gibt es da Unterschiede in den Branchen oder Industrien?

Bach: Die Führungskräfte in allen Unternehmen beschäftigen sich industrieübergreifend intensiv mit den strategischen Auswirkungen der Einführung von GenAI. GenAI-Technologien können Unternehmen in die Lage versetzen, neuartige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, das Kundenerlebnis zu verbessern und sich auf dem Markt zu differenzieren.

CF: Welche konkreten Benefits wird der Einsatz von GenAI bringen?

Bach: Auf der Kostenseite werden GenAI-basierte Technologien weitere signifikante Produktivitätssteigerungen ermöglichen. Wir bei Hackett schätzen den „Intelligent Automation Impact“ in den nächsten 5-7 Jahren unter Berücksichtigung aller heute zugänglichen AI-Technologien für die G&A-Funktionen (General and Administrative = Finance, HR, IT, Einkauf) auf 40 % Produktivitätssteigerung bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Reifegrad in der Organisation.

CF: Welche Industrien setzen GenAI oder auch andere AI-Techniken bereits mit Erfolg ein und wie verbreitet ist AI in Europa, USA und Asien?

Bach: Das Thema ist grundsätzlich industrieübergreifend relevant. AI-basierte Lösungen haben sich bewährt, zum Beispiel bei der Emissionsüberwachung, bei der Optimierung von Gebäudeenergieinfrastruktur oder im Wartungsbereich, etwa bei der Reduzierung von Anlagenausfällen.

Im Retail/eCommerce Sektor wird (Gen)AI für personalisierte Produktempfehlungen, bei der Umsetzung dynamischer Preisstrategien oder für virtuelle Anprobeerlebnisse eingesetzt. Die Automobilindustrie setzt (Gen)AI für autonome Fahrtechnologien oder bei der Optimierung des Fahrzeugdesigns ein. Im Healthcare-Sektor können (Gen)AI-generierte Modelle dabei helfen, Krankheiten anhand medizinischer Bilder zu diagnostizieren, Patientenergebnisse vorherzusagen und potenzielle Arzneimitteloptionen zu identifizieren.

Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass es in den USA im Vergleich zu Europa eine größere Anzahl von Unternehmen gibt, die sich auf GenAI konzentrieren, was auf das historisch starke Tech-Ökosystem und die erheblichen privaten Investitionen in die Forschung zurückzuführen ist. Auch Asien hat erhebliche Investitionen in die GenAI Forschung, -Entwicklung und -Einführung getätigt. In China investieren Unternehmen wie Alibaba, Tencent und Baidu massiv in GenAI-Technologien.

CF: Welche Anwendungsbereiche sind im Bereich der G&A-Funktionen im Fokus?

Bach: Intelligent Automation ermöglicht eine breite Palette von Anwendungen im Finanz- und Rechnungswesen, etwa um fundiertere Entscheidungen zu treffen, repetitive Aufgaben zu automatisieren oder die Gesamteffizienz zu verbessern. Das geht von Predictive Finance Modeling, über Betrugsermittlung („Fraud detection“) bis hin zur Überwachung von Compliance Vorschriften. Der Einkauf sieht beispielsweise Ausgabenanalyse oder Vertragsmanangement als potenzielle Anwendungsfälle, während HR stärker auf personalbezogene Fragen und die Erstellung von Stellenbeschreibungen setzt. Nicht überraschend, stellt der IT Bereich die meisten Mittel für AI bereit und fokussiert Anwendungsmöglichkeiten in Bereichen wie Helpdesk, Dokumentation, Tests und Codierung.

Auf unserer AI XPLRTM Plattform bieten wir Kunden Zugang zu mehr als 400 Use Cases. Basierend auf einem Intelligent Automation Framework wird der Zugriff auf AI Use Cases auf Prozess-, Aktivitäts- und Technologieebene über alle G&A-Funktionen gesteuert. Der Framework inkludiert das komplette Intelligent Automation Spektrum, also von Task Automation über Machine Learning bis hin zu Visual Computing und den Large Language Models. Ein Vorteil ist dabei auch, dass technologieübergreifende Anwendungsmöglichkeiten frühzeitig erkannt und damit in der Umsetzung besser skalierbar sind.

CF: Wie konsequent setzen Unternehmen mittlerweile GenAI Konzepte um?

Bach: Wir wissen aus unseren Studien, dass nur ca. 10 % aller Unternehmen einen Top-Down gerichteten, cross-funktionalen und unternehmensweiten Umsetzungsansatz im G&A Umfeld fährt. Wir nennen Sie „disciplined leaders“. 60 % der untersuchten Unternehmen experimentieren mit selektiven Use Cases. 30 % warten erstmal ab, wie sich die Adaption durchsetzen wird.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Bei einem Umsatz von 10 Mrd. Euro geben digitale Top-Performer mit Fokussierung auf AI/Intelligent Automation im Vergleich zu Peer Median Unternehmen über 100 Mio. Euro weniger pro Jahr für die Supportfunktionen aus, realisieren damit aber gleichzeitig höheren Business Value. Bedauerlicherweise sind diese Top Performer im deutschsprachigen Raum die Ausnahme: Bei unseren zahlreichen G&A Performance Assessments erreichen in der Regel nur 1-2 % der Unternehmen dieses Niveau.

CF: Was sind Umsetzungsbarrieren und wie können sie umgangen werden?

Bach: Bleiben wir bei der eben erwähnten, überwiegend durchschnittlichen G&A Performance in Zentraleuropa. Die Top Performer (auch: Digital World Class Leaders) kommen überwiegend aus den USA, und das hat u.a. folgende Gründe: Eine konsequente, unternehmensweit stärkere Fokussierung auf G&A Funktionen und deren Wertbeitrag, eine kulturelle geprägte, stärker Top-Down gerichtete Führungskultur und danach ausgerichtete Umsetzungsmethoden. Außerdem spielt der Zugang zu World Class Performance Architektur-Blueprints und Lösungsmodellen, die entsprechende Ambition Levels detailliert untersetzen, eine große Rolle. Ebenfalls wichtig: Die Bereitschaft und die Selbstverpflichtung, auch über mehrere Führungswechsel hinweg,  mittel- bis langfristige Technologiestrategien erfolgreich umzusetzen, bzw.  den Erfolg im Rahmen eines mehrjähriges Continuous Improvement-Konzepts auf der Basis der sich erweiternden technologischen Möglichkeiten und Funktionalitäten nachzusteuern.

CF: Welche Rolle spielen dabei Betriebsräte und Gewerkschaften?

Bach: Der oft gebrauchte Hinweis auf gegenläufige Betriebsrats- oder Gewerkschaftsinteressen verfängt nicht mehr. In der Regel erleben wir die Arbeitnehmervertretungen in unseren Transformationsprojekten als sehr starke Protagonisten und „Change-Agents“. Voraussetzung dafür ist ein frühzeitig einsetzender, transparenter Kommunikationsaustausch, der die strategischen Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen und die daraus resultierenden Entwicklungsmöglichkeiten der Belegschaft in den Vordergrund rücken sollte.

CF: Wirklich? GenAI gefährdet doch die Jobs der Mitarbeiter. Ist Weiterbildung möglich und welche Skills müssen besonders gefördert werden?

Bach: In der Tat werden durch die möglichen Produktivitätssteigerungen auch Jobs wegfallen. Allerdings sehe ich eine ähnliche Entwicklung wir bei der Robotic Process Automation (RPA) Welle vor einigen Jahren. Mit zunehmender Adoption der Technologien werden sich Jobverlagerungen und Weiterentwicklungsoptionen zu Jobprofilen etwa in den Bereichen Datenmodellierung, Data Management, Prompt Engineering, GenAI Compliance oder Qualitätsmanagement auftun. Neue GenAI getriebene Geschäftsmodelle wie die Vermarktung von GenAI Content oder der Betrieb von GenAI Tools oder Plattformen sorgen für zusätzlichen Personalbedarf. Im Gesamtblick gehe ich davon aus, dass die vorstehenden Jobeffekte mögliche Arbeitsplatzverluste im Zeitablauf mehr als kompensieren werden.

CF: Wie lange dauert Ihrer Meinung nach die Implementierung von GenAI-Lösungen und wie hoch ist der Investitionsaufwand?

Bach: Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Es gibt nicht die eine GenAI – Lösung und die organisatorischen Reifegrade in den Unternehmen für die Umsetzung der Technologien sind äußerst unterschiedlich. Die effektive Umsetzung von AI- Technologien baut auf sauberen, in der Regel integrierten Datengrundlagen auf. Oft ist die Investition in das „Cleansing“ der Daten zeit- und kostenintensiver als die eigentliche Implementierung der Technologie. In dem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass die Implementierungsdauer aufgrund der stark gestiegenen Integrationsfähigkeit der Technologien stark zurückgegangen ist. Je nach Ausgangslage sind jedoch zusätzliche Kosten für Datenakquisition, Daten-/Modellierungsexperten, Cloud Computing Services, Integrationskosten, Trainings oder Compliance Audits zu berücksichtigen. Nach der Implementierung können zudem laufende Betriebskosten für die Wartung und Aktualisierung der Modelle, die Verwaltung der Infrastruktur und die Unterstützung der Endnutzer anfallen.

CF: Ausblick: Wohin geht die Reise in den nächsten Jahren und in welchen Schritten?

Bach: Ich gehe davon aus, dass sich die Adaption von GenAI in den nächsten Jahren exponentiell weiterentwickeln wird: GenAI Funktionalitäten in Finanzen und Einkauf voraussichtlich etwas später als etwa in Marketing oder IT, wo bereits heute im Advertising oder im Bereich IT Maintenance (Stichwort: „Self- healing IT“) skalierbare Erfahrungen gemacht werden.

CF: Und welche Rahmenbedingungen sind elementar?

Bach: Wichtig ist vor allem, dass GenAI unter ethischen Gesichtspunkten entwickelt und eingesetzt wird. Die Berücksichtigung potenzieller Vorurteile, Datenschutzbedenken und gesellschaftlicher Auswirkungen spielt dabei eine große Rolle, etwa um Halluzinations- oder Bias-Risiken zu minimieren. Darüber hinaus sind Rahmenbedingungen mit Fokus auf Nutzerorientierung, Cybersicherheit und Skalierbarkeit erforderlich, mit dem Ziel, die Interaktion Mensch und GenAI effektiv zu gestalten und damit die Co-Creation und Umsetzbarkeit von neuen, innovativen Inhalten zu fördern.

Last but not least gilt es, Anreize zu setzen, um den signifikanten Energieverbrauch, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Training von AI Modellen (Deep Learning), nachhaltig zu reduzieren.  Die Vorstellung des NVIDIA GB200 Chips auf der Technologiekonferenz GTC 2024 im März dieses Jahres geht da in die richtige Richtung. Der soll bei einer 30-fachen Steigerung der Übertragungsleistung bis zu 25-mal weniger Energie verbrauchen.

CF: Vielen Dank, Herr Bach, für Ihre Einschätzung!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro


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