Eine klare Digitalisierungsstrategie ist entscheidend für die erfolgreiche digitale Transformation des Geschäftsmodells von Unternehmen. Um ihre digitalen Fähigkeiten zu erweitern, setzen die deutschen Unternehmen auf den Zukauf von Know-how: Bereits ein Viertel aller M&A-Transaktionen war 2017 digitalgetrieben.
Das sind wesentliche Ergebnisse einer Studie der Kanzlei Noerr und der Technischen Universität München. Nach der aktuellen Untersuchung sind Unternehmen mit einer klaren Digitalstrategie dabei deutlich aktiver. Gewinnbringend sind digitalisierungsgetriebene Transaktionen, wenn es dem Übernehmer gelingt, sowohl Organisationstrukturen und -kultur sowie Informationssysteme des Zielunternehmens zu integrieren als auch dessen Mitarbeiter an Bord zu halten.
Für die Studie wurden 150 Entscheider in deutschen Unternehmen befragt. Sie gaben Auskunft dazu, ob und inwieweit Unternehmen die digitale Transformation des eigenen Geschäftsmodells vorantreiben und welche Rolle dabei M&A spielt.
Von 2013 bis 2017 hat sich der Anteil der M&A-Transaktionen mit Digitalbezug im deutschen Markt um sechs auf 25 Prozent erhöht (Quelle: Mergermarket). Wesentlicher Treiber des Trends ist der Wunsch, durch Transaktionen Zugang zu neuen Geschäftsmodellen zu erhalten: Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Befragten gab an, dass dieser Grund „sehr wichtig“ bei der Entscheidung über durchgeführte Transaktionen gewesen war.
„Die Studie belegt, dass sich dieses Motiv aus einem Mangel an digitalem Know-how in den Unternehmen speist“, sagt Noerr-Partner Dr. Gerald Reger. So betonen 68 Prozent der Befragten, dass die digitale Transformation eine zentrale Rolle in der Unternehmensstrategie spielt. Zugleich ist aber in 45 Prozent der Unternehmen keine bzw. keine klare Digitalstrategie vorhanden.
Analoge Unternehmensleitungen
Eingesetzt werden digitale Technologien bei deutschen Unternehmen aktuell insbesondere im Bereich des (Kunden-)Supports und bei operativen Prozessen – vom Einkauf über die Produktion bis zum Vertrieb. „Sind die Prozesse im Unternehmen voll digitalisiert, können die dabei anfallenden internen Daten von der Unternehmensleitung aber auch für strategische Entscheidungen herangezogen werden“, betont Gerald Reger. Die Studie zeichnet jedoch ein anderes Bild. Danach nutzen deutlich weniger Unternehmen bereits digitale Werkzeuge – insbesondere Big Data und künstliche Intelligenz – in der Vorbereitung oder zur Unterstützung von Entscheidungen der Geschäftsleitung oder um die Sicherung der Compliance zu verbessern.
„Die Vorteile der Digitalisierung fließen noch nicht wirklich in die Entscheidungsprozesse an der Spitze der Unternehmen ein“, kommentiert Gerald Reger die Ergebnisse. Obwohl in den meisten Unternehmen die Unternehmensführung für die Digitalisierung verantwortlich ist, meinen 77 Prozent der Befragten, dass die Digitalisierung noch keine Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung in den Leitungsgremien hat.
„Eine fehlende bzw. unterentwickelte Digitalstrategie erschwert die digitale Transformation des eigenen Geschäftsmodells“, sagt Prof. Dr. Isabell Welpe von der TU München. Nach der Umfrage treiben Unternehmen mit einer klaren Strategie die digitale Transformation deutlich engagierter voran. M&A-Transaktionen mit Digitalbezug sind hier das Mittel der Wahl. 71 Prozent der Befragten gaben an, dass derartige Akquisitionen eine zentrale Rolle bei der digitalen Transformation spielen. Unternehmen mit einer bereits vorhandenen Digitalstrategie schreiten dabei voran. Nach der Studie waren sie in den vergangenen zwei Jahren deutlich häufiger mit digitalen M&A-Aktivitäten beschäftigt (Umfragewert 4,75 auf einer Skala von 1 bis 5) als Unternehmen ohne eine solche Strategie (4,11). Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Acceleratoren und Inkubatoren sind weitere wesentliche Hebel zur Digitalisierung der Unternehmen. Auch hierbei waren digital fokussierte Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren deutlich aktiver.
Erfolgsfaktoren für Digital-M&A
Die Studienautoren haben darüber hinaus untersucht, welche Faktoren M&A-Transaktionen zum Erfolg führen. „Auch hier zeigt sich, dass der Einsatz digitaler Technologien wesentlich ist“, sagt Dr. Thomas Thalhofer, Co-Leiter Digital Business bei Noerr. Bei erfolgreichen Transaktionen kamen digitale Werkzeuge zur Unternehmensbewertung sowie zur Portfoliooptimierung deutlich häufiger zum Einsatz als bei weniger erfolgreichen Transaktionen. Größte Herausforderungen in digitalisierungsgetriebenen Transaktionen sind dabei nach der Studie die Themen Datenschutz sowie der Transfer von Know-how und IP-Rechten (z.B. Software). Im Vergleich zu „klassischen“ M&A-Transaktionen sind dies nach Meinung der Befragten die besonders kritischen Erfolgsfaktoren.
Entscheidend sind aber auch „weiche Faktoren“: Digital-Transaktionen sind nach Meinung der Studienteilnehmer dann besonders erfolgreich, wenn es gelingt, die Organisationsstruktur und -kultur sowie die Management-Informations-Systeme des Zielunternehmens in die eigene Organisation zu integrieren. Außerdem hängt der Erfolg einer digital getriebenen M&A-Transaktion in hohem Maße davon ab, ob Mitarbeiter des Unternehmens auch nach der Übernahme an Bord bleiben.
So haben bei den erfolgreichen Transaktionen lediglich 2 Prozent der Beschäftigten während der Integrationsphase das Unternehmen verlassen, bei den weniger erfolgreichen Transaktionen waren es knapp 11 Prozent. Keine große Rolle spielt nach Auskunft der Befragten dagegen, ob der Gründer nach der Übernahme im Unternehmen verbleibt oder es verlässt: Während dies bei knapp 11 Prozent der weniger erfolgreichen Transaktionen der Fall war, waren es bei den erfolgreichen rund 9 Prozent. „Es kommt ganz entscheidend darauf an, die Mitarbeiter vom Mehrwert einer Transaktion zu überzeugen“, kommentiert Gerald Reger die Ergebnisse. Und: „Die Mannschaft ist wichtiger als der Kapitän.“
Die Studie finden Sie hier.
(Pressemitteilung Noerr vom 14.04.2019)