In einem Umfeld multipler Krisen und großer Unsicherheiten verharren die M&A-Aktivitäten in der weltweiten Transport- und Logistikbranche auf niedrigem Niveau: In der ersten Jahreshälfte wurden lediglich 93 Fusionen und Übernahmen angekündigt – ein Rückgang im Vergleich zum vorherigen Halbjahr, als immerhin 108 Transaktionen verkündet wurden. Gleichzeitig stieg das Deal-Volumen auf 57,9 Milliarden US-Dollar – ein deutliches Plus im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2024 (49,2 Milliarden US-Dollar). Der Grund für diesen Anstieg: elf Megadeals ab einer Milliarde US-Dollar, die 62 % des Gesamtvolumens ausmachen.
Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Ausgabe des Transport & Logistics Barometers, für das die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland halbjährlich gemeinsam mit Strategy& die aktuellen Entwicklungen, Mergers & Acquisitions (M&A), Joint Ventures und strategischen Allianzen in der Transport- und Logistikindustrie analysiert.
Zölle, Geopolitik, Cyberangriffe und Regulierung als größte Herausforderungen
Die Transport- und Logistikbranche steht derzeit vor einer Reihe von Herausforderungen, die für große Unsicherheiten sorgen und folglich Transaktionstätigkeiten ausbremsen. Neben geopolitischen Spannungen wie dem Konflikt zwischen Israel und dem Iran sowie Bedrohungslagen auf zentralen Schifffahrtsrouten, zum Beispiel im Roten Meer, steigt auch das Risiko von Cyberangriffen. So sind die Unternehmen der Branche in gleich mehrfacher Hinsicht gezwungen, ihre Investitionsstrategien kritisch zu prüfen. Ein besonders schwierig vorhersehbarer Faktor ist in jüngster Zeit hinzugekommen: „Die erratische Zoll- und Handelspolitik der USA schafft ein Klima der Unsicherheit und bewirkt, dass sich insbesondere strategische Investoren bei Fusionen und Übernahmen derzeit zurückhalten“, erklärt Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland.
Schifffahrt führt beim Transaktionsvolumen
Der aktivste Subsektor in der ersten Jahreshälfte war traditionell Logistics & Trucking: Auf dieses Segment entfielen 42 Transaktionsankündigungen und damit 45 % aller Deals. Beim Transaktionsvolumen war der Anteil dieses Subsektors jedoch rückläufig und lag nur noch bei 23 % (2024: 52 %). Den Spitzenplatz nimmt der Bereich Schifffahrt ein: Seit Januar wurden in diesem Sektor Fusionen und Übernahmen im Gesamtwert von 26,6 Milliarden US-Dollar angekündigt. Mit nur 18 Deals gab es im Shipping-Segment vergleichsweise geringe Aktivität, wenn auch mit einigen hochpreisigen Transaktionen. „Trotz der aktuellen Unsicherheiten nutzten einige große Reedereien die Situation, um ihre strategische Position durch Übernahmen zu stärken“, so Burkhard Sommer, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland. „Schifffahrtsunternehmen übernehmen gezielt kleinere Logistikdienstleister, um ihr Portfolio zu diversifizieren. Eine anhaltende Handelskrise wird Logistikdienstleister dazu zwingen, Lieferungen gegebenenfalls umzuleiten, bestehende Routen anzupassen und Strategien langfristig neu auszurichten. Die damit verbundenen Kosten werden kleinere Unternehmen überproportional belasten und nicht vollständig an die Kunden weitergegeben werden können.“ Mit einer Verlagerung des Güterverkehrs vom Schiff in die Luft rechnet der Experte indes nicht.
Der größte Deal des Halbjahres betrifft den Panamakanal
Die größte Transaktionsankündigung der ersten Jahreshälfte 2025 nimmt ein Ziel aus der maritimen Infrastruktur ins Visier: Eine Investorengruppe um den US-Vermögensverwalter BlackRock plant, 90 % der Anteile an der Panama Ports Authority zu erwerben. Für 19,21 Milliarden US-Dollar verschafft sich der Investor somit Einfluss auf ein strategisch wichtiges Ziel – insbesondere vor dem Hintergrund der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, den Panamakanal wieder unter Kontrolle der Vereinigten Staaten bringen zu wollen. „Um Abhängigkeiten und das Risiko globaler Lieferkettenstörungen zu minimieren, sind Investoren bereit, hohe Summen für Infrastrukturziele wie Häfen zu zahlen“, erläutert Burkhard Sommer. Vier weitere Transaktionsankündigungen der ersten Jahreshälfte zielten auf den Bereich Hafeninfrastruktur ab.
Finanzinvestoren dominieren das Geschehen
Finanzinvestoren dominierten das Transaktionsgeschehen in der ersten Jahreshälfte: Sie waren an 61 % der angekündigten Deals beteiligt und machten 74 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens aus. In den Vorjahren gingen jeweils die Hälfte der Deals auf das Konto strategischer Investoren. Im Jahr 2024 zeichnete diese Gruppe noch für 61 Prozent des Transaktionsvolumens verantwortlich. „Viele strategische Investoren stellen ihre Übernahmepläne aktuell zurück, bis wieder mehr Klarheit im Markt herrscht“, sagt Ingo Bauer.
Strategische Allianzen als Alternative zu M&A
Die Zahl strategischer Allianzen ist dagegen stabil: Transport- und Logistikunternehmen nutzen Joint Ventures und andere Kooperationsformen, um ihre Transformation in Bereichen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung voranzutreiben. So wurden beispielsweise einige Kooperationen im Bereich Elektromobilität sowie alternative Antriebe und Kraftstoffe angekündigt. Zudem wurden technologiebezogene Partnerschaften vereinbart, die sich auf autonome Fahrzeuge sowie Flotten- und Routenoptimierung konzentrieren. „Für die Unternehmen der Branche scheinen Kooperationen angesichts der aktuellen Unsicherheiten einen risikoärmeren Weg zur Transformation darzustellen“, so Ingo Bauer.
Chancen für risikobereite, gut kapitalisierte Unternehmen
Im aktuellen Umfeld stehen die Unternehmen der Transport- und Logistikbranche vor der Aufgabe, sich kontinuierlich an die sich schnell verändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Dazu gehöre es auch, Geschäftsmodelle neu zu bewerten und grundlegend zu überdenken, rät Ingo Bauer: „Risikobereiten und gut kapitalisierten Unternehmen eröffnet die aktuelle Lage die Chance, durch Übernahmen weiter zu wachsen. Jetzt kommt es darauf an, möglichst schnell die passenden Ziele auszumachen.“
(PwC vom 29.07.2025 / RES JURA Redaktionsbüro – vcd)