Deutschland weist im internationalen Vergleich eine deutlich überdurchschnittliche Unternehmenssteuerbelastung, einen hohen Grad an Regulierung und hohe Energiekosten auf. Das geht aus der aktuellen Unternehmensbefragung „Neuausrichtung der USA – Perspektiven deutscher Unternehmen“ von KPMG Deutschland hervor. Gerade im Bereich Steuern erwarten die befragten deutschen Unternehmen durch die von der neuen US-Administration beschlossenen oder angekündigten Maßnahmen für sich Geschäftschancen in den USA: Neben positiven Effekten durch Unternehmenssteuersenkungen in den USA (44 %) fürchten nahezu ebenso viele (37 %) aber auch Steuererhöhungen, die gerade ausländische Unternehmen treffen könnten.
Jeweils rund ein Viertel der Befragten erwartet einen Abbau von Regulierung und damit mehr Freiräume im Bereich Forschung und Entwicklung (26 %), die nachhaltige Verfügbarkeit langfristig günstiger Energie (24 %) – besonders lokal verfügbarer fossiler Energieträger – sowie die Förderung von Neuansiedlungen (ebenfalls 24 %).
Unvorhersehbarkeit zukünftiger US-Politik größtes Hemmnis
Den neuen Chancen stehen auch Bedenken der befragten deutschen Unternehmen gegenüber: Mehr als zwei Drittel der durch KPMG Befragten (69 %) bezeichnen die Unvorhersehbarkeit der US-Politik als größte Herausforderung. Die mangelnde Planungssicherheit erschwert strategische Standort-Entscheidungen und langfristige Investitionen, insbesondere Verlagerungen von Produktionsstätten und Neuansiedlungen. Zusätzlich belasten neue US-Einfuhrzölle fast die Hälfte der Befragten (49 %) bei ihren globalen Handelsaktivitäten.
Auch die Geschäftsaktivitäten deutscher Unternehmen in anderen Ländern sind von den Entscheidungen der neuen US-Administration betroffen: Etwa ein Siebtel der Befragten nennen potenzielle Sanktionen gegen China (15 %) und die Aufkündigung des USMCA-Freihandelsabkommens zwischen USA, Mexiko und Kanada (13 %) als größte Herausforderungen. Vielfach produzieren deutsche Unternehmen in diesen Ländern und exportieren die Güter anschließend in die USA.
Bislang kein Trend zu Produktionsverlagerungen
Ziel der US-Zölle ist es, internationale Unternehmen dazu zu bewegen, ihre für den Export in die USA genutzten ausländischen Produktionsstätten in die USA zu verlagern. Dies ist bislang jedoch nicht im großen Stil erkennbar: Trotz neuer Zölle auf US-Importe planen 80 % der Unternehmen keine Verlagerung ihrer Produktion aus Deutschland in die USA. Lediglich jedes Zehnte (10 %) zieht einen solchen Schritt in Betracht. Fünf Prozent erwägen hingegen ihre US-Aktivitäten in andere Regionen zu verlagern. Eine Umsiedlung ihrer Fertigung aus anderen Ländern in die USA bleibt mit ein bis vier Prozent pro Region ebenfalls die Ausnahme.
Standort USA gewinnt nicht an Attraktivität – stattdessen beschleunigt die deutsche Wirtschaft ihre Diversifizierungs-Aktivitäten
Als Konsequenz der Neuausrichtung der US-Politik wollen sich die befragten deutschen Unternehmen breiter aufstellen und Abhängigkeiten von nur wenigen großen Märkten mindern. So evaluiert jedes Zweite (51 %) einen zusätzlichen Einstieg in neue Zielregionen wie Afrika, Südamerika oder Osteuropa. Auch auf den Kontinent Asien wollen sich 20 % der befragten Unternehmen fokussieren.
Die neue US-Politik hat bislang nicht zu einer Stärkung der Attraktivität des US-Standorts – auch nicht im Vergleich mit China – geführt: Während 21 % der befragten Unternehmen neue Produktionsstätten in den USA aufbauen wollen, erwägen fast genauso viele (19 %) einen vollständigen Rückzug. Einen Ausstieg aus China als Reaktion auf die zunehmende Entkopplung der beiden größten Volkswirtschaften USA und China ziehen bislang hingegen nur 4 % in Erwägung.
„Um ein Klumpenrisiko in den USA zu vermeiden, diversifiziert die deutsche Wirtschaft ihre Geschäftsaktivitäten in neue Märkte und Regionen. Die von der US-Politik beabsichtigten Produktionsverlagerungen deutscher Unternehmen in die USA und Abkehr deutscher Unternehmen von China bleiben Wunschdenken“, erklärt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG in Deutschland und Leiter der Befragung.
ESG bleibt gesetzt – trotz US-Politik setzen deutsche Unternehmen auf Kontinuität
Wenngleich die neue US-Administration eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, um ESG-Praktiken zu beenden – etwa den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen oder eine Neugestaltung von Diversitätsprogrammen – halten 85 % der deutschen Unternehmen an ihrem ESG-Engagement fest. Nur 12 % der befragten Unternehmen planen aufgrund der Neuausrichtung der US-Politik ihre Aktivitäten im Bereich Umwelt zu verringern, 10 % im Bereich Soziales und 7 % im Bereich Governance. „Für deutsche Unternehmen, die in den USA tätig sind, stellt sich die Frage, wie sie mit den teilweise konträren Rechtsrahmen in den USA und der EU zukünftig umgehen. Im Ernstfall droht eine Abkopplung der US-Aktivitäten deutscher Konzerne,“ so Bereichsvorstand Andreas Glunz abschließend.
(KPMG vom 29.04.2025 / RES JURA Redaktionsbüro – vcd)