Die nicht-finanzielle Berichterstattung der führenden börsennotierten Unternehmen in Deutschland, speziell zu Personal- bzw. Human Capital Management, erweist sich als zerfasert in verschiedenen Berichtsformen, heterogen in den Themen und hoch divers in Qualität und Quantität der Darstellung. Unternehmen berichten sehr selektiv und nur in wenigen Fällen in integrierter Form mit definierten Kenngrößen einschließlich Ziel- und Ist-Werten. Vergleichbarkeit oder auch ein gemeinsames Verständnis von Berichtsinhalten durch etablierte Standards sind selten gegeben. Durchgängig aufgegriffenen Themen wie Vergütung und Mitarbeiterentwicklung stehen Bereiche gegenüber, die gar nicht oder nur in Teilaspekten ausgeleuchtet werden wie zum Beispiel Diversität oder Datensicherheit. Zu diesen Ergebnissen kommt der hkp/// group HCM Monitor DAX 2021.
Die Studie, die gemeinsam von der Unternehmensberatung hkp/// group mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP, dem Deutschen Investor Relations Verband DIRK und der Academy of Labour erstellt wurde, hat die Geschäfts-, Nachhaltigkeits- und Personalberichte der DAX30-Unternehmen für das zurückliegende Geschäftsjahr analysiert. Inhaltlicher Impuls für die Analyse ist der verstärkte Fokus von institutionellen Investoren auf HR-Management-Themen im Rahmen einer generell zunehmenden Bedeutung der Bereiche Umwelt, Soziales und Governance (ESG) für Investmententscheidungen.
Governance-Fragen und Nachhaltigkeit rücken in den Blickpunkt
Die Stoßrichtung institutioneller Investoren ändert sich laut der Studie massiv. Lag der Fokus zunächst auf der finanziellen Performance, rückten dann Governance-Fragen und eine breitere Sicht auf Nachhaltigkeit in Blickpunkt. Mittlerweile werden durch Investoren, Themen des Human Capital Managements stärker denn je priorisiert, stellen die Studienautoren fest. So werden z.B. Mitarbeiterfluktuation, Menschenrechte, Diversität oder Frauenquoten immer wichtiger für Investorenentscheidungen. Die Studie stellt fest, dass die aktuelle nicht-finanzielle Berichterstattung zu HCM-Themen den Anforderungen von Investoren noch nicht standhalte und außerdem nicht zielführend im Sinne einer Kommunikation zu Wertschöpfung und Risikomanagement sei.
Spezielle Taxonomie als Grundlage für zukünftigen Berichtsstandard
Für die Studie wurde auf Basis internationaler Rahmenwerke eine Taxonomie entwickelt, anhand derer die aktuelle Berichterstattung analysiert wurde und die perspektivisch dazu beitragen kann, das HCM-Berichtswesen zu standardisieren. Basis der Auswertungslogik waren neben gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben die Angaben zentraler ESG-Rahmenwerke wie der Global Reporting Initiative, International Labour-Organization, der UN Global Compact und die Sustainable Development Goals. Ebenso integriert wurden aus Abstimmungsrichtlinien abgeleitete Erwartungen führender Investoren und Stimmrechtsberater.
Gute Kommunikation schafft Vertrauen bei Investoren und Stakeholdern
Im Ergebnis wurde von den Studienautoren eine Taxonomie mit 16 Human Capital Management-Kategorien erarbeitet. Die Ergebnisse der Analyse spiegeln sich in diesen Kategorien. Sie können Unternehmen dabei helfen, die eigene Human Capital Management-Berichterstattung so zu optimieren, dass sie das Vertrauen von Investoren gewinnen, aber auch von anderen Stakeholdern als Beitrag in der Kommunikation wichtiger nicht-finanzieller Kennzahlen zu verstehen sind, so die Empfehlung der Studienautoren.
Ergebnisse: Überblick & ausgewählte Kategorien
Das aktuelle Human Capital Management-Reporting der DAX30-Unternehmen nimmt substanziellen Raum in der Berichterstattung ein, variiert aber stark in Umfang, Timing und Veröffentlichungspraxis. So beläuft sich der Anteil der Human Capital Management-Darstellungen in Geschäftsberichten auf rund 14% des Gesamtinhalts. Ein Drittel der DAX-Unternehmen berichtet bereits heute integriert, also ausschließlich im Geschäftsbericht. Die deutliche Mehrheit der Unternehmen tritt mit ihren Nachhaltigkeits- bzw. Personalberichten signifikant später als mit dem Geschäftsbericht an die Öffentlichkeit, zum Teil mit über drei Monaten Verzug.
Viele Unternehmen stellen ihre HCM-Strategie nicht gesamthaft dar. Zudem erfolgt das Reporting meist sehr allgemein, qualitativ beschreibend und ohne klare KPIs. Investoren fordern jedoch entsprechende Informationen, um die Verknüpfung von Geschäftsaktivitäten mit der Human Capital Management-Strategie nachvollziehen zu können.
Diversität & Chancengleichheit bzw. Diskriminierungsfreiheit sind zentrale Inhalte von Geschäftsberichten. Das Reporting ist in der Regel auf den Gender-Aspekt fokussiert. Über die weiteren Themenfelder, zum Beispiel die demografische Verteilung der Belegschaft, wird nur wenig berichtet. Zu kurz kommen auch Ländervergleiche.
Compensation, Incentives & Benefits werden von allen Unternehmen thematisiert. Abseits der hoch regulierten Angaben zu Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung wird vielfach über Initiativen für eine faire, geschlechtergerechte Vergütung berichtet. Lediglich zwei Unternehmen weisen den Gender Pay Gap als KPI aus. Angaben zu Tarifstrukturen und zur Vergütung von AT-Mitarbeitern sind überraschend selten. Neben betrieblicher Altersversorgung werden weitere Benefits kaum aufgegriffen.
Data Security: Die Berichterstattung in dieser Kategorie ist insgesamt dürftig. In der Regel werden allgemeine und pauschale Aussagen getroffen. Nur wenige Unternehmen berichten mit Aussagen, die tragfähige Rückschlüsse auf den Stellenwert von Datenschutz und Informationssicherheit erlauben. Es finden sich nur wenige KPIs.
Aus- und Weiterbildung, Qualifizierung und Engagement sind sehr präsente Themen. Häufig wird Bildung im Kontext von Transformation und Digitalisierung als strategisch wichtig betont. Die meisten Unternehmen berichten über digitale Kompetenzen bzw. Zukunftsfähigkeit sowie digitale Lernangebote. Im Gegensatz dazu wird über Mitarbeiter-Engagement weniger ausführlich berichtet – obwohl nahezu alle DAX- Unternehmen regelmäßig entsprechende Befragungen durchführen und daraus KPIs wie Engagement-Index, Stimmungsindex und Mitarbeiterzufriedenheit ableiten.
Vielfältige Perspektiven auf den Handlungsbedarf für HR, IR und Arbeiternehmervertreter
Für die am Studienprojekt beteiligten Partner DGFP, DIRK und Academy of Labour ergeben sich aus den Studienergebnissen ganz spezifische Erkenntnisse und Handlungsbedarfe. So sieht Kai Helfritz von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung auf Basis der Studie die Relevanz einer sinnvollen qualitativen und quantitativen Berichtslegung zu HR-Themen erwachsen – und einem intensiven direkten Austausch dazu mit Investoren. Er ist überzeugt, dass die aktuelle Stoßrichtung von Investoren CHROs und Personalverantwortliche – viele davon erstmals – stärker denn je in den Investorendialog einbinden werde. Dafür brauche es Kennzahlen, Best Practices und ein abgestimmtes Agieren mit Aufsichtsrat, Vorstand und Investor Relations.
Aufsichtsrat als Kontrollinstanz sollte entsprechenden Berichterstattung einfordern
Für die Mitbestimmungsseite konstatiert Tanja Jacquemin, Fachreferentin für Aufsichtsräte und Unternehmensmitbestimmung bei der Academy of Labour, dass der neue Investoren-Fokus Arbeitnehmervertretern in Aufsichts- und Betriebsräten die Chance bietet, sich noch wirksamer im Sinne der Beschäftigten einzubringen. Dies sei auch im Interesse der Investoren. Denn dort, wo es eine hohe Abdeckung von Beschäftigten durch Interessenvertreter gebe, sind in der Regel die Arbeitnehmerstandards hoch und die entsprechenden von Investoren adressierten Risiken gering. Aus Sicht von Jacquemin kann und muss der Aufsichtsrat als Kontrollinstanz der Verpflichtung zu einer entsprechenden Berichterstattung über die gesetzlichen Forderungen hinaus weiteren Nachdruck verleihen und somit die Rolle der Beschäftigten als am Unternehmen Beteiligte stärken.
Eigene Standards etablieren und Defizite auf Investorenseite kompensieren
Aus Sicht von Kay Bommer, Geschäftsführer DIRK – Deutscher Investor Relations Verband, ist Human Capital Management als Thema noch nicht auf der Investor-Relation-Agenda angekommen. Dass neben dem regulären Reporting zunehmend auch Anfragen zu Kennzahlen und Sachverhalten aus diesem Themengebiet an IR herangetragen werden, sieht er als Chance. Die aktuellen Entwicklungen in puncto Human Capital Management eröffnen der Investor-Relation-Funktion den Spielraum, eigene Standards zu etablieren und damit auch Defizite auf Investorenseite zu kompensieren. Die Investor Relations-Abteilungen sollten die sich bietende Gelegenheit im Sinne der eigenen strategischen Positionierung nutzen, rät Bommer deshalb.
(Pressemitteilung hkp/// group vom 05.07.2021)